BGer I 848/2002 |
BGer I 848/2002 vom 18.08.2003 |
Eidgenössisches Versicherungsgericht
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Tribunale federale delle assicurazioni
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Tribunal federal d'assicuranzas
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Sozialversicherungsabteilung
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des Bundesgerichts
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Prozess
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{T 7}
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I 848/02
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Urteil vom 18. August 2003
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III. Kammer
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Besetzung
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Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiberin Bucher
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Parteien
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B.________, 1961, Beschwerdeführerin,
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gegen
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IV-Stelle für Versicherte im Ausland, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf, Beschwerdegegnerin
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Vorinstanz
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Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, Lausanne
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(Entscheid vom 22. Oktober 2002)
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Sachverhalt:
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A.
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Mit Verfügungen vom 8. November 1999 sprach die IV-Stelle für Versicherte im Ausland der 1961 geborenen, in Frankreich wohnhaften, in der Schweiz als Verkäuferin tätigen französischen Staatsangehörigen B.________ mit Wirkung ab 1. Oktober 1997 bei einem Invaliditätsgrad von 50 % eine halbe Rente der Invalidenversicherung zu. Am 4. Mai 2000 teilte die IV-Stelle Basel-Stadt der Versicherten im Rahmen eines von Amtes wegen durchgeführten Revisionsverfahrens mit, die Überprüfung des Invaliditätsgrades habe keine rentenbeeinflussende Änderung ergeben, sodass weiterhin Anspruch auf eine Rente aufgrund des bisherigen Invaliditätsgrades bestehe.
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Mit Schreiben vom 2. Juni 2000 ersuchte die Arbeitgeberin die Invalidenversicherung, den Fall insbesondere im Hinblick auf eine Berufsberatung und allenfalls eine Umschulung wieder aufzunehmen. Mit Verfügung vom 31. Januar 2001 sprach die IV-Stelle für Versicherte im Ausland B.________ für die Zeit vom 23. Januar bis 31. März 2001 eine berufliche Massnahme in Form einer Arbeitserprobung zu, wobei die Rente gemäss Mitteilung der Schweizerischen Ausgleichskasse vom 13. Februar 2001 während der Dauer der beruflichen Massnahme weiterhin ausgerichtet wurde, weil das Taggeld tiefer gewesen wäre. Mit Verfügung vom 27. Juni 2001 eröffnete die IV-Stelle für Versicherte im Ausland B.________, es bestehe weiterhin ein Anspruch auf eine Rente aufgrund des bisherigen Invaliditätsgrades von 50 %.
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B.
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Die Versicherte reichte gegen die Verfügung vom 27. Juni 2001 Beschwerde ein. In ihrer vom 23. Juli 2001 datierenden Beschwerdeschrift erklärte sie, sie beanspruche keine höhere Rente, sondern entsprechend der Anmeldung vom 2. Juni 2000 eine Berufsberatung und allenfalls eine Umschulung, die es ihr erlaube, ihre Restarbeitsfähigkeit zu verwerten. In einer Eingabe vom 28. Januar 2002 hielt die Versicherte am Rechtsmittel fest. Mit Entscheid vom 22. Oktober 2002 wies die Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen die Beschwerde ab, soweit sie darauf eintrat.
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C.
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B.________ führt hiegegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde in französischer Sprache geschrieben. Da indessen der angefochtene Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission in Übereinstimmung mit der bei dieser eingereichten Beschwerde deutsch abgefasst ist und die Versicherte keine Urteilseröffnung in französischer Sprache verlangt, wird auch das letztinstanzliche Urteil in deutscher Sprache ausgefertigt (Art. 37 Abs. 3 OG).
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2.
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Die Vorinstanz hat gemäss Wortlaut von Dispositiv-Ziffer 1 ihres Entscheides die Beschwerde "abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann". Aus der Begründung des Entscheids geht eindeutig hervor, dass hinsichtlich der beruflichen Massnahmen auf die Beschwerde nicht eingetreten wurde. Hingegen ist davon auszugehen, dass die Eidgenössische Rekurskommission die Eintretensfrage im Rentenpunkt offen gelassen hat. Sie hielt nämlich zunächst fest, in Anbetracht der Erklärung der Versicherten, sie wolle keine höhere Rente, erscheine diesbezüglich das Nichteintreten auf die Eingabe geboten; anschliessend erwog sie, die Beschwerde sei materiell unbegründet, wenn man dennoch gestützt auf das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 28. Januar 2002, wonach sie keiner Arbeit mehr nachgehen könne, einen Anfechtungswillen im Sinne der Geltendmachung eines Anspruchs auf eine ganze Rente bejahe und diesbezüglich auf die Beschwerde eintrete.
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Die Versicherte erklärt in ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde allgemein, ohne zwischen beruflichen Massnahmen und Rentenpunkt zu unterscheiden, sie sei mit dem vorinstanzlichen Entscheid nicht einverstanden. Ihre Ausführungen lassen sich sowohl auf die beruflichen Massnahmen als auch auf die Rentenfrage beziehen.
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3.
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3.1 Die Eidgenössische Rekurskommission trat bezüglich der beruflichen Eingliederungsmassnahmen auf die Beschwerde nicht ein, weil in der streitigen Revisionsverfügung nicht über die Frage einer Berufsberatung oder Umschulung entschieden worden sei. Infolgedessen äusserte sie sich nicht zur materiellen Begründetheit des entsprechenden Antrages.
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3.2 Entgegen der offenbaren Auffassung der Vorinstanz kann aus der fehlenden Äusserung der Verwaltung zu einer bestimmten Frage im Text einer Verfügung nicht zwingend geschlossen werden, dass es diesbezüglich an einem Anfechtungsgegenstand fehlt. Zu diesem gehören nicht nur diejenigen Rechtsverhältnisse, über welche die Verwaltung in der Verfügung tatsächlich eine Anordnung getroffen hat. Vielmehr bilden auch jene Rechtsverhältnisse Teil des beschwerdeweise anfechtbaren Verfügungsgegenstandes, hinsichtlich deren es die Verwaltung zu Unrecht - in Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes sowie des Prinzips der Rechtsanwendung von Amtes wegen - unterlassen hat, verfügungsweise zu befinden, obwohl dazu nach der Aktenlage oder den Parteivorbringen hinreichender Anlass bestanden hätte (Urteile S. vom 20. Juni 2003, I 285/02, Erw. 3.1, D. vom 27. Mai 2003, I 66/03, Erw. 4.1, S. vom 14. April 2003, I 704/01, Erw. 4.1, V. vom 20. August 2002, I 347/00, G. vom 17. Mai 2002, I 535/01, Erw. 1b und 2b).
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3.3 Wie es sich damit im vorliegenden Fall verhält, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht indessen nur zu entscheiden, wenn hinsichtlich der beruflichen Massnahmen eine rechtsgenügliche Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorliegt. Dies setzt unter anderem eine sachbezogene Begründung voraus; mangels einer solchen kann insoweit auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten werden (Art. 108 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 132 OG; BGE 123 V 336 Erw. 1a). Bei Anfechtung vorinstanzlicher Nichteintretensentscheide stellt die Auseinandersetzung lediglich mit der materiellen Seite des Falles keine sachbezogene Begründung dar (BGE 123 V 335).
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Die Beschwerdeführerin setzt sich in ihrer Eingabe an das Eidgenössische Versicherungsgericht ausschliesslich mit ihrem Gesundheitszustand und ihrer Arbeitsfähigkeit, mithin einzig mit der materiellen Seite des Falles auseinander. Ihre Rechtsschrift enthält keinerlei Ausführungen zur prozessualen Frage, ob die Vorinstanz hinsichtlich der beruflichen Massnahmen zu Recht nicht auf die Beschwerde eintrat. Es fehlt somit in Bezug auf die beruflichen Massnahmen an einer sachbezogenen Begründung und damit an einer zum Eintreten erforderlichen rechtsgenüglichen Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat daher über die Rechtmässigkeit des vorinstanzlichen Nichteintretens, soweit es die beruflichen Massnahmen betrifft, nicht zu befinden.
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4.
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Es bleibt zu prüfen, ob auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Rentenpunkt einzutreten ist.
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4.1 Die Versicherte erklärte in ihrer vorinstanzlichen Beschwerdeschrift vom 23. Juli 2001 ausdrücklich, sie beanspruche keine höhere Rente. Auch der Beschwerdebegründung liess sich in Anbetracht dieser Aussage kein sinngemässer Antrag auf eine ganze anstelle einer halben Rente entnehmen, so wenig wie der Eingabe vom 28. Januar 2002, deutet doch die dortige Aussage der Versicherten, sie dürfe weder ständig sitzen noch zu viel stehen und wisse nicht, welchen Beruf sie noch ausüben könne, auf eine Berufsberatung hin. In Anbetracht der unmissverständlichen Erklärung vom 23. Juli 2001 durfte die Rekurskommission mangels eines hinreichend klaren, wenigstens sinngemässen Antrags auf eine höhere Rente in der Eingabe vom 28. Januar 2002 nicht von einer Anfechtung der Verwaltungsverfügung im Rentenpunkt ausgehen. Dabei kann offen gelassen werden, ob ein erst in der letztgenannten Eingabe gestellter Antrag auf eine höhere Rente überhaupt zu berücksichtigen wäre.
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Bei prozessual richtiger Betrachtungsweise gehörte somit im vorinstanzlichen Verfahren die Rentenfrage zwar - da Objekt der Verwaltungsverfügung - zum Anfechtungs- nicht aber - da unangefochten geblieben - zum Streitgegenstand (BGE 125 V 414 Erw. 1b).
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4.2 In der Verwaltungsverfügung festgelegte - somit Teil des Anfechtungsgegenstandes bildende -, aber aufgrund der Beschwerdebegehren nicht mehr streitige - somit nicht zum Streitgegenstand zählende - Fragen prüft das Gericht nur, wenn die nicht beanstandeten Punkte in engem Sachzusammenhang mit dem Streitgegenstand stehen (BGE 125 V 415 Erw. 1b mit Hinweisen).
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Inwieweit in der vorliegenden Konstellation, in der die Versicherte im vorinstanzlichen Verfahren nur berufliche Massnahmen verlangte, der erforderliche enge Sachzusammenhang zur Rentenfrage gegeben sein sollte, ist nicht ersichtlich. Die Situation ist in Anbetracht dessen, dass die Gewährung einer Rente die Zusprechung beruflicher Massnahmen nicht ausschliesst (BGE 122 V 79 Erw. 3b/bb), anders gelagert als dort, wo umgekehrt nur die Rentenfrage streitig, wegen des Grundsatzes "Eingliederung vor Rente" aber vorab über die Eingliederungsmassnahmen zu entscheiden und das Verfahren aus diesem Grunde auszudehnen wäre (vgl. dazu die Urteile D. vom 27. Mai 2003, I 66/03, Erw. 4, S. vom 14. April 2003, I 704/01, Erw. 4, M. vom 27. August 2002, I 21/02, und J. vom 7. November 2001, I 135/01). Die Voraussetzungen für einen Einbezug der Rentenfrage in das vorinstanzliche Verfahren waren daher nicht erfüllt.
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4.3 Da die Rentenfrage somit weder Streitgegenstand bildete (Erw. 4.1) noch das Verfahren darauf ausgedehnt werden konnte (Erw. 4.2), der Entscheid der Verwaltung über die Rente somit in Rechtskraft erwachsen war (nicht veröffentlichtes Urteil K. vom 30. Mai 1996, U 223/95 [zum Einspracheverfahren]), fehlte es im vorinstanzlichen Verfahren diesbezüglich an einer Sachurteilsvoraussetzung. Die Rekurskommission durfte daher im Rentenpunkt nicht materiell entscheiden (oder offen lassen, ob materiell zu entscheiden sei). Folglich hat das vorinstanzliche Dispositiv diesbezüglich nicht auf Abweisung zu lauten, was von Amtes wegen zu korrigieren ist (BGE 128 V 89 Erw. 2a). Dass gerichtlich nicht materiell über die Rentenfrage entschieden ist, spielt eine Rolle für eine allfällige spätere Wiedererwägung, die nur insoweit zulässig ist, als eine Verfügung nicht Gegenstand materieller richterlicher Beurteilung gebildet hat (BGE 127 V 469 Erw. 2c).
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4.4 Nach dem Gesagten fehlt es im Rentenpunkt im letztinstanzlichen Verfahren an einem anfechtbaren Entscheid (AHI 2001 S. 279 Erw. 1b). Aus diesem Grunde ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch hinsichtlich der Rente unzulässig (vgl. zum Nichteintreten bei Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides wegen Fehlens einer Sachurteilsvoraussetzung BGE 119 V 14 Erw. 3, 112 V 361 Erw. 5; Urteil S. vom 18. Dezember 2001, H 257/00).
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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1.
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Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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2.
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Der Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen vom 22. Oktober 2002 wird dahin abgeändert, dass auf die Beschwerde nicht einzutreten ist.
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3.
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Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien, der Beschwerdeführerin auf dem Ediktalweg, der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, der Schweizerischen Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
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Luzern, 18. August 2003
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Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
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Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
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