BGer C 22/2001 |
BGer C 22/2001 vom 03.02.2003 |
Eidgenössisches Versicherungsgericht
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Tribunale federale delle assicurazioni
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Tribunal federal d'assicuranzas
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Sozialversicherungsabteilung
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des Bundesgerichts
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Prozess
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{T 7}
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C 22/01
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Urteil vom 3. Februar 2003
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IV. Kammer
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Besetzung
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Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiberin Berger Götz
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Parteien
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A.________, 1942, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Benedikt Landolt, Rosenbergstrasse 22, 9000 St. Gallen,
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gegen
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Amt für Arbeit, Unterstrasse 22, 9001 St. Gallen, Beschwerdegegner
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Vorinstanz
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Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen
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(Entscheid vom 6. Dezember 2000)
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Sachverhalt:
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A.
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Der 1942 geborene A.________ war ab 1964 als Werkzeugschärfer in der Firma S.________ AG angestellt. Seit Ende Mai 1994 konnte er diese Tätigkeit (abgesehen von diversen Arbeitsversuchen) krankheitshalber nicht mehr ausüben. Die Arbeitgeberin löste das Arbeitsverhältnis per 31. Mai 1996 auf.
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Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen sprach A.________ mit Verfügung vom 29. Juli 1997 rückwirkend ab 1. Mai 1995 eine halbe Invalidenrente, entsprechend einem Invaliditätsgrad von 50 %, zu.
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Am 8. August 1997 meldete sich A.________ per 1. September 1997 zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung an. Mit Verfügung vom 1. Mai 1998 verneinte das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit St. Gallen (KIGA, seit 1. Juli 1999 und nachstehend Amt für Arbeit) die Vermittlungsfähigkeit für die Zeit ab 1. November 1998 (recte: 1997).
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B.
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Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen ab, nachdem das Amt für Arbeit erklärt hatte, es sehe im Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. Oktober 1999, mit welchem auf Beschwerde hin das Bestehen des Anspruchs auf eine halbe Rente der Invalidenversicherung (Invaliditätsgrad: 61 %) bestätigt worden war, keinen Wiedererwägungs- oder Revisionsgrund (Entscheid vom 6. Dezember 2000).
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C.
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A.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass er "ab 1. November 1997 zu wenigstens 50 % vermittlungsfähig sei".
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Das Amt für Arbeit und das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf eine Vernehmlassung.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Das kantonale Gericht hat die für die Vermittlungsfähigkeit im Allgemeinen (Art. 8 Abs. 1 lit. f und Art. 15 Abs. 1 AVIG) und bezüglich Behinderter (vgl. zu diesem Begriff ARV 1999 Nr. 19 S. 106 Erw. 2) im Besonderen massgebenden Bestimmungen und Grundsätze (Art. 15 Abs. 2 AVIG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 3 AVIV; vgl. Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], S. 91 Rz 228) sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung (BGE 125 V 58 Erw. 6a, 123 V 216 Erw. 3, je mit Hinweis) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Die Beurteilung der Vermittlungsfähigkeit hat - wie im vorinstanzlichen Entscheid ebenfalls richtig ausgeführt wird - prospektiv, d.h. von jenem Zeitpunkt aus und unter Würdigung der für die Anstellungschancen im Einzelfall wesentlichen, objektiven und subjektiven Faktoren zu erfolgen, wie sie bei Erlass der angefochtenen Verfügung bestanden hatten (BGE 120 V 387 Erw. 2; ARV 2002 S. 112 Erw. 2a).
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2.
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Streitig und zu prüfen ist die Vermittlungsfähigkeit des Beschwerdeführers ab 1. November 1997. Dabei ist anzumerken, dass der Begriff der Vermittlungsfähigkeit als eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung - entgegen dem in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestellten Antrag auf Feststellung einer mindestens 50 %igen Vermittlungsfähigkeit - nach der Rechtsprechung keine graduellen Abstufungen zulässt: Entweder ist die versicherte Person vermittlungsfähig, insbesondere bereit, eine zumutbare Arbeit (im Umfang von mindestens 20 % eines Normalarbeitspensums) anzunehmen, oder nicht (BGE 125 V 58 Erw. 6a).
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2.1 Der Versicherte hat im Antragsformular zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung vom 8. August 1997 angeführt, er sei bereit und in der Lage, Teilzeit, höchstens zu 50 % einer Vollzeitbeschäftigung, zu arbeiten. Mit Wirkung ab 1. Mai 1995 bezieht er eine halbe Rente der Invalidenversicherung, basierend auf einem Invaliditätsgrad von 61 % (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. Oktober 1999). Wie der Bescheinigung der ehemaligen Arbeitgeberin vom 22. August 1997 zu entnehmen ist, konnte der Beschwerdeführer seit Ende Mai 1994 (gemäss Behauptung des Versicherten im vorinstanzlichen Gerichtsverfahren mit einem Unterbruch gegen Ende 1994, als er seine Erwerbstätigkeit während sechs Wochen zu 50 % und danach zu 75 % wieder aufgenommen habe, bis der behandelnde Psychiater ab Frühjahr 1995 wieder eine 100 %ige Arbeitsunfähigkeit attestiert habe) krankheitsbedingt seiner Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen. Dr. med. M.________, Spezialarzt FMH für Innere Medizin, gab im ärztlichen Zeugnis vom 6. September 1997 zuhanden des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums an, wegen Krankheit bestehe weiterhin eine 100 %ige Arbeitsunfähigkeit. Auf den Formularen "Nachweis der persönlichen Arbeitsbemühungen" wurde für die einzelnen Monate jeweils vermerkt, infolge 100 %iger Arbeitsunfähigkeit seien keine Arbeitsbemühungen getätigt worden. Mit Schreiben vom 5. Januar 1998 teilte der Versicherte zudem mit, dass er nach seiner Erfahrung und gemäss Arztzeugnis nicht arbeiten könne, unter den gegebenen Umständen jedoch eine Vorleistungspflicht der Arbeitslosenkasse bestehe.
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2.2 Bei dieser Sachlage gelangten Verwaltung und Vorinstanz zu Recht zum Schluss, es fehle angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers offensichtlich bereits an dessen Vermittlungsbereitschaft. Zu weiteren medizinischen Abklärungen, insbesondere zu einer vertrauensärztlichen Untersuchung auf Kosten der Arbeitslosenversicherung im Sinne von Art. 15 Abs. 3 AVIG, bestand entgegen der Auffassung des Versicherten kein Anlass. Auch wenn rückblickend auf Grund der für die Abklärung des Anspruchs auf eine Invalidenrente eingeholten ärztlichen Stellungnahmen von einer (Rest-)Arbeitsfähigkeit auszugehen ist und sich das Arztzeugnis des Dr. med. M.________ vom 6. September 1997 insofern als unrichtig erweist, ist dem kantonalen Gericht darin beizupflichten, dass bei der geforderten prospektiven Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen die Bereitschaft des Beschwerdeführers, eine zumutbare Arbeitsstelle anzutreten, im Zeitpunkt des Verfügungserlasses (1. Mai 1998) nicht vorhanden war. Auch die übrigen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwendungen führen zu keinem anderen Ergebnis. Soweit darin die bereits im vorinstanzlichen Verfahren entkräfteten Rügen wiederholt werden, kann auf die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Gerichtsentscheid verwiesen werden. Schliesslich ist bezüglich des Einwandes, es könne dem Versicherten nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren Antrag auf eine ganze Rente gestellt habe, darauf hinzuweisen, dass eine versicherte Person, die sich bis zum Entscheid der Invalidenversicherung als nicht arbeitsfähig erachtet und weder eine Arbeit sucht noch eine zumutbare Arbeit annimmt, nicht vermittlungsfähig ist (ARV 1996/97 Nr. 34 S. 191). Im vorliegenden Fall wurde dem Versicherten die Vermittlungsfähigkeit denn auch nicht abgesprochen, weil er eine ganze Rente der Invalidenversicherung verlangte, sondern weil er sich nicht vorstellen konnte, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und demzufolge überhaupt keine Arbeitsbemühungen getätigt hat.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Arbeitslosenkasse SMUV, Bern, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
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Luzern, 3. Februar 2003
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Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
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Die Präsidentin der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
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