BGer 2A.324/2004
 
BGer 2A.324/2004 vom 24.06.2004
Tribunale federale
{T 0/2}
2A.324/2004 /leb
Urteil vom 24. Juni 2004
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Müller, Merkli,
Gerichtsschreiber Merz.
Parteien
X.________ Ltd.,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Christoph M. Pestalozzi,
gegen
Eidgenössische Bankenkommission, Amtshilfekammer, Schwanengasse 12, Postfach,
3001 Bern.
Gegenstand
Internationale Amtshilfe für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Fall
MWG-Biotech AG,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung der Eidgenössischen Bankenkommission vom 30. April 2004.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), welche die Aufgaben des ehemaligen deutschen Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel übernommen hat, ermittelt wegen allfälliger Insidervergehen bei Geschäften mit Aktien der MWG-Biotech AG. Die BaFin vermutet, dass die Situation in diesem Unternehmen tatsächlich besser gewesen sein könnte, als am 30. März 2001 gegenüber der Öffentlichkeit kommuniziert und am 2. Mai 2001 schliesslich korrigiert worden war, und dass das Wissen hierum durch einen Insider hätte ausgenutzt werden können. Sie ersuchte in diesem Zusammenhang am 12. Juni 2003 die Eidgenössische Bankenkommission (im Folgenden: EBK) bezüglich über die Schweiz abgewickelter Transaktionen in diesem Titel um Amtshilfe (Art. 38 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 24. März 1995 über die Börsen und den Effektenhandel, BEHG; SR 954.1). Die EBK verfügte am 30. April 2004, dass dem Gesuch entsprochen und der BaFin folgende Informationen übermittelt werden:
"1.1 Der Kunde, für welchen die Clariden Bank die fraglichen Käufe und Verkäufe in MWG-Biotech Aktien getätigt hat, heisst X.________.
1.2 Wirtschaftlich Berechtigter an diesem Konto ist Y.________, Deutschland.
1.3 Die Auftragserteilung erfolgte telefonisch durch den wirtschaftlich Berechtigten. Am 18. April 2003 (recte: 2001) wurde im Auftrag des Kunden 10'000 Aktien der MWG-Biotech AG zu einem Kurs von EUR 1.930 gekauft.
1.4 Am 7. Mai 2003 (recte: 2001) wurden diese Aktien nach telefonischem Auftrag durch den wirtschaftlich Berechtigten bei einem Kurs von EUR 3.86 und mit einem Gewinn von EUR 19'011.- wieder verkauft.
1.5 Belege über die besagten Transaktionen (pag. [xxx])".
Die X.________ Ltd. hat am 3. Juni 2004 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, die Verfügung der EBK "vollumfänglich aufzuheben". Eventualiter stellt sie das Begehren, die EBK anzuweisen, eine allfällige spätere Ermächtigung an die BaFin zur Weiterleitung (gemäss Art. 38 Abs. 2 lit. c BEHG) der aufgrund der angefochtenen Verfügung erhaltenen Informationen und Unterlagen über die Beschwerdeführerin an andere deutsche Behörden, namentlich Straf- und Fiskalbehörden, in Form einer rechtsmittelfähigen Verfügung zu erteilen.
2.
Die Eingabe der Beschwerdeführerin erweist sich als offensichtlich unbegründet, soweit darauf einzutreten ist, und kann daher nach Einholung der Akten der EBK ohne deren Vernehmlassung im vereinfachten Verfahren und unter Verweisung auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid nach Art. 36a OG erledigt werden. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin erweist sich die Amtshilfe als verhältnismässig, und besteht keine Veranlassung, auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichts zurückzukommen.
2.1 Ob die Beschwerdeführerin tatsächlich von Insiderinformationen profitiert hat, bildet nicht Gegenstand des Amtshilfeverfahrens. Für die Zulässigkeit der Amtshilfe genügt als Anfangsverdacht, dass die interessierenden Aktiengeschäfte im zeitlichen Zusammenhang mit den auffälligen Kursverläufen stattfanden. Unbeachtlich ist insoweit der Einwand, der Kaufentscheid sei gestützt auf öffentlich zugängliche Informationen oder eigene Analysen getroffen worden. Das Gleiche gilt für das Vorbringen, es sei auch schon mit Verlust in Titel der interessierenden Aktiengesellschaft investiert worden. Sollten die Beschwerdeführerin bzw. die für sie handelnden Personen tatsächlich über keine Insiderinformationen verfügt haben, würde das Verfahren in Deutschland ohne weitere nachteilige Folgen für sie bleiben. Die EBK kann die Begründetheit des Verdachts im Rahmen der Amtshilfe nicht vorweg beurteilen. Nur die ausländische Behörde wird hierzu aufgrund der bei ihr zusammenlaufenden Informationen in der Lage sein. Die Amtshilfe wäre lediglich dann unverhältnismässig, wenn die betroffene Kundin den erwähnten Anfangsverdacht klarerweise zu entkräften vermöchte, weil sie etwa mit dem Geschäft überhaupt nichts zu tun gehabt hätte (vgl. BGE 129 II 484 E. 4.2 S. 494 ff.; 128 II 407 E. 5.2.3 S. 419; 127 II 142 E. 5a S. 145, 323 E. 6b/aa und 7b/aa S. 332 ff.; 126 II 126 E. 6a/bb S. 137). Das behauptet die Beschwerdeführerin hier allerdings selber nicht. Es lässt sich somit nicht ausschliessen, dass seitens der Beschwerdeführerin Insiderinformationen bestanden haben könnten.
2.2 Ins Leere stösst auch der Einwand, der Kontrollraster der BaFin sei zu grob, die überwiegende Anzahl der daraus abgeleiteten Ermittlungsverfahren würden nicht zu einer Verurteilung führen, sondern erledigten sich vorher. Nachdem ein Anfangsverdacht besteht, spielt es - wie das Bundesgericht bereits festgehalten hat (vgl. BGE 125 II 65 E. 6b/bb S. 74) - keine Rolle, ob die BaFin sämtliche Transaktionen untersucht oder sich auf Stichproben beschränkt. Dass zwischen dem Amtshilfeersuchen und den interessierenden Transaktionen rund zwei Jahre liegen, lässt die Amtshilfe ebenso wenig unverhältnismässig erscheinen.
2.3 Unbehelflich ist sodann die Mutmassung der Beschwerdeführerin, den deutschen Behörden gehe es nur darum, Informationen für die Steuerbehörden zu beschaffen. Die BaFin hat in ihrem Gesuch vom 12. Juni 2003 ausdrücklich erklärt, die erhaltenen Informationen ausschliesslich für den Zweck zu verwenden, für den sie übermittelt würden. Die EBK hat in der angefochtenen Verfügung ebenso ausdrücklich festgehalten, dass die Informationen nur zur direkten Beaufsichtigung der Börsen und des Effektenhandels verwendet werden dürfen und die Weiterleitung an Zweitbehörden der vorherigen Einholung ihrer Zustimmung bedarf (Ziff. 2 und 3 des Dispositivs). Mit Blick auf die unzweideutig, durch die zuständige ausländische Fachinstanz abgegebene Erklärung kann auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes und des Prinzips der "langen Hand" vertraut werden. Das Börsengesetz verlangt diesbezüglich keine völkerrechtlich verbindliche Zusage. Solange ein ersuchender Staat sich effektiv an den Spezialitätsvorbehalt hält und - wie hier (vgl. BGE 125 II 65 E. 9b/aa S. 76; Urteil 2A.162/2001 vom 10. Juli 2001, E. 3) - keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass er dies im Einzelfall nicht tun würde, steht der Amtshilfe insofern nichts entgegen. Bloss wenn die ausländische Aufsichtsbehörde im Rahmen ihrer "best-efforts"-Erklärung tatsächlich nicht in der Lage wäre, dem Spezialitätsvorbehalt bzw. dem "Prinzip der langen Hand" angemessen Nachachtung zu verschaffen, müsste die Bankenkommission die Praxis ihr gegenüber überdenken (vgl. BGE 128 II 407 E. 3.2 und 4.3.3 S. 411 und 416; 127 II 142 E. 6b S. 147 f.; 126 II 409 E. 4b/bb S. 413, 126 E. 6b/bb S. 139; Urteil 2A.425/2002 vom 18. Februar 2003, E. 2.2.1).
2.4 Schliesslich greift auch der Einwand nicht, das Bankgeheimnis werde ausgehöhlt (vgl. dazu BGE 125 II 83 E. 5 S. 84).
2.5 Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe an das Bundesgericht erstmals ausführt, Y.________ habe seit dem 30. Dezember 1998 seinen Wohnsitz in Brasilien, obwohl sie unter anderem noch in Unterlagen vom 20. April 2000 allein den deutschen Wohnsitz angegeben hatte, kann die EBK Ziff. 1.2 des Dispositivs ihrer Verfügung vom 30. April 2004 zusätzlich um den brasilianischen Wohnsitz ergänzen. Zudem wird sie in spontaner Amtshilfe darauf hinweisen dürfen, dass Y.________ laut Bankangaben wirtschaftlich Berechtigter sei, dies jedoch laut den Angaben der Beschwerdeführerin im bundesgerichtlichen Verfahren seit dem 1. Oktober 2000 bzw. dem 22. Februar 2001 nicht mehr sei. Ein neues Verfahren ist hierfür nicht notwendig, da dem wirtschaftlich Berechtigten keine Parteistellung zukommt und dieser damit nicht beschwerdebefugt ist (vgl. BGE 125 II 65 E. 1 S. 69 f.; Urteil 2A.3/2004 vom 19. Mai 2004, E. 5.3.3). Im Übrigen steht der Rechtmässigkeit der angefochtenen Verfügung nicht entgegen, dass Y.________, der die interessierenden Anlageentscheide getroffen bzw. der Bank die Aufträge erteilt hat, darin als wirtschaftlich Berechtigter namentlich erwähnt wird (vgl. BGE 125 II 65 E. 1 S. 70).
2.6 Auch der Eventualantrag der Beschwerdeführerin führt nicht zum Erfolg. Zwar hatte das Bundesgericht in BGE 125 II 65 einen entsprechenden Antrag noch gutgeheissen (vgl. dort E. 10 und 11 S. 77 f.). Damals war zwischen den Beteiligten allerdings umstritten, ob die Ermächtigung zur Weiterleitung von Informationen an Zweitempfänger in Form einer anfechtbaren Verfügung zu erteilen sei oder nicht. An dieser Praxis wird seit dem erwähnten Entscheid festgehalten, was auch die EBK nicht (mehr) in Frage stellt (vgl. EBK Bulletin 45/2003 S. 43 f.). Insoweit besteht kein schutzwürdiges Interesse der Beschwerdeführerin an einer entsprechenden ausdrücklichen Anweisung an diese.
3.
Mit dem Entscheid in der Hauptsache wird das mit Beschwerdeeinreichung gestellte Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos. Dem Verfahrensausgang entsprechend wird die unterliegende Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1, Art. 153 und 153a OG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 159 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und der Eidgenössischen Bankenkommission schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 24. Juni 2004
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: