BGer 7B.82/2002 |
BGer 7B.82/2002 vom 23.07.2002 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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7B.82/2002 /min
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Urteil vom 23. Juli 2002
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Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
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Bundesrichterin Nordmann, Präsidentin,
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Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
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Gerichtsschreiber Schett.
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X.________,
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Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Rudolf Keiser, Postfach 3066, 6002 Luzern,
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gegen
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Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons Luzern als obere kantonale Aufsichtsbehörde, Hirschengraben 16, Postfach, 6002 Luzern.
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Nachretention,
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Beschwerde SchKG gegen den Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons Luzern als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde vom 15. April 2002.
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Sachverhalt:
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A.
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X.________ war Mieter der Liegenschaften Strasse Y.________ 7 und 9 in W.________. Mit Urkunde vom 27. September 2001 wurde sein Geschäftsmobiliar retiniert. Am 18. Oktober führte das Betreibungsamt W.________ eine Nachretention durch und nahm im Retentionsverzeichnis den PW Mercedes Benz E 320 Cabrio auf.
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B.
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Mit Eingabe vom 6. Februar 2002 und Beschwerdeergänzung vom 11. Februar 2002 verlangte X.________ die Aufhebung der Nachretention. Mit Entscheid vom 27. Februar 2002 trat der Amtsgerichtspräsident III von Luzern-Land als untere Aufsichtsbehörde auf die wegen Fehlens eines Nichtigkeitsgrundes verspätet eingereichte Beschwerde nicht ein. X.________ gelangte an das Obergericht des Kantons Luzern (Schuldbetreibungs- und Konkurskommission) als obere Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, welche mit Entscheid vom 15. April 2002 die Beschwerde abwies.
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C.
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X.________ hat den Entscheid der oberen Aufsichtsbehörde mit Beschwerdeschrift vom 2. Mai 2002 (rechtzeitig) an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen. Er beantragt festzustellen, dass die Retention des Mercedes Benz Typ E 320 Cabriolet im Sinne von Art. 22 SchKG nichtig sei, und es sei das retinierte Fahrzeug aus der Retention zu entlassen. Eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die Einvernahme des Betreibungsbeamten P.________ und der Leasingnehmerin S.________ durchführe. Sodann ersucht er um Gewährung der aufschiebenden Wirkung.
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Die Kammer zieht in Erwägung:
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1.
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1.1 Die obere Aufsichtsbehörde hält fest, aus der Retentionsurkunde vom 29. Oktober 2001 gehe hervor, dass am 18. Oktober 2001 im Beisein des Beschwerdeführers eine Nachretention stattgefunden habe. Ins Retentionsverzeichnis sei ein "PW Mercedes Benz E 320 cabrio, Farbe silber met., Verdeck Stoff schwarz, KM-Stand 82'000, 1. Inverkehrssetzung 01.1997, Fahrzeug-Nr. KA ZS 51 (Deutschland)" aufgenommen worden. Weiter sei darin ein Drittanspruch zu Gunsten von S.________ bzw. zu Gunsten der Mercedes Benz Leasinggesellschaft aufgeführt. Das Betreibungsamt W.________ habe dazu ausgeführt, dieser Personenwagen sei im fraglichen Zeitpunkt in der rechten von zwei nebeneinander liegenden Garagen eingestellt gewesen. Die Vorinstanz fährt fort, unter diesen Umständen stehe für sie fest, dass das fragliche Fahrzeug im Zeitpunkt der Nachretention am 18. Oktober 2001 in den Mieträumlichkeiten abgestellt gewesen sei. Das Fahrzeug hätte in der Retentionsurkunde wohl kaum dermassen genau beschrieben werden können, wenn es vom Vollzugsbeamten nicht in Augenschein genommen worden wäre. Die vom Beschwerdeführer nun erstmals vorgebrachte Behauptung, das Fahrzeug habe sich nicht auf dem Grundstück befunden, sei deshalb unglaubwürdig. Nähere Abklärungen beim Vollzugsbeamten würden sich deshalb erübrigen.
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1.2 Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, das retinierte Fahrzeug habe sich weder am 11. September bzw. 18. September und auch nicht am 18. Oktober 2001 auf dem Grundstück befunden, weshalb die Retention nichtig sei. Diese Tage seien Werktage gewesen, und da Frau S.________ in Karlsruhe arbeite, könnte sich der Mercedes allenfalls übers Wochenende in W.________ befunden haben. Sodann stimmten die Kilometerzahl und das Datum der Inverkehrssetzung nicht. Ferner sei die Erklärung betreffend den bei der Nachretention parkierten Mercedes nicht vom Vollzugsbeamten, sondern von dessen Stellvertreter abgegeben worden.
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Mit diesen Einwänden beruft sich der Beschwerdeführer auf Tatsachen, die aus dem angefochtenen Entscheid nicht hervorgehen oder den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen widersprechen. Diese tatsächlichen Behauptungen gelten somit als neu und im vorliegenden Verfahren als unzulässig (Art. 63 Abs. 2 i.V.m. Art. 81 OG; BGE 119 III 54 E. 2b S. 55, mit Hinweisen), zumal der Beschwerdeführer nicht geltend macht, er habe zum Vorbringen dieser Einwände im kantonalen Verfahren keine Gelegenheit gehabt (Art. 79 Abs. 1 OG). Auf die Beschwerde kann insoweit nicht eingetreten werden. Das Gleiche gilt auch für die Rüge, die Vorinstanz habe das rechtliche Gehör verletzt, da sie den Antrag auf Einvernahme des Vollzugsbeamten abgelehnt habe, weil das Begehren nicht innert der Beschwerdefrist erfolgt sei. Es kann offen gelassen werden, ob das Obergericht eine Gehörsverweigerung begangen oder willkürlich auf die Verspätung der Eingabe geschlossen hat, denn Verfassungsverletzungen können nur im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde geltend gemacht werden (Art. 43 Abs. 1 i.V.m. Art. 81 OG; BGE 120 III 60 E. 1). Auch auf die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang gerügte Missachtung von Art. 8 ZGB durch die Vorinstanz kann nicht eingetreten werden, denn es wird nicht dargelegt, dass der Beweisantrag nach Form und Inhalt den Vorschriften des kantonalen Rechts entsprochen hat (BGE 126 III 315 E. 4a, mit Hinweisen; Geiser/Münch, Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Aufl., S. 141 Rz 4.58 und S. 143 Rz 4.62).
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2.
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2.1 Das Obergericht hat unter Hinweis auf das Urteil des Amtsgerichts Luzern-Land erwogen, Streitigkeiten über das Eigentum an retinierten Gegenständen und über den Bestand des Retentionsrechts an Gegenständen, die nicht dem Mieter gehörten, fielen in die Zuständigkeit des Zivilrichters und seien im Widerspruchsverfahren auszutragen. Anders sei es einzig, wenn das Eigentum des Dritten oder der Nichtbestand des Retentionsrechts von vornherein als unbestreitbar erschiene. Diesfalls könne das Beschwerdeverfahren zur Anwendung kommen (Entscheid des Amtsgerichts, E. 6 S. 4 mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung). Da der Beschwerdeführer anlässlich des Retentionsvollzuges am 18. Oktober 2001 den von ihm mündlich vorgetragenen Drittanspruch am retinierten Fahrzeug durch nichts belegt habe, sei es folgerichtig, wenn die Vorinstanz unter diesen Umständen festgehalten habe, das Dritteigentum sei im Retentionszeitpunkt nicht von vornherein als offensichtlich und unbestreitbar erschienen. Die Retention sei demzufolge nicht nichtig, sondern im Rahmen des Prosequierungsverfahrens anfechtbar bzw. zu überprüfen.
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Der Beschwerdeführer setzt sich mit diesen Erwägungen nicht ansatzweise im Sinne von Art. 79 Abs. 1 OG auseinander. Da er sich jedoch auf Nichtigkeit nach Art. 22 SchKG beruft und diese Bestimmung vorschreibt, Nichtigkeit sei von Amtes wegen festzustellen, ist zu überprüfen, ob die Aufnahme des Mercedes ins Retentionsverzeichnis nichtig ist. Soweit sich der Beschwerdeführer auf den von ihm dem Bundesgericht eingereichten Leasingvertrag stützen will, ist er nicht zu hören, denn neue Tatsachen können nicht vorgebracht werden (E. 1.2 hiervor).
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2.2 Nach Art. 22 Abs. 1 SchKG sind nur Verfügungen, die gegen Vorschriften verstossen, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse von am Verfahren nicht beteiligten Personen erlassen worden sind, nichtig.
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Art. 268 Abs. 1 OR verleiht dem Vermieter von Geschäftsräumen für einen verfallenen Jahreszins und den laufenden Halbjahreszins ein Retentionsrecht an den beweglichen Sachen, die sich in den vermieteten Räumen befinden und zu deren Einrichtung oder Benutzung gehören. Art. 283 SchKG gibt dem Vermieter die Möglichkeit, zur einstweiligen Wahrung seines Retentionsrechts die Hilfe des Betreibungsamtes in Anspruch zu nehmen, auch wenn er noch keine Betreibung gegen den Mieter eingeleitet hat. Der Betreibungsbeamte nimmt dann ein Verzeichnis der dem Retentionsrecht unterliegenden Gegenstände auf und setzt dem Gläubiger Frist zur Anhebung der Betreibung auf Pfandverwertung an (Abs. 3). Ist Gefahr im Verzuge, so kann die Hilfe der Polizei oder der Gemeindebehörde nachgesucht werden (Abs. 2). Diese beiden genannten Gesetzesartikel, die allenfalls verletzt sein könnten, wenn Gegenstände, die Dritten gehören, ins Retentionsverzeichnis aufgenommen werden, sind eindeutig im Interesse des Vermieters und nicht im öffentlichen Interesse oder im Interesse von am Verfahren beteiligten Personen aufgestellt worden. Sie haben zum Zweck, dem Vermieter Pfänder für geschuldete Mietzinsen zu sichern. Eine Verfügung des Betreibungsamtes, die diese Vorschriften verletzt, ist demnach nicht nichtig, sondern anfechtbar. Es liegt somit kein Nichtigkeitsgrund vor. Im Übrigen ist - wie die Vorinstanz zu Recht ausführt - der Streit über das Eigentum am retinierten Mercedes vom Zivilrichter zu entscheiden.
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3.
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Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
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Demnach erkennt die Kammer:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Beschwerdegegnerin (Einfache Gesellschaft G.________, bestehend aus L.________ und M.________, diese vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ruedi Portmann, Zürichstrasse 9, Postfach, 6000 Luzern 6), dem Betreibungsamt W.________ und der Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons Luzern als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 23. Juli 2002
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Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
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