BGer I 18/2005
 
BGer I 18/2005 vom 08.07.2005
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
I 18/05
Urteil vom 8. Juli 2005
I. Kammer
Besetzung
Präsident Borella, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Meyer, Lustenberger und Ursprung; Gerichtsschreiber Lanz
Parteien
S.________, 1976, Beschwerdeführer, vertreten durch den Rechtsdienst für Behinderte, Schützenweg 10, 3014 Bern,
gegen
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern
(Entscheid vom 11. November 2004)
Sachverhalt:
A.
Der 1976 geborene S.________ begann im Jahr 1993 die Lehre zum Heizungsmonteur in der Firma B.________ AG. Anfang 1996 wurde die Ausbildung vorzeitig abgebrochen. S.________ war danach, unterbrochen von Phasen der Arbeitslosigkeit, in verschiedenen Betrieben unter anderem als Sprinklermonteur und Monteur/Bauisoleur im Innenausbau tätig. Im Mai 2002 meldete er sich unter Hinweis auf Rückenprobleme für berufliche Massnahmen bei der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle Bern gewährte Arbeitsvermittlung (Verfügung vom 24. Juli 2002). Hingegen verneinte sie gestützt auf medizinische und erwerbliche Abklärungen einen Anspruch auf Umschulung mangels einer invaliditätsbedingten Erwerbseinbusse (Verfügung vom 19. Mai 2003 und Einspracheentscheid vom 16. Januar 2004).
B.
Die von S.________ hiegegen erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Zusprechung einer Umschulung wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 11. November 2004 ab.
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ sein vorinstanzliches Rechtsbegehren erneuern.
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, ohne sich weiter zur Sache zu äussern. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Das kantonale Gericht hat intertemporalrechtlich korrekt (vgl. BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweisen, und seitherige Entscheide) erkannt, dass mit Blick auf das Datum des Einspracheentscheides (16. Januar 2004) die mit dem Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) am 1. Januar 2003 und im Rahmen der 4. IV-Revision am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Rechtsänderungen zu berücksichtigen sind.
2.
Wie die Vorinstanz weiter zutreffend erwogen hat und unbestritten ist, beurteilt sich der streitige Leistungsanspruch aufgrund der gegebenen Verhältnisse nicht nach den Regeln, welche für die erstmalige berufliche Ausbildung (und dieser gleichgestellte Sachverhalte) gelten (Art. 16 IVG in der seit Anfang 2004 geltenden Fassung), sondern unter dem Gesichtspunkt der Umschulung (und dieser gleichgestellten Sachverhalte; Art. 17 IVG in der seit Anfang 2004 geltenden Fassung).
Die Rechtsgrundlagen für diesen Leistungsanspruch sind im angefochtenen Entscheid, auf welchen verwiesen wird, richtig dargelegt. Es betrifft dies neben der besagten gesetzlichen Grundlage die diese konkretisierende Verordnungsbestimmung (Art. 6 IVV in der seit Anfang 2004 geltenden Fassung) sowie die von der Praxis unter Herrschaft des bis Ende 2003 in Kraft gestandenen Rechts entwickelten und, soweit hier von Interesse und geprüft, weiterhin anwendbaren Grundsätze. Letzteres gilt namentlich auch in Bezug auf die für den Umschulungsanspruch in der Regel vorausgesetzte invaliditätsbedingte Erwerbseinbusse von rund 20 % (BGE 124 V 110 f. Erw. 2b mit Hinweisen; vgl. auch BGE 130 V 489 Erw. 4.2). Bei diesem Erfordernis bleibt es gleichermassen nach der im Rahmen der 4. IV-Revision erfolgten Streichung des Begriffes "wesentlich" in Art. 17 Abs. 1 IVG (und Art. 6 Abs. 1 IVV). Die vorberatenden Kommissionen sind, wie den Protokollen zu entnehmen ist, nach eingehender Beratung zur Auffassung gelangt, dass damit keine materielle Änderung der Gerichtspraxis verbunden sein soll. Die Räte folgten dem Kommissionsantrag diskussionslos (Amtl. Bull. 2001 N 1933, 2002 S 756). In Anbetracht dieser Materialienlage besteht keine Veranlassung, von der bisherigen Rechtsprechung zum verlangten Mindestinvaliditätsgrad abzuweichen.
3.
Vor- und letztinstanzlich umstritten sind einzig die Vergleichseinkommen zur Bestimmung der für den Umschulungsanspruch vorausgesetzten invaliditätsbedingten Erwerbseinbusse.
3.1 Das kantonale Gericht hat das ohne invalidisierende Gesundheitsschädigung mutmasslich erzielte Einkommen (Valideneinkommen) ausgehend vom Lohn, den der Versicherte gemäss Angabe des Arbeitgebers in der zuletzt (von Juni 1998 bis November 2001) ausgeübten Tätigkeit als Monteur/Bauisoleur im Innenausbau im Jahr 2002 erzielt hätte, auf Fr. 52'650.- festgesetzt.
Der Versicherte lässt geltend machen, es sei auf den (höheren) Verdienst abzustellen, den er als Heizungsmonteur mit abgeschlossener Lehre und mindestens fünfjähriger Erfahrung in diesem Beruf erzielen würde. Zur Begründung wird angeführt, der Lehrabbruch im Jahr 1996 sei invaliditätsbedingt gewesen.
Zwar mögen beim damaligen Lehrabbruch auch gesundheitliche Gründe mitgespielt haben. Es handelte sich dabei aber nicht um das erst später relevant in Erscheinung getretene Rückenleiden, sondern - nebst ohnehin nur kurzfristigen Folgen eines Handbruches - um Gesundheitsstörungen im Bereich des linken Knies, welche in den Jahren 1995 und 1996 zu vorübergehenden Arbeitsunfähigkeiten führten, danach indessen gemäss den seitherigen Arztberichten die funktionelle Leistungsfähigkeit nicht mehr wesentlich beeinflussten und keine Invalidität zur Folge hatten. Damit entfällt auch die Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 2 IVV, welche Bestimmung den Anspruch auf eine neue berufliche Ausbildung bei invaliditätsbedingtem Abbruch einer erstmaligen beruflichen Ausbildung regelt. Der Beschwerdeführer hat sich zudem nach dem vorzeitigen Ende der Ausbildung über mehrere Jahre hinweg mit keine Berufslehre erfordernden Tätigkeiten begnügt, ohne dass Anzeichen bestünden, dass er sich in dieser Zeit um eine Fortsetzung der abgebrochenen oder aber den Antritt einer neuen Lehre bemüht hätte. Gesundheitliche Probleme vermögen dies nicht hinreichend zu erklären, übte doch der Versicherte in dieser Zeit körperlich anstrengende, namentlich auch nicht rückenschonende Arbeiten wie die eines Monteur/Bauisoleurs ohne wesentliche Beeinträchtigung aus. Die weiter als Grund für die unterlassene Ausbildung angeführte mangelnde Kenntnis der versicherungsrechtlichen Ansprüche vermag den Standpunkt des Beschwerdeführers ebenfalls nicht zu stützen. Gleiches gilt hinsichtlich des erst für das Jahr 2002 geltend gemachten Versuchs einer Weiterführung der damals begonnenen Lehre. Es bleibt somit bei dem von der Vorinstanz, auf deren Erwägungen im Übrigen verwiesen werden kann, festgesetzten Valideneinkommen von Fr. 52'650.-.
3.2 Nach Lage der medizinischen Akten sind dem Versicherten Arbeiten mit leichter bis mässiger körperlicher Belastung - wobei sporadisches Heben von Lasten mit einem Gewicht von 20 kg bei Einhalten der Rückenregeln möglich ist - und der Möglichkeit, die Körperposition regelmässig zu wechseln, uneingeschränkt zumutbar.
Mangels einer aktuell ausgeübten, die Restarbeitsfähigkeit ausschöpfenden Tätigkeit des Versicherten hat die Vorinstanz das trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung zumutbarerweise noch erzielbare Einkommen (Invalideneinkommen) anhand von statistischen Durchschnittslöhnen bestimmt. Sie ging vom monatlichen Bruttolohn (Zentralwert bei einer standardisierten Arbeitszeit von 40 Wochenstunden) der mit einfachen und repetitiven Arbeiten (Anforderungsniveau 4) im gesamten privaten Sektor beschäftigten Männer im Jahr 2002 von Fr. 4557.- (LSE 2002, S. 43 Tabelle TA1) aus und rechnete diesen Wert auf die betriebsübliche Wochenarbeitszeit im Jahr 2002 von 41,7 Stunden (Die Volkswirtschaft, Heft 12/2004, S. 94 Tabelle B 9) um, was zu einem Jahreseinkommen (x 12) von Fr. 57'008.- führt. Die Gegenüberstellung mit dem Valideneinkommen von Fr. 52'650.- ergibt keine Erwerbseinbusse.
Das dargelegte Vorgehen des kantonalen Gerichts entspricht in allen Teilen den rechtsprechungsgemässen Grundsätzen (BGE 126 V 75 ff.). Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgetragen wird, führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Geltend gemacht wird einzig, von dem mittels Tabellenlöhnen bestimmten Invalideneinkommen sei ein leidensbedingter Abzug von 10 % vorzunehmen. Ob dies gerechtfertigt wäre, kann dahingestellt bleiben, da die invaliditätsbedingte Erwerbseinbusse selbst mit einer solchen Herabsetzung des Invalidenlohns deutlich unter 20 % liegt, was den Anspruch auf Umschulung ausschliesst.
Einsprache- und angefochtener Entscheid sind somit rechtens.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse Zürcher Arbeitgeber und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 8. Juli 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der I. Kammer: Der Gerichtsschreiber: