BGer 6S.317/2001 |
BGer 6S.317/2001 vom 22.01.2002 |
[AZA 0/2]
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6S.317/2001/kra
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KASSATIONSHOF
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22. Januar 2002
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Es wirken mit: Bundesrichter Schubarth, Präsident des
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Kassationshofes, Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger,
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Kolly, Karlen und Gerichtsschreiberin Schild Trappe.
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In Sachen
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S.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Christian Flückiger, Spitalgasse 9, Postfach 6164, Bern,
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gegen
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Generalprokurator des Kantons Bern,
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betreffend
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Widerruf des bedingten Strafvollzugs,
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hat sich ergeben:
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A.- Das Kreisgericht X Thun verurteilte S.________ am 20. März 1997 wegen Urkundenfälschung, Erschleichens einer Falschbeurkundung, leichtsinnigen Konkurses, ungetreuer Geschäftsführung, unwahrer Angaben über eine Handelsgesellschaft und Unterlassung der Buchführung zu 10 Monaten Gefängnis, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs mit einer Probezeit von 3Jahren.
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B.- S.________ beging in der Probezeit weitere Delikte. Dabei handelte es sich ausschliesslich um Übertretungen, konkret um Widerhandlungen gegen das SVG (SR 741. 01). Im ersten aufgrund mehrerer SVG-Verurteilungen durchgeführten Widerrufsverfahren wurde der ihm gewährte bedingte Strafvollzug mit Urteil vom 18. September 1998 nicht widerrufen. S.________ wurde jedoch verwarnt, und die Probezeit wurde um 1 Jahr verlängert. Nach zwei weiteren Verurteilungen wegen Strassenverkehrsdelikten wurde ein zweites Widerrufsverfahren gegen S.________ durchgeführt. Mit Urteil vom 21. Mai 1999 wurde der am 20. März 1997 gewährte bedingte Strafvollzug nicht widerrufen, S.________ wurde jedoch nachdrücklich verwarnt und die Probezeit nochmals um ein halbes Jahr auf insgesamt 4 1/2 Jahre verlängert. Auch im durch zahlreiche weitere Strassenverkehrsdelikte notwendig gewordenen dritten Widerrufsverfahren gegen S.________ wurde der ihm gewährte bedingte Strafvollzug mit Urteil vom 31. März 2000 nicht widerrufen. S.________ wurde jedoch wiederum verwarnt.
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Aufgrund weiterer Verurteilungen wegen Strassenverkehrsdelikten wurde schliesslich ein viertes Widerrufsverfahren gegen S.________ durchgeführt. Mit Urteil des Kreisgerichts X Thun vom 1. Dezember 2000 wurde der ihm mit Urteil vom 20. März 1997 gewährte bedingte Strafvollzug widerrufen.
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Auf Appellation von S.________ hin bestätigte das Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, am 23. März 2001 in Anwendung von Art. 41 Ziff. 3 StGB den Widerruf des S.________ mit Urteil des Kreisgerichts X Thun vom 20. März 1997 für eine Gefängnisstrafe von 10 Monaten gewährten bedingten Strafvollzugs.
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C.- S.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 23. März 2001 sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er stellt zudem ein Gesuch um aufschiebende Wirkung gemäss Art. 272 Abs. 7 BStP.
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D.- Das Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, verzichtet auf Gegenbemerkungen. Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.- Begeht der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen, handelt er trotz förmlicher Mahnung des Richters einer ihm erteilten Weisung zuwider, entzieht er sich beharrlich der Schutzaufsicht oder täuscht er in anderer Weise das auf ihn gesetzte Vertrauen, so lässt der Richter die Strafe vollziehen (Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB). Wenn begründete Aussicht auf Bewährung besteht, kann der Richter in leichten Fällen stattdessen, je nach den Umständen, den Verurteilten verwarnen, zusätzliche Massnahmen nach Art. 41 Ziff. 2 StGB anordnen und die im Urteil bestimmte Probezeit um höchstens die Hälfte verlängern (Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB).
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Nachdem der Beschwerdeführer während seiner (zweimalig verlängerten) Probezeit ausschliesslich Übertretungen begangen hat, widerruft die Vorinstanz den bedingten Strafvollzug in Anwendung der in Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB enthaltenen Generalklausel der Vertrauenstäuschung (angefochtenes Urteil S. 6 f. und 15).
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2.- a) Der Beschwerdeführer führt eingangs allgemein zu der von der Vorinstanz zur Anwendung gebrachten Generalklausel aus, diese sollte nur mit äusserster Zurückhaltung angewandt werden, zudem nur wenn die neue Verhaltensweise in einem sachlich engen Bezug zu demjenigen Deliktsbereich stehe, für welchen dem Angeschuldigten der bedingte Strafvollzug gewährt worden sei, und wenn es sich nicht um Bagatellstrafsachen handle. Heute werde einhellig die früher vertretene Auffassung abgelehnt, der Verurteilte müsse sich in sämtlichen Lebensbereichen wohl verhalten und bewähren (Nichtigkeitsbeschwerde S. 4).
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b) Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Vorinstanz habe den Widerruf des bedingten Strafvollzugs zu Unrecht auf eine ungünstige Prognose gestützt. Die Prognose spiele keine Rolle bei der Frage, ob die Generalklausel von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB zur Anwendung komme. Die Vorinstanz gehe in Abweichung von den von ihr eigens aufgestellten Grundsätzen davon aus, der Verurteilte müsse sich in sämtlichen Lebensgebieten als rechtstreuer Bürger erweisen und sich in der Probezeit allgemein bewähren (Nichtigkeitsbeschwerde S. 5). Zudem fänden sich entgegen den Ausführungen der Vorinstanz in den Akten keine Hinweise darauf, dass er den ihm einst gewährten bedingten Strafvollzug als unwiderruflich betrachte und sich das Recht herausnehme, fortwährend SVG-Delikte zu begehen.
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Vielmehr habe er sich seit mehr als einem Jahr nichts mehr zu Schulden kommen lassen, insbesondere auch keine SVG-Delikte, und mittlerweile sowohl die Nummernschilder als auch den Fahrzeugausweis (seines Wagens) abgegeben (Nichtigkeitsbeschwerde S. 5 f. und Brief des Beschwerdeführers vom 9. Mai 2001, Act. 5, in welchem das in der Nichtigkeitsbeschwerde irrtümlich verwendete Wort "Führerausweis" berichtigt wird).
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Nach seiner ersten Verurteilung habe er sich eine neue Existenz aufbauen müssen. In dieser Situation habe er Übertretungen wie Überschreiten der zulässigen Parkzeit und Missachten von Parkverboten in Kauf genommen. Die verhängten Bussen habe er nicht bezahlen können, weshalb dann Haftstrafen ausgesprochen worden seien, welche er durch gemeinnützige Arbeit verbüsst habe. Seine inzwischen eingetretene berufliche und finanzielle Erholung würde durch den Vollzug der zehnmonatigen Freiheitsstrafe gefährdet (Nichtigkeitsbeschwerde S. 6).
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c) Der Beschwerdeführer macht im Weiteren geltend, die Vorinstanz habe ohne weitere Begründung einen leichten Fall mit günstiger Prognose verneint. Gemäss Lehre und Rechtsprechung seien Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten als leicht im Sinne von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB anzusehen. Für die Beurteilung, ob ein leichter Fall vorliege, dürften nicht alle Haftstrafen zusammengezählt werden, sondern es sei zu berücksichtigen, dass er im Einzelfall zu höchstens 13 Tagen Haft verurteilt worden sei. Wende man davon ausgehend analog die Bestimmung über die Konkurrenz an (Art. 68 Ziff. 1 Abs. 1 StGB), komme man lediglich auf 20 Tage Haft (13 Tage plus 6 1/2 Tage). Damit sei die Grenze von drei Monaten bei weitem nicht erreicht. Der seiner Ansicht nach günstigen Prognose - und zwar auch bezüglich seines Verhaltens im Strassenverkehr - komme die entscheidende Bedeutung zu.
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Von einem Widerruf des bedingten Strafvollzugs wäre deshalb selbst dann abzusehen, wenn die Generalklausel zur Anwendung käme (Nichtigkeitsbeschwerde S. 6f.).
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3.- Der Beschwerdeführer übersieht, dass die Vorinstanz in ihrem Urteil hinsichtlich des Anwendungsbereiches der Generalklausel der Täuschung richterlichen Vertrauens in Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB einleitend nicht ihre eigene Meinung, sondern die Rechtsprechung der 2. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern wiedergibt (angefochtenes Urteil S. 11 - 14). Gemäss dieser Praxis ist der bedingte Vollzug nur zu widerrufen, wenn die neue Verhaltensweise in einem sachlich engen Bezug mit der strafbaren Handlung steht, für welche dem Verurteilten der bedingte Vollzug gewährt worden ist, so dass sie auch einen Hinweis dafür abgibt, er werde sich in Bezug auf diesen Deliktsbereich nicht bewähren (vgl. angefochtenes Urteil S. 13 f.).
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Die Vorinstanz führt anschliessend aus, bei uneingeschränkter Anwendung dieser Rechtsprechung käme vorliegend mangels sachlich engem Bezug zwischen den Probezeit- bzw. Anlassdelikten und den neuerlichen Delikten ein Widerruf des bedingten Strafvollzugs nie in Frage. Aufgrund der "besonderen Krassheit" des zu beurteilenden Falles und des Umstandes, dass der Beschwerdeführer "im Bereich der SVG-Übertretungen ein unbelehrbarer Wiederholungstäter in 22 Fällen mit entsprechend hochgradig ungünstiger Prognose" sei, relativiert die Vorinstanz die oben zitierte Rechtsprechung der 2. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern, d.h. sie verzichtet im vorliegenden Fall "ausnahmsweise" auf den sachlich engen Bezug zwischen den Anlassdelikten und den Rückfalldelikten und widerruft, nachdem sie das Vorliegen eines leichten Falles und die Möglichkeit von Ersatzmassnahmen ausgeschlossen hat, den dem Beschwerdeführer gewährten bedingten Strafvollzug (angefochtenes Urteil S. 14 f.).
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4.- a) Das Bundesgericht hat in BGE 124 IV 280 E. 3b festgehalten, ein bestimmtes Verhalten, das etwa wegen Fehlens eines Tatbestandsmerkmals, einer objektiven Strafbarkeitsbedingung oder einer Prozessvoraussetzung nicht strafbar sei, dürfe nicht kurzerhand als Täuschung des Vertrauens in anderer Weise im Sinne von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB zum Widerruf des bedingten Strafvollzugs führen. Ansonsten hatte das Bundesgericht seit mehr als zwei Jahrzehnten keine Gelegenheit mehr, sich zur Generalklausel der Vertrauenstäuschung zu äussern. Nach der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichts verlangt das Gesetz in Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB allgemein ein das Vertrauen des Richters enttäuschendes Verhalten als Grund zum Vollzug der Strafe und damit, dass der unter Bewährung stehende Verurteilte sich überhaupt keines Verhaltens schuldig mache, in dessen Voraussicht der Strafvollzug nicht aufgeschoben worden wäre, gleichgültig, ob es strafbar ist oder nicht, vorausgesetzt, dass sich der Verurteilte der Pflichtwidrigkeit seines Handelns auch ohne besondere Mahnung bewusst sein musste und dass seine Verfehlung von einer Schwäche zeugt, die er mit Rücksicht auf die Bewährungsprobe hätte meistern können und sollen (BGE 90 IV 177 S. 178; BGE 85 IV 121; 77 IV 1 S. 3 mit Verweisungen).
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Eine Täuschung des Vertrauens kann dementsprechend erst recht vorliegen, wenn der Verurteilte eine Übertretung begangen hat (BGE 72 IV 145 S. 147 f.). In BGE 85 IV 121 S. 122 hat es das Bundesgericht ausdrücklich abgelehnt, eine Täuschung des richterlichen Vertrauens nur anzunehmen, wenn die Schwere des neues Fehltritts in Relation zu derjenigen der früheren Straftat steht, weil dieses Erfordernis auf eine ungerechtfertigte Privilegierung derjenigen Verurteilten hinauslaufen würde, die sich besonders schwer vergangen haben. Das Bundesgericht hat bislang insbesondere keinen sachlich engen Zusammenhang zwischen Anlasstat und Rückfalltat verlangt, jedoch in BGE 95 IV 1 S. 3 die Täuschung des Vertrauens beim dort vorliegenden sachlich engen Zusammenhang zwischen Anlasstat und Rückfalltat (beides waren Strassenverkehrsdelikte) als umso erheblicher bezeichnet.
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Diese ältere Rechtsprechung zur Vertrauenstäuschung hat sich auf die alte, bis am 30. Juni 1971 geltende Fassung von Art. 41 StGB bezogen, gemäss welcher nur die vorsätzliche Begehung eines Verbrechens oder Vergehens ein obligatorischer Widerrufsgrund war und von einem Widerruf nur in besonders leichten Fällen abgesehen werden konnte. Das Bundesgericht hat diese Praxis in Bezug auf die revidierte, nun seit 1. Juli 1971 geltende Fassung von Art. 41 StGB in einer unveröffentlichten Erwägung in BGE 103 IV 138 (vgl. a.a.O. E. 3) unter Verweisung auf BGE 90 IV 178 ohne weitere Prüfung bestätigt.
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b) Nachdem sich in den beiden letzten Jahrzehnten die Auffassungen zur Verhängung von (bedingten und unbedingten) Freiheitsstrafen stark verändert haben und heute insbesondere an der Generalklausel in Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB Kritik geübt wird (vgl. Schultz, Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts, 2. Bd., 4. Aufl.
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1982, S. 114; Stratenwerth, Strafrecht AT II, 1989, N. 118 ff., insbesondere N. 127 zu § 4 und Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kommentar, 2. Aufl. 1997, N. 52 zu Art. 41), besteht Anlass zu einer Überprüfung der oben zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung.
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Die in der Lehre geäusserte Kritik hat mittlerweile insbesondere dazu geführt, dass im Entwurf zur Änderung des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches die Generalklausel der Vertrauenstäuschung ersatzlos gestrichen wurde (vgl. die Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. September 1998, BBl 1999 S. 1979 ff., 2055 ff. sowie S. 2309 f. und 2331). Die nun verbleibenden Widerrufsgründe sollen nur symptomatische Bedeutung haben. Nicht etwa die Begehung einer neuen Straftat als solche soll aber der Widerrufsgrund sein, sondern allein der Rückschluss auf wesentlich geringere als die ursprünglich angenommenen Bewährungsaussichten könne einen Widerruf rechtfertigen. Der Täter bewährt sich gemäss diesem Entwurf nicht, wenn er während der Probezeit ein neues Verbrechen oder Vergehen begeht (Art. 46 Abs. 1 des Entwurfs zum StGB, Nichtbewährung) oder sich der Bewährungshilfe entzieht bzw. gegen Weisungen verstösst (Art. 46 Abs. 4 i.V.m. Art. 95 Abs. 3-5 des Entwurfs zum StGB).
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Begeht der Verurteilte in der Probezeit Übertretungen, so soll dies nur zum Widerruf führen, wenn dieses Verhalten damit zusammenhängt, dass der Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht oder Weisungen missachtet und zudem aufgrund dieses Verhaltens eine erhebliche Gefahr entstanden ist, dass er weitere Straftaten begeht (Art. 95 Abs. 5 des Entwurfs zum StGB; vgl. Botschaft S. 2056 f.
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und S. 2331). Der Entwurf verzichtet - anders als der Vorentwurf - darauf, grundsätzlich Gleichartigkeit von Rückfalltat und Anlasstat zu verlangen. Gemäss der Botschaft ist alleiniges Kriterium für den Widerruf die Prognose. Diese könne nie das gesamte zukünftige Verhalten des Täters zum Gegenstand haben, jedoch allenfalls eine Aussage darüber machen, wie der Täter in einer gleichen oder ähnlichen zukünftigen Zwangslage reagieren werde.
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Erneute Delinquenz deute demnach auf eine Wiederholungsgefahr bezüglich der ersten Straftat hin, wenn die beiden Taten als gleichermassen typische Reaktionen des Täters auf dasselbe Problem zu qualifizieren seien. Dazu sei nicht erforderlich, dass es sich um dieselbe Deliktsart handle (Botschaft S. 2057). Die Botschaft beruft sich hinsichtlich der Neuregelung der Nichtbewährung auch auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Auslegung von Art. 41 Ziff. 3 StGB (BGE 118 IV 330 und 117 IV 97) und stellt fest, diese nähere sich dem Revisionskonzept an (Botschaft S. 2056 oben und Fn. 184).
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c) Gemäss dem Entwurf zur Revision des Widerrufs des bedingten Strafvollzugs bzw. der Nichtbewährung (Art. 46 und Art. 95 Abs. 3-5 des Entwurfs zum StGB) wäre wie oben ausgeführt die Begehung von Übertretungen nicht mehr Grund genug für einen Widerruf, sondern die Übertretungen müssten damit im Zusammenhang stehen, dass der Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht oder Weisungen missachtet. Zudem müsste aufgrund des Verhaltens des Täters eine erhebliche Gefahr entstanden sein, dass er weitere Verbrechen oder Vergehen begeht, und sich die Bewährungsprognose während der Probezeit so sehr verschlechtert haben, dass nunmehr der Vollzug der Strafe als die voraussichtlich wirksamere Sanktion erschiene (vgl.
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Botschaft S. 2055 f. und 2131).
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Die Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches ist zwar noch nicht abgeschlossen, aber die Streichung des Widerrufsgrundes der Täuschung richterlichen Vertrauens sowie das Abstellen auf die Prognose waren in beiden Räten unbestritten (AB 1999 S S. 1104 ff., 1118, 1134; AB 2001 N S. 560 ff., 563, 589; AB 2001 S S. 507 ff., 513). Bei der Auslegung des geltenden Rechts kann auf laufende Revisionen Bezug genommen werden (vgl. BGE 110 II 293 E. 2a, e und f sowie E. 3a; 117 IV 276 E. 3c, d und e; 118 IV 52 E. 2c und d; 127 IV 97 E. 1b sowie BGE 128 IV 25). Es rechtfertigt sich, auf die Revisionsarbeiten insofern Bezug zu nehmen, als der in Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB noch enthaltene Widerrufsgrund der Täuschung richterlichen Vertrauens mit noch grösserer Zurückhaltung als bis anhin angewendet und dabei - wie in der Botschaft - darauf abgestellt wird, ob sich die Bewährungsprognose für den Verurteilten während der Probezeit so sehr verschlechtert hat, dass nunmehr der Vollzug der Strafe als die voraussichtlich wirksamere Sanktion erscheint. Dabei wird auch dem Kriterium der kriminalpolitischen Zweckmässigkeit (vgl. Stratenwerth, a.a.O., N. 106 zu § 4) Rechnung getragen (vgl. dazu BGE 118 IV 330 E. 3d betreffend Widerrufsgrund der Nichtbefolgung einer Weisung).
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d) Angesichts der insgesamt 22 Verurteilungen wegen SVG-Übertretungen kann man nicht sagen, der Beschwerdeführer habe sich in der (2-mal verlängerten) Probezeit allgemein bewährt. Es lässt sich auch nach den Erläuterungen des Beschwerdeführers hiezu (vgl. Nichtigkeitsbeschwerde S. 6) nicht nachvollziehen, warum dieser trotz 3-maliger Verwarnung und 2-maliger Verlängerung der Probezeit in notorischer Art und Weise weiter SVG-Übertretungen begangen hat. Der Beschwerdeführer wurde angesichts seiner wiederholten Verfehlungen im SVG-Bereich jeweilen zu Haftstrafen von bis zu 13 Tagen, insgesamt gar zu 100 Tagen Haft verurteilt.
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Die Vorinstanz stellt dem Beschwerdeführer gestützt darauf eine (hochgradig) ungünstige Prognose hinsichtlich der Begehung von weiteren SVG-Übertretungen (angefochtenes Urteil S. 14 oben) - dies obwohl sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Urteilsfällung seit mehr als einem Jahr nichts mehr hat zu Schulden kommen lassen und auch den Fahrzeugausweis und die Kontrollschilder seines Autos abgegeben hat. Die Vorinstanz trifft keine tatsächlichen Feststellungen dazu, ob die Gefahr besteht, dass der Beschwerdeführer künftig Verbrechen oder Vergehen begehen wird. Sie gelangt zum Schluss, es komme in einem solchen (Ausnahme-)Fall wie dem vorliegenden nicht darauf an, ob es Hinweise dafür gebe, dass sich der Verurteilte auch in demjenigen Deliktsbereich bewähren werde oder nicht, für welchen ihm der bedingte Strafvollzug gewährt worden ist (angefochtenes Urteil S. 15). Die Vorinstanz begründet den Widerruf des bedingten Strafvollzugs damit, Probezeit bedeute, dass sich der Verurteilte auf sämtlichen Lebensgebieten als rechtstreuer Bürger erweisen solle, weshalb massgebend sei, ob sich der Verurteilte in der Probezeit allgemein bewährt habe. Sie räumt dann ein, für die Bejahung eines Widerrufsgrundes genüge selbstverständlich nicht die Begehung einzelner oder weniger Übertretungen, die in keinem sachlich engen Bezug zur Anlasstat stünden und damit auch keinen Hinweis dafür abgäben, der Verurteilte werde sich in Bezug auf den Deliktsbereich nicht bewähren, für den ihm der bedingte Strafvollzug gewährt wurde (angefochtenes Urteil S. 14).
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Damit anerkennt sie prinzipiell die nachträgliche Veränderung der Prognose als Widerrufsgrund, erkennt hier jedoch aufgrund der besonderen Umstände auf einen Ausnahmefall.
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e) Das Bundesgericht hat bislang auch allgemein verwerfliches Verhalten, insbesondere die Begehung einzelner Übertretungen für einen Widerruf genügen lassen, vorausgesetzt, dass sich der Verurteilte der Pflichtwidrigkeit seines Handelns auch ohne besondere Mahnung bewusst sein musste und dass seine Verfehlung von einer Schwäche zeugt, die er mit Rücksicht auf die Bewährungsprobe hätte meistern können und sollen (BGE 90 IV 177 S. 178). Wer während seiner (verlängerten) Probezeit in derart notorischer Weise wie der Beschwerdeführer Übertretungen begeht, dem muss dieses Verhalten als Ausdruck einer Schwäche ausgelegt werden, die er mit Rücksicht auf die Bewährungsprobe hätte meistern können und sollen. Die Vorinstanz hat den Widerruf des bedingten Strafvollzuges im Sinne der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Vertrauenstäuschung ausgesprochen.
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Stellt man hingegen für den Widerruf neu auf die Prognose ab, gelangt man zu einem anderen Resultat. Aufgrund des von der Vorinstanz festgestellten Sachverhaltes lässt sich nicht sagen, dass die vom Beschwerdeführer begangenen Übertretungen als gleichermassen typische Reaktionen auf dasselbe Problem zu qualifizieren sind, so dass sie auf eine Wiederholungsgefahr bezüglich der Straftaten hindeuten, zu der der Beschwerdeführer am 20. März 1997 zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 10 Monaten verurteilt worden war. Es lässt sich auch nicht sagen, dass sich die Bewährungsprognose für den Beschwerdeführer so sehr verschlechtert hat, dass nunmehr der Vollzug der Strafe als die voraussichtlich wirksamere Sanktion erscheint. Dahingegen hat die Vorinstanz, wie der Beschwerdeführer zu Recht geltend macht (Nichtigkeitsbeschwerde S. 5 f.), bei der Prognose dem Umstand keine Rechnung getragen, dass die letzte dem Beschwerdeführer vorgeworfene Übertretung am 8. Februar 2000 begangen wurde und somit zum Zeitpunkt der Urteilsfällung durch die Vorinstanz bereits mehr als dreizehn Monate zurücklag. Ebensowenig hat sie berücksichtigt, dass der Entscheid in seinem dritten Widerrufsverfahren erst am 31. März 2000 ergangen ist und der Beschwerdeführer nach der dabei ausgesprochenen Verwarnung keine neuen Übertretungen begangen (vgl. die Aufstellung der Übertretungen im angefochtenen Urteil S. 5), diese Verwarnung also offenbar gewirkt hat.
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Die Vorinstanz hat auch zu Unrecht das Vorliegen eines leichten Falles gemäss Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB verneint. Leichte Fälle liegen nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich vor, wenn die Strafe drei Monate nicht übersteigt (BGE 117 IV 97 S. 101 f.).
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Dem Beschwerdeführer werden als Rückfalltaten ausschliesslich Übertretungen vorgeworfen. Die Höchststrafe für Übertretungen beträgt drei Monate (Art. 101 und 39 StGB), auch bei wiederholter Begehung (Art. 68 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Übertretungen sind somit grundsätzlich leichte Fälle.
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5.- Der angefochtene Entscheid verletzt danach Bundesrecht.
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Die Nichtigkeitsbeschwerde ist deshalb gutzuheissen, das Urteil des Obergerichtes des Kantons Bern,
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1. Strafkammer, vom 23. März 2001 aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Es werden keine Kosten erhoben. Dem Beschwerdeführer ist für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 278 Abs. 3 BStP).
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Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos geworden.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.- Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 23. März 2001 aufgehoben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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2.- Es werden keine Kosten erhoben.
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3.- Der Beschwerdeführer wird für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 2'000.-- entschädigt.
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4.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Generalprokurator sowie dem Obergericht, 1. Strafkammer, des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 22. Januar 2002
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Im Namen des Kassationshofes
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des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
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Der Präsident:
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Die Gerichtsschreiberin:
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