BGer 1P.649/2003 |
BGer 1P.649/2003 vom 15.01.2004 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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1P.649/2003 /sta
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Beschluss vom 15. Januar 2004
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I. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
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Bundesgerichtsvizepräsident Nay,
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Bundesrichter Fonjallaz,
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Gerichtsschreiber Härri.
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Parteien
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X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Hermann Näf,
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gegen
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Verhörrichterin I des Kantons Uri, Schützengasse 5, 6460 Altdorf UR,
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Landgerichtspräsidium Uri, Rathausplatz 2, 6460 Altdorf UR.
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Gegenstand
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Haftverlängerung,
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Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Landgerichtspräsidiums Uri vom 16. Oktober 2003.
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Sachverhalt:
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A.
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X.________ wurde am 19. September 2003 in Untersuchungshaft versetzt. Es wird ihm vorgeworfen, zusammen mit weiteren Personen zahlreiche Einbruchdiebstähle begangen zu haben.
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Mit Entscheid vom 16. Oktober 2003 bewilligte das Landgerichtspräsidium Uri die Verlängerung der Untersuchungshaft so lange, als Anlass dazu besteht, längstens jedoch bis zum 30. November 2003.
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B.
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Mit Eingabe vom 29. Oktober 2003 erhob X.________ staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, den Entscheid des Landgerichtspräsidiums aufzuheben; er sei sofort aus der Untersuchungshaft zu entlassen.
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C.
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Am 7. November 2003 wurde X.________ aus der Haft entlassen.
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D.
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Die Verhörrichterin hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, auf die Beschwerde sei infolge Gegenstandslosigkeit nicht einzutreten; sollte auf die Beschwerde eingetreten werden, sei sie abzuweisen.
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Das Landgerichtspräsidium hat ebenfalls eine Vernehmlassung eingereicht. Es beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
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E.
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Mit Schreiben vom 24. November 2003 teilte das Bundesgericht dem Beschwerdeführer mit, es nehme in Aussicht, die Beschwerde gemäss Art. 40 OG in Verbindung mit Art. 72 BZP wegen Gegenstandslosigkeit als erledigt zu erklären. Es gab dem Beschwerdeführer Gelegenheit, dazu allfällige Bemerkungen einzureichen.
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Der Beschwerdeführer antwortete dem Bundesgericht mit Schreiben vom 3. Dezember 2003. Er räumt ein, dass mit der Haftentlassung das aktuelle praktische Interesse an der Behandlung der Beschwerde weggefallen ist. Er ist jedoch der Auffassung, die Beschwerde sei gleichwohl an die Hand zu nehmen, da es um Fragen von grundsätzlicher Bedeutung gehe, die sich jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnten. Sollte die Beschwerde als erledigt erklärt werden, sei im Kostenentscheid zu berücksichtigen, dass er sich in guten Treuen zur Beschwerde veranlasst gesehen habe und die Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes für die Gutheissung der Beschwerde gesprochen habe.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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1.1 Nach der Rechtsprechung zu Art. 88 OG verlangt das Bundesgericht, dass der Beschwerdeführer ein aktuelles praktisches Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides hat. Dieses Erfordernis soll sicherstellen, dass das Gericht konkrete und nicht bloss theoretische Fragen entscheidet, und es dient damit der Prozessökonomie (BGE 127 III 41 E. 2b; 125 I 394 E. 4a mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung entfällt das aktuelle praktische Interesse an der Behandlung einer Haftbeschwerde, wenn der Beschwerdeführer während der Hängigkeit des bundesgerichtlichen Verfahrens aus der Haft entlassen wird (BGE 125 I 394 E. 4a; 110 Ia 140 E. 2a mit Hinweisen).
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Mit der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Untersuchungshaft am 7. November 2003 ist sein aktuelles praktisches Interesse an der Behandlung der Beschwerde weggefallen.
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1.2
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1.2.1 Das Bundesgericht verzichtet ausnahmsweise auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses, wenn der gerügte Eingriff sich jederzeit wiederholen könnte und eine rechtzeitige verfassungsgerichtliche Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre, so dass diese Voraussetzung eine Kontrolle der Verfassungsmässigkeit faktisch verhindern würde. Das Bundesgericht prüft demnach Beschwerden materiell trotz Wegfalls des aktuellen praktischen Interesses, wenn sich die aufgeworfenen Fragen jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen können und an deren Beantwortung wegen der grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und sofern diese im Einzelfall kaum je rechtzeitig verfassungsgerichtlich geprüft werden könnten (BGE 127 I 164 E. 1a mit Hinweisen). An diesen Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen, fehlt es bei der Mehrzahl der Beschwerden, mit denen die Verfassungs- und Konventionswidrigkeit der Anordnung oder Erstreckung einer inzwischen dahingefallenen Untersuchungshaft gerügt wird. Die damit aufgeworfenen Fragen können sich in der Regel nicht mehr unter gleichen oder ähnlichen Umständen stellen, und es ist vielmehr im Einzelfall das Vorliegen von Haftgründen zu prüfen. Das Bundesgericht ist demnach nur ganz ausnahmsweise auf entsprechende Beschwerden eingetreten (BGE 125 I 394 E. 4b S. 397 f. mit Hinweisen).
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1.2.2 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil ihm keine vollständige Einsicht in die für die Frage der Haft wesentlichen Akten gewährt worden sei.
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Das Bundesgericht hat sich zum Recht des Verhafteten auf Akteneinsicht in grundsätzlicher Hinsicht in BGE 115 Ia 293 geäussert. Es hat erkannt, dass der Verhaftete Anspruch auf Einsicht in die wesentlichen Akten hat, welche für die Frage der Haft von Bedeutung sind; das Recht auf Akteneinsicht kann jedoch im Hinblick auf berechtigte öffentliche oder private Interessen, welche ihm entgegenstehen, Ausnahmen oder Beschränkungen unterliegen (E. 5 S. 302 ff.; vgl. auch BGE 125 I 394 E. 5b S. 399). Im vorliegenden Fall stellte sich die Frage, ob die Beschränkung der Akteneinsicht im Lichte der in BGE 115 Ia 293 dargelegten Grundsätze zulässig war. Dabei geht es um die Umstände des Einzelfalles. Es stellen sich keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung. Damit besteht kein Anlass, die Rüge der Gehörsverletzung trotz Wegfalls des aktuellen praktischen Interesses zu behandeln.
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1.2.3 Der Beschwerdeführer rügt im Weiteren die Verletzung seines Rechts auf persönliche Freiheit sowie des Willkürverbots. Er macht geltend, das Landgerichtspräsidium habe sowohl den dringenden Tatverdacht als auch die Kollusionsgefahr mit einer offensichtlich unhaltbaren Begründung bejaht. Ausserdem verstosse die Verlängerung der Haft gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit.
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Für die Frage, ob das Landgerichtspräsidium den dringenden Tatverdacht und die Kollusionsgefahr bejahen durfte, sind wiederum die Umstände des vorliegenden Einzelfalles massgebend. Das gilt ebenso für die Frage der Verhältnismässigkeit der Haft. Auch insoweit stellen sich keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung. Der Beschwerdeführer räumt das sinngemäss ein.
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1.2.4 Damit sind die Voraussetzungen, unter denen das Bundesgericht trotz Wegfalls des aktuellen praktischen Interesses eine Beschwerde behandelt, nicht gegeben.
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2.
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Liegt das praktische Interesse im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung vor, fällt es aber nachträglich weg, ist die Beschwerde gemäss Art. 40 OG in Verbindung mit Art. 72 BZP als erledigt abzuschreiben (BGE 118 Ia 488 E. 1a). Danach entscheidet das Gericht mit summarischer Begründung über die Prozesskosten auf Grund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgesuches. Bei der Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen ist somit in erster Linie auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen. Diese Regelung bezweckt, denjenigen, der in guten Treuen Beschwerde erhoben hat, nicht im Kostenpunkt dafür zu bestrafen, dass die Beschwerde infolge nachträglicher Änderung der Umstände abzuschreiben ist, ohne dass ihm dies anzulasten wäre. Bei der Prüfung des mutmasslichen Prozessausgangs ist nicht auf alle Rügen einzeln und detailliert einzugehen. Vielmehr muss es bei einer knappen Beurteilung der Aktenlage sein Bewenden haben (BGE 118 Ia 488 E. 4a S. 494 f. mit Hinweisen).
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Eine summarische Prüfung ergibt, dass die Beschwerde eher abzuweisen gewesen wäre. Zwar ist die Beschränkung der Akteneinsicht heikel. Grundsätzlich sind dem Haftrichter für die Begründung der Haftverlängerung keine Akten zuzustellen, in welche der Beschuldigte keine Einsicht hat. Hier wurde auf solche Akten aber nicht abgestellt. Die Beteiligung des Beschwerdeführers an den von ihm zugestandenen Taten genügte für die Annahme des dringenden Tatverdachts auf weitere. Ebenso ist bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass die Kollusionsgefahr und die Verhältnismässigkeit der Haft zu bejahen gewesen wären. Der Beschwerdeführer wäre damit an sich kostenpflichtig gewesen (Art. 156 Abs. 1 OG). Es kann jedoch nicht gesagt werden, dass die Beschwerde von vornherein aussichtslos war. Das gilt namentlich für die Rüge der Gehörsverletzung. Da die Untersuchungshaft einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt, konnte sich der Beschwerdeführer - nicht zuletzt auch wegen seines Alters von im Zeitpunkt der Haft erst 18 Jahren - jedenfalls zur Beschwerde veranlasst sehen. Seine Bedürftigkeit wäre anzunehmen gewesen. Er ist Lehrling und verdient Fr. 1'300.-- pro Monat. Das Landgerichtspräsidium hat in seiner Verfügung vom 2. Oktober 2003, mit der es die amtliche Verteidigung bewilligt hat, die angespannte finanzielle Lage der Familie des Beschwerdeführers zudem als gerichtsnotorisch bezeichnet. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nach Art. 152 OG wäre damit wohl gutgeheissen worden. Damit rechtfertigt es sich, keine Kosten zu erheben und dem Vertreter des Beschwerdeführers eine Entschädigung auszurichten.
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Demnach beschliesst das Bundesgericht:
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1.
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Die staatsrechtliche Beschwerde wird als gegenstandslos geworden vom Geschäftsverzeichnis abgeschrieben.
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2.
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Es werden keine Kosten erhoben.
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3.
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Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Hermann Näf, wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet.
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4.
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Dieser Beschluss wird dem Beschwerdeführer, der Verhörrichterin I des Kantons Uri und dem Landgerichtspräsidium Uri schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 15. Januar 2004
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Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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