BGer 5P.128/2004
 
BGer 5P.128/2004 vom 28.04.2004
Tribunale federale
{T 0/2}
5P.128/2004 /bie
Urteil vom 28. April 2004
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Gysel.
Parteien
X.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Christian Boll,
gegen
Y.________, Beschwerdegegnerin,
Kantonsgericht St. Gallen (Einzelrichter im Familienrecht), Klosterhof 1, 9001 St. Gallen.
Gegenstand
Art. 9 BV (Eheschutz),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen (Einzelrichter im Familienrecht) vom 25. Februar 2004.
Sachverhalt:
A.
Y.________ und X.________ heirateten im Jahre 1999. Sie sind die Eltern von Z.________, geboren 2001.
Ein von den Ehegatten im Jahre 2002 beim Bezirksgericht Gossau gemeinsam anhängig gemachtes Scheidungsverfahren wurde am 14. März 2003 abgeschrieben, nachdem der Ehemann im Verlaufe des Verfahrens sein Einverständnis zur Scheidung zurückgezogen und die Ehefrau keine Klage eingereicht hatte. Damit wurde auch der Massnahmenentscheid vom 5. Dezember 2002, worin X.________ zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 500.-- an Y.________ und von Fr. 800.-- an den Sohn Z.________ verpflichtet worden war, hinfällig.
B.
Am 9. Januar 2004 ersuchte Y.________ das Kreisgericht Untertoggenburg-Gossau um Erlass von Eheschutzmassnahmen. Der Präsident der 2. Abteilung regelte mit Entscheid vom 27. Januar 2004 die Kinderbelange und verpflichtete X.________ mit Wirkung ab 14. März 2003, an den Unterhalt von Y.________ monatliche Beiträge von Fr. 500.-- und an denjenigen des Sohnes Z.________ solche von Fr. 800.-- zu zahlen.
Den von X.________ hiergegen erhobenen Rekurs wies der Einzelrichter im Familienrecht am Kantonsgericht St. Gallen am 25. Februar 2004 ab.
C.
X.________ ist mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht gelangt. Er beantragt die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Entscheids. Zudem stellt er das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der im Eheschutzverfahren ergangene Entscheid der oberen kantonalen Instanz gilt nicht als Endentscheid im Sinne von Art. 48 Abs. 1 OG und ist daher nicht mit Berufung anfechtbar. Hingegen ist in einem solchen Fall die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte gegeben (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG; BGE 127 III 474 E. 2a S. 476).
In der Willkürbeschwerde sind neue Beweismittel nicht zulässig (BGE 129 I 49 E. 3 S. 57 mit Hinweisen). Soweit die vom Beschwerdeführer eingereichten zahlreichen Belege nicht schon Bestandteil der kantonalen Akten gebildet hatten, sind sie deshalb unbeachtlich.
2.
Der Einzelrichter am Kantonsgericht führt aus, der Beschwerdeführer, der in seiner nigerianischen Heimat zum Lehrer ausgebildet worden sei, habe seine Stelle als Betreuer in einem Behindertenheim mit einem monatlichen Gehalt von rund Fr. 4'600.-- netto auf Ende April 2002 entgegen dem Rat der Beschwerdegegnerin gekündigt. Bis zum Ende der Bezugsdauer am 9. Dezember 2003 habe er von der Arbeitslosenversicherung netto durchschnittlich Fr. 3'300.-- im Monat ausbezahlt erhalten, Sozialabgaben und Quellensteuer abgezogen. Da der Beschwerdeführer eine verhältnismässig gut besoldete Stelle von sich aus aufgegeben habe, liesse es sich rechtfertigen, wenigstens für eine beschränkte Zeit das bisherige Einkommen anzurechnen. Auf die effektiven Verhältnisse müsse nur dann abgestellt werden, wenn es dem Unterhaltspflichtigen trotz Anspannung aller Kräfte voraussichtlich nicht mehr gelinge, eine ähnlich bezahlte Stelle zu finden. Der Eheschutzrichter sei hier weniger weit gegangen und habe vom Beschwerdeführer nur erwartet, dass er ein Einkommen in Höhe der zuletzt bezogenen Arbeitslosen-Taggelder erziele. Der Rekursrichter hält dafür, dass ein solcher bescheidener Verdienst, der dem Beschwerdeführer ermöglichen würde, sein eigenes Existenzminimum zu decken und den geforderten Familienunterhalt zu zahlen, mit einer kurzfristigen Anstellung als Hilfspfleger oder Hilfsarbeiter zu erreichen wäre.
Der Rekursrichter weist sodann darauf hin, dass der Beschwerdeführer für das ganze Jahr 1993 (richtig wohl: 2003) rund 60 Bewerbungsschreiben vorgelegt habe; da von einem Arbeitslosen jedoch erwartet werde, dass er sich zwei bis drei Mal wöchentlich bewerbe, seien die durchschnittlich fünf Bewerbungen pro Monat offensichtlich unzulänglich. Zudem falle auf, dass der Beschwerdeführer auch auf Stellenangebote reagiert habe, für die er eindeutig nicht oder ungenügend qualifiziert gewesen sei. Sein nachlässiges Verhalten in den Bewerbungen deute darauf hin, dass er Absagen in Kauf genommen oder geradezu provoziert habe. Hinzu komme der nicht erst seit kurzem bekannte, anscheinend auch nie offen gelegte Umstand, dass sein Aufenthaltsstatus in der Schweiz nicht mehr gesichert sei. Der Beschwerdeführer habe demnach nicht nur eine seinen Fähigkeiten entsprechende Stelle aus freien Stücken gekündigt, sondern sich seither auch nicht ernsthaft und nachhaltig um eine neue Tätigkeit bemüht.
3.
Der Beschwerdeführer wirft dem kantonalen Rekursrichter vor, den Sachverhalt nicht von Amtes wegen abgeklärt und ihm in willkürlicher Weise ein hypothetisches Einkommen angerechnet zu haben.
3.1 Der Kinderunterhalt unterliegt auch im Eheschutzverfahren der Offizialmaxime (vgl. BGE 129 III 417 E. 2.1.1 S. 420). Die Erforschung der massgebenden wirtschaftlichen Verhältnisse kommt auch dem Leistungsschuldner zu Gute, was umso eher gerechtfertigt ist, als dieser sein Existenzminimum soll wahren dürfen. Sind - wie vorliegend - die Unterhaltsbeiträge sowohl des Ehegatten als auch des Kindes strittig, bilden sie aus der Sicht der finanziellen Leistungsfähigkeit des Pflichtigen ein Ganzes. Gegebenenfalls sind beide Renten neu festzulegen. Die Untersuchungsmaxime verpflichtet den Richter, von sich aus alle Elemente in Betracht zu ziehen, die entscheidwesentlich sind, und unabhängig von den Anträgen der Parteien Beweise zu erheben. Diese Pflicht ist indes nicht ohne Grenzen und entbindet die Parteien nicht von einer aktiven Mitwirkung am Verfahren, indem sie Hinweise zum Sachverhalt machen oder Beweise bezeichnen (dazu BGE 128 III 411 E. 3.2.1 und 3.2.2 S. 412 ff.).
3.2 Soweit der Beschwerdeführer dem erstinstanzlichen Richter vorwirft, nicht nachgefragt zu haben, ob er Bewerbungen oder Absagen vorlegen könne, ist er darauf hinzuweisen, dass nur der Entscheid des Kantonsgerichts Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bilden kann (vgl. Art. 86 Abs. 1 OG).
3.3 Dem Rekursrichter wirft der Beschwerdeführer vor, er habe unberücksichtigt gelassen, dass er sich nicht nur schriftlich, sondern unzählige Male auch mündlich um eine Stelle beworben habe. Ein Arbeitsloser habe in St. Gallen pro Monat zehn schriftliche oder auch mündliche Bewerbungen aufzugeben. Wäre er diesen Verpflichtungen nicht vollumfänglich nachgekommen, wären ihm die Taggelder nicht bis Ende Dezember 2003 ausbezahlt worden; gemäss Art. 30 AVIG stelle das Arbeitslosenamt die Anspruchsberechtigung ein, wenn der Versicherte sich nicht genügend um zumutbare Arbeit bemühe. Sollte der Rekursrichter Zweifel an der Zahl der Bewerbungen gehabt haben, wäre er zu entsprechenden Abklärungen verpflichtet gewesen.
Die oben (E. 3.1) erwähnte Mitwirkungspflicht der Parteien hätte geboten, dass der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren von sich aus auf die von ihm geltend gemachten mündlichen Bewerbungen hingewiesen hätte. Im Übrigen weist nichts darauf hin, dass dem Rekursrichter die massgeblichen Sachverhaltselemente nicht zur Verfügung gestanden hätten. Welche Schlüsse dieser daraus zog, ist zunächst eine Frage der Beweiswürdigung und alsdann der Rechtsanwendung.
3.4 Es kann offen bleiben, wie es sich mit der vom Rekursrichter vorgenommenen Würdigung der Bewerbungen bezüglich Anzahl, Stil und Adressaten verhält. Der Beschwerdeführer übergeht nämlich, dass der kantonale Richter die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens damit begründet hat, er habe durch seine Kündigung eine gut bezahlte Stelle freiwillig aufgegeben und es gehe nicht an, dass er seine Lebensführung eigenmächtig zu Lasten der Familie abändere. Mit diesen Erwägungen setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Stattdessen beschränkt er sich auf das den Begründungsanforderungen in keiner Weise genügende appellatorische Vorbringen, er habe sein Einkommen nicht freiwillig vermindert, sondern sei nach intensiver Arbeitssuche im Dezember 2003 von der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert worden.
4.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Sie konnte angesichts des Dargelegten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg haben (vgl. Art. 152 Abs. 1 OG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist deshalb abzuweisen, und es ist dem Beschwerdeführer ausgangsgemäss die Gerichtsgebühr aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Da keine Vernehmlassung eingeholt worden ist und der Beschwerdegegnerin demnach keine Kosten erwachsen sind, entfällt die Zusprechung einer Parteientschädigung.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen (Einzelrichter im Familienrecht) schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 28. April 2004
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: