BGer 2A.410/2000
 
BGer 2A.410/2000 vom 01.12.2000
[AZA 0/2]
2A.410/2000/leb
II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ***********************************
1. Dezember 2000
Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Betschart, Müller und
Gerichtsschreiberin Müller.
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In Sachen
A.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Patrick M. Hoch, Rämistrasse 29, Zürich,
gegen
Regierungsrat des Kantons Zürich, Verwaltungsgericht des Kantons Zürich,
betreffend
Aufenthaltsbewilligung, hat sich ergeben:
A.- Die 1969 geborene brasilianische Staatsangehörige A.________ reiste im Jahre 1993 in die Schweiz ein. Am 8. Januar 1994 verheiratete sie sich mit dem Schweizer Bürger B.________. In der Folge erteilte ihr die Polizeidirektion des Kantons Zürich eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib beim schweizerischen Ehemann. Am 7. September 1994 zog dieser aus der ehelichen Wohnung aus und klagte am 5. Januar 1995 beim Bezirksgericht X.________ auf Scheidung der Ehe. Mit Urteil vom 13. August 1998 hiess das Gericht die Klage gut. Gegen dieses Urteil erhob A.________ Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich. Anlässlich der Berufungsverhandlung vom 31. März 1999 erklärte sie jedoch ihre Zustimmung zum Scheidungsbegehren, worauf das Obergericht mit Urteil vom 19. April 1999 die Scheidung aussprach.
B.- Inzwischen hatte die Fremdenpolizei des Kantons Zürich mit Verfügung vom 2. Oktober 1997 ein Gesuch von A.________ um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung abgewiesen.
Die dagegen beim Regierungsrat bzw. beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich eingereichten Rechtsmittel blieben erfolglos.
C.- A.________ hat gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 22. März 2000 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben.
Der Regierungsrat und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich sowie das Bundesamt für Ausländerfragen beantragen die Abweisung der Beschwerde.
D.- Mit Verfügung vom 6. Oktober 2000 erkannte der Abteilungspräsident der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiete der Fremdenpolizei aus gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt.
Nach Art. 7 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931 (ANAG; SR 142. 20) hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (Abs. 1 Satz 1). Nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren hat er Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung (Abs. 1 Satz 2).
Der Anspruch erlischt, wenn ein Ausweisungsgrund vorliegt (Abs. 1 Satz 3). Kein Anspruch besteht, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern und namentlich jene über die Begrenzung der Zahl der Ausländer zu umgehen (Abs. 2). Für die Eintretensfrage ist in diesem Zusammenhang einzig da-rauf abzustellen, ob formell eine eheliche Beziehung besteht (BGE 126 II 265 E. 1b, 122 II 289 E. 1b S. 292, mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführerin ist von ihrem schweizerischen Ehemann geschieden. Da sie sich jedoch vor der rechtskräftigen Scheidung während mehr als fünf Jahren ordnungsgemäss in der Schweiz aufhielt, hat sie gestützt auf Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ANAG einen Anspruch auf Niederlassungsbewilligung erworben, welcher mit der Scheidung nicht erloschen ist (BGE 121 II 97 E. 4c S. 104 f.). Die Frage, ob die Bewilligung zu verweigern sei, weil einer der in Art. 7 ANAG vorgesehenen Ausnahmetatbestände oder ein Verstoss gegen das Rechtsmissbrauchsverbot gegeben ist, betrifft nicht das Eintreten, sondern bildet Gegenstand der materiellen Beurteilung (BGE 126 II 265 E. 1b). Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit einzutreten.
2.- Der Ausgang des Verfahrens hängt nach dem soeben Gesagten davon ab, ob sich noch vor Ablauf von fünf Jahren seit der Heirat, d.h. vor dem 8. Januar 1999, ein zum Erlöschen des Anspruchs führender Tatbestand verwirklicht hat.
Im Vordergrund steht dabei ein Verstoss gegen das Rechtsmissbrauchsverbot.
Ein solcher ist nach der Rechtsprechung dann gegeben, wenn sich der ausländische Ehegatte auf eine Ehe beruft, die nur noch formell aufrechterhalten wird mit dem einzigen Ziel, die Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung erhältlich zu machen. Ein derartiger Zweck wird durch Art. 7 ANAG nicht geschützt (BGE 121 II 97 E. 4a in fine S. 104).
Nach den für das Bundesgericht im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 OG verbindlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts lebten die Ehegatten bloss acht Monate in ehelicher Gemeinschaft zusammen. Am 7. September 1994 zog der Ehemann aus der ehelichen Wohnung aus und machte am 5. Januar 1995 die Scheidungsklage anhängig. Bei der Beschwerdeführerin liess sich kein ernsthafter Wille zur Fortführung einer gelebten Ehe feststellen. Tatsächliche Anstrengungen, eine Versöhnung herbeizuführen, sind nicht ersichtlich. Die eheliche Gemeinschaft ist denn auch nie wieder aufgenommen worden. Am 13. August 1998 wurde die Ehe nach langwierigem Beweisverfahren erstinstanzlich geschieden.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen das Scheidungsur-teil Berufung, erklärte sich dann aber am 31. März 1999, d.h. nicht einmal ganz drei Monate nach Ablauf der Fünfjahresfrist, mit der Scheidung einverstanden. Unter diesen Umständen drängt sich die Annahme auf, der Widerstand der Beschwerdeführerin gegen die Scheidung sei in erster Linie darauf zurückzuführen gewesen, dass sie die Erteilung der Niederlassungsbewilligung habe erwirken wollen.
Zwar ist richtig, dass bis zum rechtskräftigen Scheidungsurteil an sich stets noch die Möglichkeit auf Wiedervereinigung der Ehegatten besteht. Eine gesetzliche Vermutung, dass der sich der Scheidung widersetzende Ehegatte tatsächlich den Willen hat, das eheliche Zusammenleben wieder aufzunehmen, besteht aber entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht und ergibt sich namentlich nicht aus dem von ihr angerufenen Art. 179 Abs. 2 aZGB. Damit ist auch der Rüge der Boden entzogen, es hätte von der Beschwerdeführerin nicht verlangt werden dürfen, den Nachweis dafür zu erbringen, dass sie nach der mehrjährigen Trennung und trotz des heftig geführten Scheidungsprozesses immer noch den ernsthaften Willen hatte, die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen. Im Übrigen hat die Vorinstanz nicht in Zweifel gezogen, dass sich die Ehegatten während des Scheidungsverfahrens immer wieder gesehen und unterhalten hätten.
Sie hat aber festgestellt, von Bestrebungen der Beschwerdeführerin und ihres damaligen Ehegatten, die Beziehung über den rein freundschaftlichen Charakter hinaus wieder zu intensivieren, sei nicht die Rede gewesen. Das wird in der Beschwerde nur mit allgemeinen Ausführungen bestritten, ohne dass dargetan würde, dass die Feststellung an einem Mangel gemäss Art. 105 Abs. 2 OG leide.
Die Beschwerdeführerin kann auch daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten, dass sie angeblich auch aus wirtschaftlichen Gründen an der Ehe festhielt. Zwar konnte unter der Herrschaft des früheren Scheidungsrechts das Recht des an der Zerrüttung nicht oder weniger schuldigen Ehegatten, sich unter Berufung auf Art. 142 Abs. 2 aZGB der Scheidung einer im Übrigen inhaltsleer gewordenen Ehe zu widersetzen, nach der Rechtsprechung unter Umständen auch durch bloss wirtschaftliche Motive gerechtfertigt sein (vgl. BGE 111 II 109 E. 1d, 109 II 363). Diese Rechtsprechung lässt sich jedoch nicht auf den Anspruch des im Übrigen nur noch formell an der Ehe festhaltenden ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung übertragen. Art. 7 ANAG dient primär nicht dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Ausländers, sondern will das Zusammenleben der Ehegatten in der Schweiz ermöglichen. Soweit es nur um den Bezug von finanziellen Leistungen vom schweizerischen Ehegatten geht, ist der ausländische Ehegatte nicht auf eine schweizerische Aufenthaltsbewilligung angewiesen (nicht veröffentlichtes Urteil vom 25. Juni 1999 i.S. Skultety).
3.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist daher abzuweisen. Dem mit der Beschwerde gestellten Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege kann wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsbegehrens nicht entsprochen werden (Art. 152 Abs. 1 OG). Die Kosten sind dem Ausgang des Verfahrens entsprechend der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.- Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.
3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich sowie dem Bundesamt für Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 1. Dezember 2000
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Die Gerichtsschreiberin: