BGer 5P.13/2005
 
BGer 5P.13/2005 vom 17.03.2005
Tribunale federale
{T 0/2}]
5P.13/2005 /bie
Urteil vom 17. März 2005
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Schett.
Parteien
X.________, Beschwerdeführer,
gegen
Y.________, Beschwerdegegnerin,
Obergericht des Kantons Aargau, 2. Zivilkammer,
Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau.
Gegenstand
Art. 9 BV (Ehescheidung; Berichtigung),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid
des Obergerichts des Kantons Aargau, 2. Zivilkammer, vom 30. November 2004.
Sachverhalt:
A.
Mit Urteil vom 16. September 2004 erkannte das Obergericht des Kantons Aargau in Ziffer 3 was folgt :
3. In teilweiser Gutheissung der Appellation wird Ziffer 8 des Urteils des Bezirksgerichtes A.________ vom 20. August 2003 aufgehoben und durch folgende Bestimmung ersetzt:
8.a) Die im Gesamteigentum der Parteien stehende Liegenschaft der Parteien, GB B.________, Nr. 000, Plan 0, wird öffentlich versteigert und der Nettoerlös wird unter den Parteien hälftig geteilt. Es wird festgestellt, dass die Parteien folgende Eigengutbeträge investiert haben:
Klägerin: Fr. 14'249.30
Beklagter: Fr. 50'000.--.
8.b) Der Beklagte wird verpflichtet, aus seinem hälftigen Anteil aus dem Erlös der Liegenschaft Fr. 1'990.75 (Beteiligung an den Unterhaltsspesen) der Klägerin zu bezahlen.
8.c) Für die übrigen güterrechtlichen Ansprüche hat der Beklagte der Klägerin den Betrag von Fr. 97'417.05 (güterrechtl. Anspruch Klägerin von Fr. 120'182.05 abzüglich güterrechtl. Anspruch Beklagter von Fr. 22'765.--) zu bezahlen.
Der güterrechtliche Anspruch der Klägerin gemäss Ziff. 8 lit. c) wird mit dem Anspruch des Beklagten aus dem Verkauf der gemeinsamen Liegenschaft verrechnet."
B.
Aufgrund einer telefonischen Anfrage von Y.________ kam das Obergericht zum Schluss, dass Ziffer 8 lit. c Abs. 2 des obergerichtlichen Urteilsdispositivs unklar sei. Am 30. November 2004 berichtigte das Obergericht seinen Entscheid wie folgt:
8.c) Für die übrigen güterrechtlichen Ansprüche hat der Beklagte der Klägerin den Betrag von Fr. 97'417.05 (güterrechtl. Anspruch Klägerin von Fr. 120'182.05 abzüglich güterrechtl. Anspruch Beklagter von Fr. 22'765.--) zu bezahlen.
(Abs. 2 gestrichen)."
C.
Gegen diesen Entscheid hat X.________ mit Eingabe vom 12. Januar 2005 staatsrechtliche Beschwerde erhoben unter anderem mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben. Y.________ und das Obergericht des Kantons Aargau beantragen die Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und wie weit es auf die staatsrechtliche Beschwerde eintreten kann.
1.1 Die staatsrechtliche Beschwerde ist kassatorischer Natur. Mit ihr kann deshalb grundsätzlich nur die Aufhebung des angefochtenen Entscheids verlangt werden. Da vorliegend kein Ausnahmegrund vorliegt, kann auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden, soweit mehr oder anderes verlangt wird als die Aufhebung des Entscheids vom 30. November 2004 (BGE 130 I 258 E. 1.2; 129 I 173 E. 1.5).
1.2 Anfechtungsgegenstand ist der Entscheid vom 30. November 2004. Soweit der Beschwerdeführer ausdrücklich oder sinngemäss die Aufhebung oder Änderung des Urteils vom 16. September 2004 verlangt, kann darauf ebenso wenig eingetreten werden, zumal die Anfechtungsfrist gegen dieses Urteil längst abgelaufen ist.
1.3 Soweit der Beschwerdeführer "Parteibevorteilung" und Vorurteile der Aargauer Justiz bei der Behandlung von Scheidungen und unzulässige Beeinflussung durch einflussreiche Anwälte rügt, kommt er seiner Begründungspflicht im Sinne von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht hinreichend nach (BGE 130 I 258 E. 1.3 mit Hinweisen). Auf seine Beschwerde kann in diesen Punkten nicht eingetreten werden.
1.4 Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um eine Berichtigung des Ehescheidungsurteils vom 16. September 2004 im Sinne von § 281 Abs. 1 ZPO AG, indem die dort vorgesehene Verrechnung des güterrechtlichen Anspruchs der Beschwerdegegnerin mit dem Anspruch des Beschwerdeführers aus dem noch nicht erfolgten Hausverkauf gestrichen wurde. Der Beschwerdeführer rügt diese nachträgliche Änderung des Urteils als widerrechtlich und willkürlich. Er legt in seiner Laienbeschwerde mit hinreichender Deutlichkeit dar, dass er die Behauptung des Obergerichts, das Urteilsdispositiv sei unklar und deshalb von Amtes wegen zu korrigieren, als nicht vertretbar hält. Er erläutert, wie das Scheidungsurteil klarerweise zu verstehen sei, dass dieses auch in Verbindung mit der Begründung in keiner Weise widersprüchlich sei und daher eine Berichtigung durch Weglassen eines Absatzes nicht möglich sei. Die Beschwerde ist in diesem Punkt hinreichend begründet (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Der Beschwerdeführer hat ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids, weil die Berichtigung, wenn sie ungerechtfertigt ist, sein rechtlich geschütztes Vertrauen in die Beständigkeit des Scheidungsurteils verletzt. Auf die Beschwerde ist in diesem Punkt einzutreten.
2.
Gemäss § 280 ZPO ist der Richter grundsätzlich an das eröffnete Urteil gebunden. Ist es aber unklar, enthält es Schreib- oder Rechnungsfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten oder ist es unvollständig, dann wird es vom Richter, der es ausgefällt hat, von Amtes wegen oder auf Gesuch hin erläutert, berichtigt oder ergänzt (§ 281 Abs. 1 ZPO). Nach der (willkürfreien) Rechtsprechung des Kantons Aargau, wie sie vom Obergericht in seiner Vernehmlassung dargelegt wird, sind die Voraussetzungen für eine Erläuterung gegeben, wenn das Urteil unklar, zweideutig oder in sich widersprüchlich ist. Die Unklarheit kann sich u.a. aus einem Widerspruch zwischen Dispositiv und Urteilserwägungen ergeben, was zu einer Klarstellung bezüglich der Erwägungen oder des Dispositivs führen kann. Soweit aufgrund des Widerspruchs zwischen Urteilserwägungen und Dispositiv nicht bloss eine Klarstellung des Dispositivs genügt, sondern Letzteres aufgrund des Widerspruchs wegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit korrigiert werden muss, handelt es sich nicht mehr bloss um eine Erläuterung, sondern um eine Berichtigung des Urteils. Eine Berichtigung bezüglich des Dispositivs eines Urteils darf bei unzweideutigen blossen Schreib- oder Rechnungsfehlern sowie bei offensichtlichen Unrichtigkeiten erfolgen.
2.1 Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid ausgeführt, aus den Urteilserwägungen (E. 7a und E. 11 f.) ergebe sich, dass die Ansprüche der Parteien aus dem Verkauf der Liegenschaft aus der Auflösung ihres Gesamteigentums kraft einfacher Gesellschaft stammten. Solche Ansprüche aus der Auflösung einer einfachen Gesellschaft könnten zwar mit den güterrechtlichen Ansprüchen verrechnet werden, müssten es aber nicht, da keine Verrechnung von Gesetzes wegen gemäss Art. 215 Abs. 2 ZGB vorzunehmen sei. Die Formulierung im aufgehobenen Absatz des Dispositivs könnte zudem in Widerspruch zu den Urteilserwägungen so falsch verstanden werden, dass die Forderung der Beschwerdegegnerin aus Güterrecht bis zum Verkauf der Liegenschaft gestundet wäre. Die gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus der öffentlichen Versteigerung der Liegenschaft stünden nicht fest, solange diese nicht versteigert sei. Hingegen seien die gegenseitigen güterrechtlichen Ansprüche bereits mit der Rechtskraft des Urteils fällig. In diesem Sinn habe das Obergericht auch entschieden. Bei der Bestimmung über die Verrechnungsmöglichkeit handle es sich daher um ein redaktionelles Versehen, das zu berichtigen bzw. zu streichen sei.
Die Beschwerdegegnerin teilt diese Auffassung. Sie führt ergänzend aus, aus den Erwägungen 5, 7 und 11 des Scheidungsurteils ergebe sich, dass das Obergericht die Ansprüche aus der Auflösung der einfachen Gesellschaft und die güterrechtlichen Ansprüche getrennt behandelt habe. Insbesondere äussere sich das Scheidungsurteil in den Erwägungen nicht dazu, weshalb die Ansprüche aus Güterrecht mit denjenigen aus Gesellschaftsrecht zu verrechnen seien. Einer solchen Erläuterung der Verrechnung hätte es aber in jedem Fall bedurft, da die gesetzliche Verrechnung gemäss Art. 215 Abs. 2 ZGB vorliegend nicht zur Anwendung gelange, sondern die Verrechnung sich auf die allgemeinen Bestimmungen der Art. 120 ff. OR stütze und nicht von Gesetzes wegen eintrete.
2.2 Die Willkürrüge des Beschwerdeführers ist begründet.
2.2.1 Wird die Begründung des Urteils zunächst nicht mit berücksichtigt, ist das Dispositiv in Ziffer 3./8. des Scheidungsurteils vom 16. September 2004, soweit hier interessierend, klar: In lit. a wird verfügt, die im Gesamteigentum der Parteien stehende Liegenschaft werde versteigert und der Nettoerlös hälftig geteilt. In lit. c Abs. 1 wird verfügt, der Beschwerdeführer habe der Beschwerdegegnerin für die übrigen güterrechtlichen Ansprüche einen Betrag von Fr. 97'417.05 zu bezahlen. Und schliesslich enthält lit. c Abs. 2 die Anordnung, dieser güterrechtliche Anspruch der Beschwerdegegnerin werde mit dem Anspruch des Beschwerdeführers aus dem Liegenschaftsverkauf verrechnet. Mit der Streichung der Verrechenbarkeit wird das Scheidungsurteil erheblich zu Lasten des Beschwerdeführers materiell verändert, indem die Güterrechtsforderung nicht erst nach der Versteigerung, sondern bereits mit der Ausfällung des Scheidungsurteils fällig wird. Es mag sein, dass es sich gemäss lit. a um einen gesellschaftsrechtlichen und gemäss lit. c Abs. 1 um einen güterrechtlichen Anspruch handelt, welche Ansprüche nicht von Gesetzes wegen verrechenbar sind. Ebenso mag zutreffen, dass das Obergericht bei seinem Entscheid fälschlicherweise davon ausgegangen ist, es bestehe gemäss Art. 215 Abs. 2 ZGB bezüglich der beiden Forderungen ein Verrechnungsgebot. Wenn das Obergericht damit zum Ausdruck bringen will, dass die verfügte Verrechenbarkeit Art. 215 Abs. 2 ZGB widerspreche, dann hätte dies der Beschwerdegegnerin allenfalls Anlass geben können, das Scheidungsurteil beim Bundesgericht anzufechten, nicht aber, den Entscheid von Amtes wegen zu korrigieren, denn klar und eindeutig ist, dass die Verrechenbarkeit angeordnet worden ist. Das Obergericht räumt zudem selber ein, dass Ansprüche aus der Auflösung einer einfachen Gesellschaft mit den güterrechtlichen Ansprüchen verrechnet werden können, aber nicht von Gesetzes wegen müssen. Die Anordnung der Verrechnung, bzw. der Zahlungsaufschub bis zur Versteigerung der Liegenschaft ist insbesondere unter den Voraussetzungen von Art. 218 Abs. 1 ZGB gesetzlich vorgesehen. Auch der Streit um die Voraussetzungen von Art. 218 Abs. 1 ZGB hätte im Rechtsmittelverfahren gegen das Scheidungsurteil ausgetragen werden müssen. Das Dispositiv ist daher offensichtlich nicht unklar, noch enthält es eine offenbare Unrichtigkeit, selbst wenn es zur Folge haben könnte, dass die Güterrechtsforderung bis zur verfügten Versteigerung der Liegenschaft aufgeschoben worden ist.
2.2.2 Das Obergericht und die Beschwerdegegnerin sind weiter der Ansicht, das Dispositiv stehe im klaren Widerspruch zu den Urteilserwägungen. Den angerufenen Erwägungen Ziff. 5, 7 und 11 f. ist indessen nirgends zu entnehmen, dass die Güterrechtsforderung im Zeitpunkt des obergerichtlichen Urteils fällig werden müsse und eine Stundung bis zur Versteigerung der Liegenschaft ausgeschlossen sei. Ebenso wenig ist den Erwägungen ein Verrechnungsverbot zu entnehmen, selbst wenn das Obergericht die Ansprüche aus der Auflösung der einfachen Gesellschaft und die güterrechtlichen Ansprüche getrennt behandelt hat. Es trifft zwar zu, dass sich die Urteilserwägungen nicht zur Frage äussern, weshalb die Ansprüche aus Güterrecht mit den Ansprüchen aus Gesellschaftsrecht zu verrechnen sind. Darin liegt aber allenfalls ein Mangel in der Begründung des Scheidungsurteils, welcher im Rechtsmittelverfahren gegen dieses Urteil hätte gerügt werden müssen. Klarerweise liegt darin aber kein Widerspruch zum Dispositiv. Wenn sich die Beschwerdegegnerin in ihrer Vernehmlassung darüber beklagt, dass sie wegen des unrichtigen Dispositivs bis zur erfolgten Versteigerung der Liegenschaft auf die Auszahlung ihrer güterrechtlichen Ansprüche warten müsse, dann mag dies zutreffen und hätte - wie ausgeführt - allenfalls Anlass zum Ergreifen eines Rechtsmittels wegen Verletzung von Art. 215 Abs. 2 oder Art. 218 Abs. 1 ZGB gegeben, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Stundung die Verzinsung der Güterrechtsforderung nicht ausschliesst (vgl. Art. 218 Abs. 2 ZGB; Hausheer, Basler Kommentar, N. 4 und 13 zu Art. 218 ZGB; E. 9b des Scheidungsurteils). Ein Berichtigungsgrund gemäss § 281 ZPO ist deswegen aber offensichtlich nicht gegeben. Bei dieser Sachlage muss die staatsrechtliche Beschwerde gutgeheissen und der angefochtene Entscheid aufgehoben werden.
3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdegegnerin die Verfahrenskosten (Art. 156 Abs. 1 OG). Es ist keine Parteientschädigung zu sprechen (Art. 159 Abs. 1 und 2 und Art. 160 OG; Art. 2 des Tarifs über die Entschädigungen an die Gegenpartei für das Verfahren vor dem Bundesgericht vom 9. November 1978, SR 173.119.1).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf eingetreten werden kann, und das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 30. November 2004 wird aufgehoben.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. März 2005
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: