BGer 6A.12/2002
 
BGer 6A.12/2002 vom 25.03.2002
[AZA 0/2]
6A.12/2002/pai
KASSATIONSHOF
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25. März 2002
Es wirken mit: Bundesrichter Schubarth, Präsident des
Kassationshofes, Bundesrichter Schneider, Karlen und
Gerichtsschreiberin Schild Trappe.
In Sachen
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Alphonse Fivaz, Aarbergergasse 29, Postfach 6161, Bern,
gegen
Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeuglenkern,
betreffend
Anordnung einer Theorieprüfung, hat sich ergeben:
A.- X.________ (geb. 1924) arbeitet in der Stadt Bern als Taxichauffeuse. Am 5. Mai 2000 fuhr sie mit ihrem Taxi in eine neu erstellte Fussgängerschutzinsel. Am 9. September 1998 war sie zudem wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verwarnt worden. Auf Grund dieser beiden Vorfälle bot das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern X.________ zum Besuch eines Tages Verkehrsunterricht auf.
Sie besuchte den Unterricht am 21. März 2001. Beim Schlusstest stellte sich heraus, dass ihre Kenntnis der Verkehrsregeln ungenügend war. Das genannte Amt verfügte daher am 8. Juni 2001, dass X.________ eine theoretische Führerprüfung für Motorfahrzeuge ablegen müsse.
Eine gegen diese Anordnung erhobene Einsprache blieb ohne Erfolg. X.________ gelangte darauf an die Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern. Letztere wies ihre Beschwerde am 26. September 2001 ab.
B.- X.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor dem Bundesgericht und beantragt, der Entscheid der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern vom 26. September 2001 sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Eventuell sei neben der Aufhebung des angefochtenen Entscheids die Wiederholung des Verkehrsunterrichts anzuordnen.
Ausserdem ersucht X.________ um Gewährung der aufschiebenden Wirkung.
Die Rekurskommission hat sich in ihrer Vernehmlassung nur zum Gesuch um aufschiebende Wirkung geäussert.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Nach Art. 24 Abs. 2 SVG unterliegen letztinstanzliche kantonale Entscheide aus dem Bereich des Strassenverkehrsrechts der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, soweit Art. 99 lit. e und f, Art. 100 lit. l und Art. 101 OG keine Anwendung finden. Die Anordnung einer neuen theoretischen Führerprüfung fällt unter keine der zuletzt genannten Bestimmungen. Die übrigen Voraussetzungen zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind ebenfalls erfüllt. Auf das vorliegende Rechtsmittel ist daher einzutreten.
2.- Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihre Aufbietung zur theoretischen Führerprüfung verletze Art. 14 Abs. 3 SVG und Art. 41 Abs. 3 der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr vom 27. Oktober 1976 (VZV; SR 741. 51).
a) Art. 14 Abs. 3 SVG sieht vor, dass Fahrzeugführer, über deren Eignung Bedenken bestehen, einer neuen Prüfung zu unterwerfen sind. In Ausführung dieser gesetzlichen Regel bestimmt Art. 24 Abs. 1 VZV, dass eine neue Führerprüfung anzuordnen ist, wenn ein Fahrzeuglenker Widerhandlungen begangen hat, die an seiner Kenntnis der Verkehrsregeln, an ihrer Anwendung in der Praxis oder am fahrtechnischen Können zweifeln lassen. Ausserdem kann die Ablegung einer neuen Führerprüfung auch gestützt auf Art. 41 Abs. 3 VZV verlangt werden. Nach dieser Norm ist der kantonalen Behörde Meldung zu erstatten, wenn sich bei einer Person, die am Verkehrsunterricht zur Nachschulung teilnimmt, Zweifel an ihrer Eignung als Fahrzeugführer ergeben. Die Behörde hat in einem solchen Fall die nötigen Massnahmen zu treffen. Dabei kann sie unter anderem die Wiederholung des Kurses, Fahrunterricht oder eine neue Führerprüfung anordnen.
Die angefochtene Verfügung zum Ablegen einer neuen Führerprüfung stützt sich auf Art. 41 Abs. 3 VZV, und nicht auf Art. 24 Abs. 1 VZV. Es kann daher offen bleiben, ob bereits die Widerhandlungen, welche die Beschwerdeführerin begangen hat, Anlass zu Zweifeln an ihrer Kenntnis der Verkehrsregeln zu geben vermöchten und die umstrittene Massnahme auch auf Grund von Art. 24 Abs. 1 VZV hätte verfügt werden können. Dagegen sind die Voraussetzungen für die Anordnung einer Massnahme nach Art. 41 Abs. 3 VZV offenkundig erfüllt. Die Beschwerdeführerin hat beim Schlusstest im Verkehrsunterricht zur Nachschulung einen grossen Teil der Fragen falsch beantwortet, woraus sich Zweifel an ihrer Eignung als Fahrzeuglenkerin ergeben. Sie stellt dies selber denn auch nicht in Frage, macht aber geltend, das kantonale Amt hätte nicht die einschneidendste der in Art. 41 Abs. 3 VZV vorgesehenen Massnahmen anordnen dürfen, da zur Eignungsprüfung auch weniger weit gehende Vorkehrungen - beispielsweise eine Wiederholung des Kurses zur Nachschulung - ausreichten.
b) Der kantonalen Behörde kommt bei der Anordnung der geeigneten Massnahme nach Art. 41 Abs. 3 VZV ein grosses Ermessen zu. Sie hat dabei die gesamten Umstände, die Rückschlüsse über die Eignung zum Führen eines Motorfahrzeugs erlauben, zu berücksichtigen. Dazu zählen namentlich der automobilistische Leumund, die Fahrleistung und die Dauer des Besitzes des Führerausweises (BGE 118 Ib 518 E. 2b S. 521; 116 Ib 155 E. 2b S. 157 f.).
Im angefochtenen Entscheid wird besonderes Gewicht darauf gelegt, dass der Schlusstest der Beschwerdeführerin sehr schlecht ausgefallen ist. So habe sie von 24 Fragen nur 6 völlig korrekt beantwortet und von insgesamt 68 möglichen Antworten 34 falsche abgegeben. Werde noch berücksichtigt, dass der Test nach einer Auffrischung der Verkehrsregeln im Kurs stattgefunden habe, so müsse von recht gravierenden Wissenslücken der Beschwerdeführerin ausgegangen werden.
Ferner erscheine die Anordnung einer Theorieprüfung auch deshalb angezeigt, weil die Beschwerdeführerin gewerbsmässig Personentransporte ausführe und die Abklärung ihrer Eignung als Fahrzeuglenkerin auch im Blick auf die Kunden von Bedeutung sei.
Diese Gründe rechtfertigen die Anordnung einer theoretischen Prüfung ohne weiteres. Nachdem die Beschwerdeführerin beim besuchten Verkehrsunterricht keinen ausreichenden Lernfortschritt erzielt und beim Schlusstest sehr schlecht abgeschnitten hat, erscheint die Anordnung einer Wiederholung des Kurses wenig zweckmässig und ist eine umfassende Prüfung ihrer theoretischen Kenntnisse geboten.
Nicht ausschlaggebend ist, dass der heute 77-jährigen Beschwerdeführerin das Ablegen einer theoretischen Führerprüfung mehr Mühe bereitet als jüngeren Personen. Die Rekurskommission hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es der Beschwerdeführerin unbenommen ist, sich bei einem Fahrlehrer auf die Theorieprüfung eingehend vorzubereiten. Andere Umstände, die trotz des klaren Befunds beim Schlusstest einen Verzicht auf die Anordnung einer Theorieprüfung nahe legen könnten, sind nicht ersichtlich und werden von der Beschwerdeführerin auch nicht geltend gemacht.
c) Der angefochtene Entscheid verstösst aus diesen Gründen nicht gegen Bundesrecht. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demzufolge abzuweisen.
3.- Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern sowie dem Strassenverkehrsamt des Kantons Bern und dem Bundesamt für Strassen für Strassen schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 25. März 2002
Im Namen des Kassationshofes
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Die Gerichtsschreiberin: