BGer I 399/2003
 
BGer I 399/2003 vom 03.02.2004
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
I 399/03
Urteil vom 3. Februar 2004
IV. Kammer
Besetzung
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiberin Riedi Hunold
Parteien
E.________, 1941, Deutschland, Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle für Versicherte im Ausland, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, Lausanne
(Entscheid vom 23. April 2003)
Sachverhalt:
A.
E.________ (geboren 1941) war von 1960 bis 1965 in der Schweiz erwerbstätig. Am 24. Februar 2000 ersuchte sie um eine Rente der eidgenössischen Invalidenversicherung, da sie an einer chronischen Polyarthritis leide. Mit Verfügung vom 3. Mai 2001 lehnte die IV-Stelle für Versicherte im Ausland (nachfolgend: IV-Stelle) jegliche Leistungen ab, da keine anspruchsbegründende Invalidität vorliege. Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen (nachfolgend: Rekurskommission) mit einzelrichterlichem Entscheid vom 16. April 2002 ab. Mit Urteil vom 9. Januar 2003 wies das Eidgenössische Versicherungsgericht die Sache an die Rekurskommission zurück, damit sie in korrekter Besetzung über die Beschwerde entscheide.
B.
Die Rekurskommission wies die Beschwerde mit Entscheid vom 23. April 2003 erneut ab.
C.
E.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, es sei ihr eine Rente zuzusprechen. Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
D.
Mit Eingabe vom 6. August 2003 ersucht E.________ um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Vorinstanz hat zutreffend festgehalten, dass sowohl das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 (seit 1. Januar 2003 in Kraft; vgl. BGE 129 V 4 Erw. 1.2) als auch das bilaterale Abkommen der Schweizerischen Eidgenossenschaft mit der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (in Kraft seit 1. Juni 2002; vgl. BGE 129 V 3 Erw. 1.1) nicht zur Anwendung gelangen, da diese nach dem massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses (3. Mai 2001) in Kraft getreten sind.
2.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Anwendung des schweizerischen Rechts (Art. 2 Ziff. 2 lit. b in Verbindung mit Art. 3 und 4 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964; ZAK 1989 S. 320 Erw. 2), den Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung der im Ausland wohnenden Personen (Art. 28 Abs. 1 und Abs. 1ter IVG; BGE 121 V 264), die Ermittlung des Invaliditätsgrades auf Grund des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 128 V 30 Erw. 1, 126 V 75, je mit Hinweisen) und den Beginn des Anspruchs (Art. 29 Abs. 1 und 2 IVG; BGE 121 V 264) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für den allgemeinen Grundsatz der Schadenminderungspflicht (BGE 123 V 233 Erw. 3c mit Hinweisen), den massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b, 125 V 195 Erw. 2, je mit Hinweisen), die Anforderungen an einen ärztlichen Bericht (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis) und die Aufgabe des Arztes und der Ärztin im Rahmen der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.
3.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Versicherte Anspruch auf eine Rente hat.
3.1 Frau Dr. med. Z.________, Fachärztin für Sozialmedizin, diagnostiziert in ihrem Bericht vom 1. Juni 1999 eine seronegative rheumatoide Arthritis mit chronisch rezidivierenden Schüben und erachtet die Arbeitsunfähigkeit als medizinisch begründet und noch nicht sicher abgrenzbar. Auf Grund der gefährdeten Erwerbsfähigkeit seien Rehabilitationsmassnahmen in einer rheumatologisch ausgerichteten Bad- oder Spezialeinrichtung möglichst umgehend zu empfehlen. Dr. med. W.________, Facharzt für Orthopädie, diagnostiziert in seinem Gutachten vom 2. August 1999 eine seronegative Polyarthritis sowie ein Lendenwirbelsäulensyndrom bei Osteochondrose L5/S1 und geht von der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit im angestammten Beruf bei erfolgreicher Basistherapie in sechs Wochen aus. Die Ärzte der Rheumaklinik K.________ in Y.________, in welcher die Versicherte vom 7. bis 28. Oktober 1999 stationär behandelt wurde, halten in ihrem Bericht vom 2. Dezember 1999 eine mögliche seronegative chronische Polyarthritis fest, welche zur Zeit weder klinisch noch serologisch noch sonographisch noch radiologisch nachweisbar sei; eine leichte Arbeit sei der Versicherten vollschichtig zumutbar, jedoch solle sie keine Arbeiten, welche erhöhte Anforderungen an die Greifkraft stellen, ausüben. Gemäss dem Gutachten der Frau Dr. med. M.________, Fachärztin für Orthopädie, vom 13. Juni 2000 leidet die Versicherte an einem Cervicobrachialsyndrom, einer Spondylochondrose der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule, einer Rhizarthrose beidseits, einer Heberdenarthrose, einer Lumboischialgie, einer Coxalgie, einer Goarthrose rechts sowie beidseitigem Senkspreizfuss und Hallux valgis. Die Expertin hält ein halb bis unter vollschichtiges Pensum im angestammten Beruf der Sekretärin sowie in anderen leichten körperlichen Tätigkeiten mit Wechselbelastung und ohne Halte- oder Greifbelastung der Hände für zumutbar. Frau Dr. med. S.________, Fachärztin für Innere Medizin, attestiert am 8. September 2000 als auch am 26. März 2001 eine andauernde Arbeitsunfähigkeit. Dr. med. X._______, Facharzt für Chirurgie und Orthopädie, diagnostiziert in seinem Gutachten vom 24. April 2001 eine Abnutzungserkrankung der Halswirbelsäule mit Nervenwurzelreizung und Funktionseinschränkung, eine Abnutzungserkrankung der Brust- und der Lendenwirbelsäule mit Nervenwurzelreizung, Funktionseinschränkung und verminderter Belastbarkeit nach Scheuermann'scher Erkrankung mit Kalksalzschwund in den Wirbelkörpern (Osteoporose), Abnutzungserkrankungen beider Hüft- und Kniegelenke sowie eine Polyarthrose mehrerer Fingergelenke und der Grosszehengrundgelenke beidseits. Der Beschwerdeführerin seien leichte Arbeiten im Sitzen und Stehen im Wechselrhythmus halb bis unter vollschichtig zumutbar; dabei seien keine Tätigkeiten mit Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne häufiges Bücken, Klettern oder Steigen, ohne Überkopfarbeiten, ohne häufiges Arbeiten im Knien und ohne monotone Tätigkeiten für beide Hände denkbar. Arbeiten an der Schreibmaschine oder am Computer seien nur noch mit grösseren Unterbrechungen viertelstundenweise möglich.
3.2 Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, liegt bei der Versicherten keine bleibende Erwerbsunfähigkeit vor, welche Invalidität im Sinne von Art. 29 Abs. 1 lit. a IVG begründet. Die Beschwerdeführerin leidet im Wesentlichen an Lumbalgien bei degenerativen Lendenwirbelsäulenveränderungen sowie an einer seronegativen chronischen Polyarthritis, d.h. an Beschwerden, welche Wandlungen unterliegen.
3.3 Aus den umfangreichen medizinischen Akten ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin bei Erlass der Verwaltungsverfügung am 3. Mai 2001 nicht seit mindestens einem Jahr ohne wesentlichen Unterbruch in ihrer angestammten Tätigkeit als Sekretärin zu mindestens 50 % arbeitsunfähig war. Daran vermag auch das Gutachten des Dr. med. X.________ nichts zu ändern, da der Experte lediglich festhält, im Vergleich zu den Gutachten vom 2. August 1999 sowie vom 13. Juni 2000 ergebe sich aktuell eine deutliche Verschlechterung der klinischen Befunde; diese dürften auch schon Anlass für die stationäre Behandlung im November 2000 gewesen sein. Er macht jedoch nicht geltend, die Einschätzungen in den erwähnten Gutachten seien unzutreffend gewesen. Damit ist aber höchstens davon auszugehen, dass seit November 2000 eine Verschlechterung eingetreten und eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % oder mehr denkbar ist; die einjährige Wartezeit ist demnach auch gestützt auf dieses Gutachten nicht erfüllt. Ebenfalls unbeachtlich sind die sehr kurzen Atteste der Frau Dr. med. S.________; denn in ihnen wird nicht begründet, weshalb die Arbeitsunfähigkeit entgegen der übrigen ärztlichen Meinungen seit März 1998 ununterbrochen angedauert haben soll. Sie genügen somit nicht den Anforderungen der Rechtsprechung an einen ärztlichen Bericht (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis).
3.4 Vorinstanz und Verwaltung haben nach dem Gesagten zu Recht den Anspruch auf eine Invalidenrente verneint. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Überweisung der Akten an die IV-Stelle, damit die Verwaltung die Sache im Rahmen einer Neuanmeldung prüfe. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demnach abzuweisen.
4.
4.1 Nach Gesetz (Art. 152 OG) und Praxis sind in der Regel die Voraussetzungen für die Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung erfüllt, wenn der Prozess nicht aussichtslos erscheint, die Partei bedürftig und die anwaltliche Verbeiständung notwendig oder doch geboten ist (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen).
Ob die anwaltliche Verbeiständung notwendig oder doch geboten ist, beurteilt sich nach den konkreten objektiven und subjektiven Umständen. Praktisch ist im Einzelfall zu fragen, ob eine nicht bedürftige Partei unter sonst gleichen Umständen vernünftigerweise eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt beiziehen würde, weil sie selber zu wenig rechtskundig ist und das Interesse am Prozessausgang den Aufwand rechtfertigt (BGE 103 V 47, 98 V 118; vgl. auch BGE 128 I 232 Erw. 2.5.2 mit Hinweisen).
4.2 Das Begehren um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten ist gegenstandslos, da in der vorliegenden Streitsache für das letztinstanzliche Verfahren auf Grund von Art. 134 OG keine Verfahrenskosten erhoben werden.
4.3 Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wurde nachträglich gestellt. Daran, dass die einjährige Wartezeit nicht abgelaufen ist, vermöchte auch eine durch einen Anwalt oder eine Anwältin verfasste Rechtsschrift nichts zu ändern. Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung ist demnach mangels Notwendigkeit der anwaltlichen Vertretung abzuweisen.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, der Schweizerischen Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 3. Februar 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: