BGer U 55/1999 |
BGer U 55/1999 vom 11.07.2001 |
[AZA 7]
|
U 55/99 Vr
|
III. Kammer
|
Bundesrichter Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter
|
Ursprung; Gerichtsschreiberin Keel Baumann
|
Urteil vom 11. Juli 2001
|
in Sachen
|
1. A.________, 1944,
|
2. B.________, 1976,
|
3. C.________, 1979, vertreten durch ihre Mutter
|
A.________,
|
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Eric Blindenbacher,
|
Laupenstrasse 19, 3001 Bern,
|
gegen
|
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse
|
1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin,
|
und
|
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern
|
A.- Der 1945 geborene D.________ arbeitete als leitender
|
Angestellter bei der E.________ AG und war in dieser
|
Eigenschaft bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
|
(SUVA) gegen Unfälle versichert.
|
Wegen psychischer Probleme befand er sich ab 1. September
|
1994 bei Dr. med. J.________, Psychiatrie und
|
Psychotherapie FMH, in Behandlung, wobei dieser die Diagnose
|
einer neurotischen Depression bei einer anankastischen
|
Persönlichkeit stellte. Vom 10. Dezember 1995 bis 6. Januar
|
1996 hielt sich D.________ wegen einer Erschöpfungsdepression
|
in der Psychosomatischen Abteilung der Klinik für
|
medizinische Rehabilitation auf. Nach seiner Entlassung
|
konnte er die Arbeit bei der E.________ AG wieder zu 50 %
|
aufnehmen.
|
Am 2. Februar 1996 wurde D.________ von seiner Ehefrau,
|
A.________, frühmorgens tot in der Waschküche des
|
Wohnhauses gefunden; er hatte sich mit seiner Armeepistole
|
erschossen. Auf dem Schreibtisch im Büro hinterliess er
|
eine kurze Abschiedsnotiz. Bereits wenige Tage zuvor
|
(30. Januar 1996) hatte die Ehefrau in seinem Büro einen
|
Abschiedsbrief entdeckt, welchen sie, nachdem sie die
|
Angelegenheit in der Familie besprochen hatten, gemeinsam
|
verbrannten, worauf sich D.________ deutlich besser zu
|
fühlen schien.
|
Die SUVA holte bei Dr. med. J.________ einen Bericht
|
vom 19. Februar 1996 ein, zu welchem Dr. med. I.________,
|
Psychiatrie und Psychotherapie FMH, Ärzteteam Unfallmedizin
|
der SUVA, am 14. Mai 1996 Stellung nahm. Mit Verfügung vom
|
29. Mai 1996 lehnte sie die Zusprechung von Versicherungsleistungen
|
mit Ausnahme der Bestattungskosten ab mit der
|
Begründung, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass
|
D.________ im Zeitpunkt des Suizides vollständig urteilsunfähig
|
gewesen sei. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid
|
vom 27. Februar 1997 fest.
|
B.- A.________ und die Kinder B.________ (geb. 1976)
|
und C.________ (geb. 1979) liessen Beschwerde führen mit
|
dem Rechtsbegehren, die Sache sei an die Verwaltung zurückzuweisen
|
zur Ergänzung des Sachverhaltes und Festsetzung
|
der Leistungen. Eventualiter sei die Verfügung vom 29. Mai
|
1996 aufzuheben und die SUVA zu verpflichten, die gesetzlichen
|
Leistungen zu erbringen.
|
Im Verlaufe des Verfahrens einigten sich die Parteien
|
auf die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens bei PD
|
Dr. med. M.________, Oberarzt an der Psychiatrischen
|
Poliklinik des Spitals X.________, welches dieser am
|
28. Oktober 1997 erstattete. Die SUVA unterbreitete das
|
Gutachten mit verschiedenen Fragen Prof. Dr. med.
|
Y.________, alt Direktor der Psychiatrischen Poliklinik im
|
Spital Z.________, welcher am 12. Februar 1998 Stellung
|
nahm. Hierauf hob das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
|
die bis zum Vorliegen des Gutachtens verfügte Verfahrenssistierung
|
auf, forderte die SUVA auf, eine Beschwerdeantwort
|
einzureichen, und ordnete anschliessend einen zweiten
|
Schriftenwechsel an. Mit Entscheid vom 8. Januar 1999 wies
|
es die Beschwerde ab.
|
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lassen
|
A.________ sowie B.________ und C.________ beantragen, der
|
angefochtene Entscheid sowie der Einspracheentscheid seien
|
aufzuheben und die SUVA sei zu verpflichten, die gesetzlichen
|
Leistungen zu erbringen.
|
Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
|
schliesst, lässt sich das Bundesamt für
|
Sozialversicherung nicht vernehmen.
|
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
|
1.- a) Die Zusprechung von Leistungen der obligatorischen
|
Unfallversicherung setzt grundsätzlich das Vorliegen
|
eines Berufsunfalls, Nichtberufsunfalls oder einer Berufskrankheit
|
voraus (Art. 6 UVG). Als Unfall gilt die plötzliche,
|
nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen
|
äusseren Faktors auf den menschlichen Körper
|
(Art. 9 Abs. 1 UVV). Hat der Versicherte den Gesundheitsschaden
|
oder den Tod absichtlich herbeigeführt, so besteht
|
gemäss Art. 37 Abs. 1 UVG mit Ausnahme der Bestattungskosten
|
kein Anspruch auf Versicherungsleistungen. Indessen
|
findet Art. 37 Abs. 1 UVG keine Anwendung, wenn der Versicherte
|
zur Zeit der Tat ohne Verschulden gänzlich unfähig
|
war, vernunftgemäss zu handeln (Art. 48 UVV).
|
b) Nach der Rechtsprechung muss der Leistungsansprecher,
|
da er das Vorliegen eines Unfalles zu beweisen hat,
|
auch die Unfreiwilligkeit der Schädigung und - bei Suizid -
|
die Urteilsunfähigkeit nach Art. 16 ZGB zur Zeit der Tat
|
nachweisen (RKUV 1996 Nr. U 247 S. 171 Erw. 2a, 1988
|
Nr. U 55 S. 362 Erw. 1b; nicht veröffentlichtes Urteil I.
|
vom 24. September 1999, U 54/99, Erw. 4a/bb). Den Parteien
|
obliegt jedoch in dem von der Untersuchungsmaxime beherrschten
|
Sozialversicherungsprozess keine subjektive
|
Beweislast im Sinne von Art. 8 ZGB. Eine Beweislast besteht
|
im Sozialversicherungsprozess nur in dem Sinne, dass im
|
Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener
|
Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt
|
Rechte ableiten wollte. Diese Beweisregel greift
|
allerdings erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist,
|
im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes aufgrund einer Beweiswürdigung
|
einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest
|
die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu
|
entsprechen (BGE 117 V 264 Erw. 3b mit Hinweisen).
|
Weil die Frage der Urteilsfähigkeit aufgrund von inneren
|
Tatsachen (innerseelische Abläufe) zur Zeit einer bestimmten
|
Handlung zu beurteilen (BGE 113 V 63 unten) und
|
ein strikter Beweis nach der Natur der Sache ausgeschlossen
|
ist, dürfen an den Nachweis der Urteilsunfähigkeit keine
|
strengen Anforderungen gestellt werden. Der Beweis der Urteilsunfähigkeit
|
gilt als geleistet, wenn eine durch übermächtige
|
Triebe gesteuerte Suizidhandlung als wahrscheinlicher
|
erscheint als ein noch in erheblichem Mass vernunftgemässes
|
und willentliches Handeln (RKUV 1996 Nr. U 267
|
S. 311 Erw. 2c; nicht veröffentlichtes Urteil H. vom 1. Juli
|
1993, U 136/92, Erw. 6b, welches - wie in RKUV 1996
|
Nr. U 267 S. 311 Erw. 2d ausdrücklich festgehalten wird -
|
an der bisherigen Rechtsprechung nichts geändert hat).
|
c) Aufgabe des medizinischen Experten ist es, den
|
Geisteszustand des Untersuchten möglichst genau zu beschreiben
|
und aufzuzeigen, ob und in welchem Masse sein
|
geistiges Vermögen bei der fraglichen Handlung versagt hat.
|
Welche rechtlichen Schlüsse aus dem Ergebnis der medizinischen
|
Begutachtung zu ziehen sind, entscheidet der Richter
|
(BGE 98 Ia 325 Erw. 3 mit Hinweisen; Bucher, Berner Kommentar,
|
N 151 zu Art. 16 ZGB; vgl. auch BGE 114 V 314 Erw. 3c
|
und 112 V 32; nicht veröffentlichtes Urteil H. vom 1. Juli
|
1993, U 136/92, Erw. 6b).
|
Im Rahmen der Würdigung der medizinischen Unterlagen
|
weicht der Richter bei Gerichtsgutachten nicht ohne zwingende
|
Gründe von der Einschätzung des medizinischen Experten
|
ab, dessen Aufgabe es ist, seine Fachkenntnisse der Gerichtsbarkeit
|
zur Verfügung zu stellen, um einen bestimmten
|
Sachverhalt medizinisch zu erfassen. Ein Grund zum Abweichen
|
kann vorliegen, wenn die Gerichtsexpertise widersprüchlich
|
ist oder wenn ein vom Gericht eingeholtes Obergutachten
|
in überzeugender Weise zu andern Schlussfolgerungen
|
gelangt. Eine abweichende Beurteilung kann ferner
|
gerechtfertigt sein, wenn gegensätzliche Meinungsäusserungen
|
anderer Fachexperten dem Richter als triftig genug
|
erscheinen, die Schlüssigkeit des Gerichtsgutachtens in
|
Frage zu stellen, sei es, dass er die Überprüfung durch
|
einen Oberexperten für angezeigt hält, sei es, dass er ohne
|
Oberexpertise vom Ergebnis des Gerichtsgutachtens abweichende
|
Schlussfolgerungen zieht (BGE 125 V 352 Erw. 3b/aa;
|
RKUV 2000 Nr. U 377 S. 185 Erw. 4a).
|
2.- a) Der behandelnde Psychiater Dr. med. J.________
|
führte in seinem Bericht vom 19. Februar 1996 aus, dass
|
sich bei D.________ der typisch wechselhafte Verlauf einer
|
neurotischen Depression gezeigt habe. Er habe vor allem
|
unter Schlafstörungen gelitten, die dann jeweils massive
|
Ängste ausgelöst hätten, den täglichen Anforderungen nicht
|
mehr zu genügen. Nach einem wegen Verschlechterung seines
|
Zustandes erforderlich gewordenen vierwöchigen Aufenthalt
|
in der Rehabilitationsklinik (Diagnose: Erschöpfungsdepression)
|
habe sich D.________ allerdings wieder gut
|
zurecht gefunden. Mit einem Suizid habe er nicht gerechnet;
|
die Handlung müsse aus einem plötzlich einschiessenden,
|
unkontrollierbaren Impuls heraus erfolgt sein.
|
b) Nach Auffassung des Dr. med. I.________ vom Ärzteteam
|
Unfallmedizin der SUVA handle es sich bei letzterer
|
Aussage des Dr. med. J.________ um einen bloss spekulativen
|
Rückschluss aus der Tat allein, dessen Richtigkeit sich
|
durch nichts belegen lasse. Einzig aus dem Umstand, dass
|
eine Handlung im Affekt ausgeführt werde, dürfe nicht geschlossen
|
werden, das Motiv oder der Impuls, der dazu führte,
|
müsse unkontrollierbar gewesen sein. Aufgrund der Akten
|
liessen sich keine äusseren so genannt vernünftigen Tatmotive
|
ausmachen, d.h. Beweggründe, die dem durchschnittlich
|
besonnenen Laien einfühlend verstehbar machen könnten,
|
dass ein Mitmensch sich aus ihnen heraus zur Selbsttötung
|
entschliessen könnte, wie z.B. finanzielle Überschuldung.
|
Andere, im eigentlichen Sinne psychotische Symptome wie
|
Wahn, Halluzinationen, Raptus, seien ebenfalls nicht nachweisbar.
|
Höchst unwahrscheinlich scheine anhand der Akten
|
ferner eine Explosivreaktion im Sinne einer eigentlichen
|
Geisteskrankheit bzw. schweren Störung des Bewusstseins.
|
D.________ habe bereits Tage vor dem Suizid einen ersten
|
und unmittelbar vor der Tat einen zweiten Abschiedsbrief
|
verfasst; die ihn belastenden Probleme seien ihm seit
|
längerem bekannt gewesen. Von einem blitzartigen Durchbruch
|
in eine Handlung ohne jegliche innerpsychische Verarbeitung
|
könne deshalb nicht die Rede sein (Stellungnahme vom
|
14. Mai 1996).
|
c) PD Dr. med. M.________ geht in seinem Gutachten vom
|
28. Oktober 1997 davon aus, dass D.________ wenige Tage,
|
nachdem er in einer akuten depressiven Krise den ersten Abschiedsbrief
|
geschrieben habe, erneut in einen angstbetonten
|
Krisenzustand geraten sei. Im daraufhin verfassten Abschiedsbrief
|
komme zum Ausdruck, dass die Unterstützung,
|
die er durch seine Familie erfahren habe, nicht genügend
|
habe helfen können, und dass er sich als Versager gefühlt
|
habe. Er habe keine Zweifel daran, dass D.________ zu
|
diesem Zeitpunkt noch in der Lage gewesen sei, die Situation
|
bzw. die Zukunft realistisch abzuschätzen. Er habe offenbar
|
nur noch den Suizid als Ausweg gesehen. Aus der Literatur
|
sei bekannt, dass ein Zusammenhang bestehe zwischen
|
Panikstörungen und suizidalen Handlungen. In einer Angstkrise
|
sei der Mensch nicht mehr in der Lage, seine Situation
|
realistisch einzuschätzen. Es müsse angenommen werden,
|
dass D.________ zur Zeit der Tat gänzlich unfähig gewesen
|
sei, vernunftgemäss zu handeln. Grund dafür sei nicht allein
|
die - in der Symptomatik zwischen schwer und leicht
|
wechselnde - depressive Erkrankung, sondern eine akute Verschlechterung
|
des Zustandes im Sinne einer Angstkrise. Es
|
liege keine Geisteskrankheit im Sinne einer Psychose, sondern
|
ein Raptus vor, d.h. ein plötzlich einschiessender Erregungszustand,
|
der als Geisteskrankheit im Rechtssinne zu
|
gelten habe.
|
d) In seiner Stellungnahme vom 12. Februar 1998 führte
|
Prof. Dr. med. Y.________ aus, was an Informationen effektiv
|
vorhanden sei, spreche dagegen, dass D.________ in
|
einem depressiven Raptus - in der Psychiatrie allgemein als
|
ein blind triebhafter Erregungszustand auf dem Boden einer
|
schweren Depression verstanden - Suizid begangen habe.
|
D.________ habe sich am Todestag anscheinend leise aus
|
seinem Bett erhoben, sodass seine Frau nicht erwacht sei,
|
sich in sein Büro begeben, die Abschiedsnotiz geschrieben,
|
die Pistole geholt und geladen. Dieser überlegte Handlungsablauf
|
widerspreche vollständig dem in der Psychiatrie üblichen
|
Begriff des Raptus, d.h. einem blind triebhaften,
|
als psychotisch zu bezeichnenden Verhalten. Zwar sei richtig,
|
dass Depressionen oft mit einer Angstsymptomatik verbunden
|
seien. Für die vorliegende Beurteilung sei jedoch
|
nicht wichtig, ob überhaupt Angst im Zeitpunkt des Suizids
|
erlebt worden sei, sondern ob diese Angst ein psychotisches
|
Ausmass gehabt habe. Dies könne nur angenommen werden, wenn
|
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein psychopathologischer
|
Zustand nachgewiesen sei, was nur der Fall wäre, wenn
|
Sinnestäuschungen, Wahn, depressiver Stupor, raptusartige
|
Erregung oder eine schwere Störung des Bewusstseins den
|
Suizidenten beherrscht hätten. Dafür gäbe es vorliegend
|
keine Hinweise. D.________ sei am Morgen des 2. Februar
|
1996 zwar depressiv und hoffnungslos gewesen, doch spreche
|
nichts dafür, dass er blind triebhaft und in panischer
|
Angst gehandelt habe. Aus psychiatrischer Sicht könne deshalb
|
nicht der Schluss gezogen werden, es habe vollständige
|
Urteilsunfähigkeit bestanden. Die Annahme des Raptus sei
|
völlig unbelegt; die subjektive Meinung des PD Dr. med.
|
M.________ basiere nicht auf den vorhandenen psychiatrischen
|
Fakten, sondern auf einem Vorurteil, der dem Aussenstehenden
|
unerklärliche Suizid müsse in einem psychischen
|
Ausnahmezustand erfolgt sein.
|
3.- a) Die Vorinstanz gelangte zum Ergebnis, dass die
|
Aktenlage mit Prof. Dr. med. Y.________ einzig den Schluss
|
zulasse, D.________ sei am Todestag zwar depressiv und
|
hoffnungslos gewesen, habe aber weder blind noch triebhaft
|
noch in panischer Angst gehandelt, was bedeute, dass bei
|
ihm im Tatzeitpunkt ein Minimum an Besinnungsfähigkeit zur
|
kritischen, bewussten Steuerung der innerseelischen Vorgänge
|
vorhanden gewesen sei. Demgegenüber spekuliere PD Dr.
|
med. M.________ über mögliche innerseelische Vorgänge;
|
namentlich führe er nicht aus, worauf sich die Annahme
|
stütze, dass D.________ sich im Zeitpunkt der Tat in einem
|
akuten psychischen Ausnahmezustand befunden habe, welcher
|
einem akuten Angstzustand auf dem Boden der depressiven
|
Entwicklung bzw. einem Raptus entspreche. Eine akute Angstkrise
|
als Tatauslöser sei jedenfalls aktenmässig anhand der
|
Vorgeschichte nicht belegt; abgesehen davon erachte PD Dr.
|
med. M.________ selbst - ebenso wie Dr. med. J.________ -
|
eine psychotische Episode nicht als erwiesen. Belegt sei
|
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nur, dass D.________
|
von grossen Ängsten geplagt worden sei, doch lasse sich
|
daraus nicht auf eine jegliche Urteilsfähigkeit ausschliessende
|
Angstkrise im Tatzeitpunkt schliessen.
|
Ein weiteres Indiz für diese Annahme bilde der zweite
|
Abschiedsbrief, welcher unmittelbar vor der Tathandlung
|
verfasst und weder vom Formalen noch vom Inhalt her auf einen
|
psychotischen Zustand hinweisend, einen klaren Entschluss
|
aufgrund einer rational ohne weiteres nachvollziehbaren
|
Feststellung manifestiere, die gegen eine panikartige
|
Kurzschlussreaktion spreche; im Gegenteil, sie weise auf
|
eine überlegte, in den Suizid mündende Handlung hin.
|
D.________ habe mehrmals Suizidgedanken geäussert; er sei
|
sich offensichtlich bewusst gewesen, dass er seinen nachweislich
|
hohen Ansprüchen nicht mehr genügte und habe daraus
|
die Konsequenzen gezogen. Dabei habe er geradezu auf
|
der Tathandlung bestanden: wohl habe er sich einmal davon
|
abhalten lassen; den zweiten Anlauf habe er jedoch so eingerichtet,
|
dass er unfehlbar sein Ziel erreichte. Dies
|
spreche klarerweise für ein auf ein bestimmtes Ziel gerichtetes
|
Handeln, von welchem er letztlich offensichtlich
|
nicht abzubringen gewesen sei. Dass er den Suizid vernunftgemäss
|
gewollt habe, sei jedenfalls wahrscheinlicher als
|
die Annahme, die Tat beruhe auf einem durch übermächtige
|
Triebe gesteuerten Vorgang.
|
b) Der im angefochtenen Entscheid vertretenen Auffassung
|
ist beizupflichten. Gestützt auf die von den Ärzten
|
beschriebenen psychopathologischen Zusammenhänge ist mit
|
der Vorinstanz (und der SUVA) davon auszugehen, dass ein
|
psychischer Ausnahmezustand im Sinne eines Raptus, auf welchen
|
PD Dr. med. M.________ und Dr. med. J.________ letztlich
|
aus der Unsinnigkeit und Unerklärbarkeit der Tat
|
schliessen, nicht die erforderliche Wahrscheinlichkeit für
|
sich hat. Insofern sind die kritischen Bemerkungen des
|
Prof. Dr. med. Y.________ vom 12. Februar 1998, namentlich
|
seine Ausführungen zum Gutachten des PD Dr. med. M.________
|
vom 28. Oktober 1997, überzeugend. Soweit der von Prof. Dr.
|
med. Y.________ (nur) als "anscheinend" geschilderte Geschehensablauf
|
am fraglichen Morgen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
|
als willkürlich bemängelt wird, ist darauf
|
hinzuweisen, das dieser seine Grundlage in den wesentlichen
|
Punkten (abgesehen vom Laden der Pistole) in den
|
Schilderungen der Ehefrau des Verstorbenen hat.
|
Nach der Rechtsprechung schliesst planmässiges und
|
vernünftiges Handeln in den letzten Tagen und unmittelbar
|
vor dem Suizid völlige Urteilsunfähigkeit im Zeitpunkt der
|
Tat nicht aus (RKUV 1996 Nr. U 267 S. 311 Erw. 2d; nicht
|
veröffentlichtes Urteil H. vom 1. Juli 1993, U 136/92,
|
Erw. 5b). Im vorliegenden Fall sind aus der Zeit vor dem
|
Suizid in verschiedener Hinsicht vernünftige und planmässige
|
Handlungen ersichtlich. Dabei fällt auf, dass D.________
|
schon ca. einen Monat vor dem Tod von Suizid gesprochen hat
|
(im Gutachten des PD Dr. med. M.________ vom 28. Oktober
|
1997 wiedergegebene, von der Witwe diesem Arzt gegenüber
|
gemachte Aussage); einige Tage zuvor hat er sodann einen
|
ersten Abschiedsbrief geschrieben. Aus diesen Indizien
|
schliesst die Vorinstanz, entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
|
vertretenen Auffassung, zu Recht auf eine
|
überlegte, eine panikartige Kurzschlusshandlung ausschliessende
|
und in den Suizid mündende Handlung, um aus
|
dem beruflichen und dem vermeintlichen finanziellen Dilemma
|
herauszukommen. Dass sie dabei vom bei PD Dr. med.
|
M.________ eingeholten Gutachten, auf dessen Einholung sich
|
die Parteien im vorinstanzlichen Verfahren geeinigt haben,
|
abgewichen ist, ist nicht zu beanstanden. Zwar hat die Einschätzung
|
des PD Dr. med. M.________, auch wenn sie nicht
|
als förmliches Gerichtsgutachten erstattet worden ist, erhöhte
|
Beweiskraft. Vorliegend rechtfertigte es sich aber,
|
von seiner Expertise abzuweichen, weil deren Schlüssigkeit
|
nach dem Gesagten durch die ihr widersprechende und überzeugende
|
Stellungnahme des Prof. Dr. med. Y.________ in
|
Frage gestellt wurde (vgl. Erw. 1c hievor).
|
c) Ist demnach bei D.________, wie SUVA und Vorinstanz
|
zutreffend erkannt haben, ein noch in erheblichem Masse
|
vernunftgemässes und willentliches Handeln wahrscheinlicher
|
als Handeln im Zustand voller Urteilsunfähigkeit, muss ein
|
Unfall verneint werden.
|
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
|
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
|
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
|
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht
|
des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche
|
Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung
|
zugestellt.
|
Luzern, 11. Juli 2001
|
Im Namen des
|
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
|
Der Präsident der III. Kammer:
|
Die Gerichtsschreiberin:
|