BGer 1A.243/2000
 
BGer 1A.243/2000 vom 29.01.2001
[AZA 0/2]
1A.243/2000/boh
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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29. Januar 2001
Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
Féraud, Ersatzrichterin Pont Veuthey und Gerichtsschreiberin Gerber.
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In Sachen
S.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas M. Rinderknecht, Beethovenstrasse 7, Postfach 4451, Zürich,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Anklagekammer des Kantons Thurgau, Präsident,
betreffend
internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Deutschland,
Gesuch um aufschiebende Wirkung,
(B 112 253),
zieht das Bundesgericht in Erwägung:
1.- Das Justizministerium Baden-Württemberg ersuchte die Schweiz am 8. September 1998 im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren wegen Betrugs und Untreue um Rechtshilfe.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau entsprach dem Gesuch, ordnete die Durchsuchung der Wohnung von S.________ in Märstetten an und verfügte am 10. März 1999 die Herausgabe des beschlagnahmten Materials an die Staatsanwaltschaft Konstanz. Das Bundesgericht hiess am 24. Januar 2000 eine gegen die Schlussverfügung erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde teilweise gut und wies die Sache zur Auswahl der an die deutschen Behörden zu übermittelnden Unterlagen an die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau zurück (Verfahren 1A.247/1999).
Am 12. Juli 2000 teilte die Staatsanwaltschaft dem Rechtsvertreter von S.________ mit, dass für die erforderliche Sichtung und Auswahl der Unterlagen ein Beamter der Polizeidirektion Konstanz beigezogen werde und dieser die Aussonderung vornehmen solle. S.________ focht diese Verfügung bei der Anklagekammer des Kantons Thurgau an und beantragte, es sei die Sichtung und Aussonderung ohne Beizug eines ausländischen Beamten vorzunehmen. Zugleich ersuchte er um Gewährung der aufschiebenden Wirkung. Der Präsident der Anklagekammer wies das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung am 29. August 2000 ab.
Gegen den zuletzt genannten Entscheid erhob S.________ beim Bundesgericht eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde und stellte den Antrag, es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und der bei der Anklagekammer erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Die Anklagekammer entschied am 19. September 2000 in der Hauptsache und trat auf die bei ihr erhobene Beschwerde nicht ein. Zugleich traf sie jedoch zwei aufsichtsrechtliche Anordnungen zur Durchführung der erforderlichen Aktenaussonderung:
Die Staatsanwaltschaft wurde angewiesen, dem Beschwerdeführer vor der Ausscheidung der Akten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und sicherzustellen, dass die Ausscheidung der Akten nicht durch die deutschen Beamten, sondern von dem zuständigen Bezirksamt selbst vorgenommen werde.
Mit der Erledigung des Beschwerdeverfahrens bei der Anklagekammer ist die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegenstandslos geworden. Dies anerkennen auch der Beschwerdeführer in seinem nachträglich eingereichten Schreiben vom 28. November 2000 und die Anklagekammer in ihrer Stellungnahme vom 15. Januar 2001. Der Beschwerdeführer stellt den Antrag, es seien die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens dem Kanton Thurgau aufzuerlegen und es sei ihm zu dessen Lasten eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen: Die von der Anklagekammer getroffenen aufsichtsrechtlichen Anordnungen belegten, dass seine Beschwerde begründet gewesen wäre, wenn über den darin gestellten Antrag hätte entschieden werden müssen. Die Anklagekammer beantragt, die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens seien dem Beschwerdeführer aufzuerlegen, auf dessen Beschwerde die Anklagekammer nicht eingetreten sei.
2.- Nach Art. 72 BZP in Verbindung mit Art. 40 OG erklärt das Gericht einen gegenstandslos gewordenen Rechtsstreit als erledigt und entscheidet mit summarischer Begründung über die Prozesskosten auf Grund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrunds.
Der Beschwerdeführer setzte sich beim Bundesgericht gegen die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung im Verfahren vor der Anklagekammer zur Wehr, um zu verhindern, dass noch vor dem Entscheid in der Sache ein deutscher Beamter selber die Sichtung und Auswahl der rechtshilfeweise zu übermittelnden Akten vornehme, wie dies die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau vorgesehen hatte. Dem Beschwerdeführer drohte durch die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung ein unmittelbarer und nicht wieder gutzumachender Nachteil:
Es bestand die Gefahr, dass der deutsche Beamte noch vor dem Beschwerdeentscheid Einblick in die zu sichtenden Akten und damit auch in Unterlagen aus dem Geheimbereich erhalten würde, die keinen Zusammenhang mit dem Rechtshilfeersuchen aufweisen, für welche die Rechtshilfe somit nicht bewilligt werden könnte. Der die aufschiebende Wirkung verweigernde Entscheid wäre daher mutmasslich nach Art. 80f Abs. 2 in Verbindung mit Art. 80e lit. b Ziff. 2 des Bundesgesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. März 1981 (SR 351. 1; IRSG) beim Bundesgericht anfechtbar gewesen. Zudem wäre die Beschwerde begründet gewesen, da der Präsident der Anklagekammer einen unmittelbaren und nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 80l Abs. 3 IRSG zu Unrecht verneinte. Erst die von der Anklagekammer in ihrem Entscheid vom 19. September 2000 getroffenen aufsichtsrechtlichen Anordnungen beseitigten die erwähnte Gefahr einer unzulässigen Einblicknahme in Tatsachen aus dem Geheimbereich.
Bei dieser Sachlage sind keine Kosten zu erheben (vgl. Art. 156 Abs. 2 OG). Ausserdem hat der Kanton Thurgau den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 159 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird infolge Gegenstandslosigkeit abgeschrieben.
2.- Es werden keine Kosten erhoben.
3.- Der Kanton Thurgau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.
4.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und der Anklagekammer des Kantons Thurgau, Präsident, sowie dem Bundesamt für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 29. Januar 2001
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Die Gerichtsschreiberin: