BGer 4C.387/2005 |
BGer 4C.387/2005 vom 30.01.2006 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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4C.387/2005 /sza
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Urteil vom 30. Januar 2006
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I. Zivilabteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Corboz, Präsident,
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Bundesrichterinnen Klett, Kiss,
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Gerichtsschreiber Arroyo.
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Parteien
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X.________,
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Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Franz Szolansky,
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gegen
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Y.________,
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Beklagten und Berufungsbeklagten, vertreten durch Advokat Tobias Treyer.
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Gegenstand
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Kaufvertrag; absichtliche Täuschung; Bürgschaftsvertrag,
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Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung, vom 27. September 2005.
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Sachverhalt:
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A.
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Mit Vertrag vom 4. Dezember 2001 verkaufte Y.________ (Beklagter und Berufungsbeklagter) alle 100 Inhaberaktien der A.________ SA, zu einem Preis von Fr. 1'250'000.-- an die B.________ AG, welche in der Folge in C.________ AG in Liquidation umfirmierte und ihren Sitz nach D.________ verlegte. Ebenfalls am 4. Dezember 2001 schlossen die Parteien des Kaufvertrags eine "Dritte Zusatzvereinbarung", wonach die Käuferin Warenzeichenanmeldungen und das Copyright an allen bestehenden Produktkonzepten zum Preis von Fr. 600'000.-- erwarb. Nach Ziffer 2 dieser Zusatzvereinbarung sollte die Zahlung in monatlichen Raten à Fr. 20'000.-- erfolgen, erstmals am 1. März 2002. Die Bezahlung sollte durch die Käuferin gesichert werden mit einer Bürgschaft von X.________ (Kläger und Berufungskläger) über die Gesamtsumme. In der öffentlich beurkundeten Solidarbürgschaft vom 13. Dezember 2001 verbürgte sich der Kläger als Solidarbürge für die Bezahlung der Forderung aus der dritten Zusatzvereinbarung bis zum Höchstbetrag von Fr. 600'000.--. Ausserdem verpflichtete er sich zur Bezahlung der gesamten Restschuld innert 10 Tagen für den Fall, dass die Hauptschuldnerin mit einer Teilzahlung in Verzug geraten sollte.
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B.
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Die erste Teilzahlungsrate aus der dritten Zusatzvereinbarung zum Kaufvertrag vom 4. Dezember 2001 mit Fälligkeit am 1. März 2002 wurde von der Hauptschuldnerin nicht beglichen. Der Beklagte setzte darauf die Bürgschaftsforderung von Fr. 600'000.-- gegen den Kläger in Betreibung, wogegen dieser Rechtsvorschlag erhob. Mit Verfügung vom 6. Januar 2003 erteilte der Kantonsgerichtspräsident Zug dem Beklagten in der Betreibung Nr. ___1/2002 des Betreibungsamtes Zug provisorische Rechtsöffnung für Fr. 600'000.-- nebst Zins zu 5 % seit 13. März 2002. Der Rechtsöffnungsrichter hielt die Einwendungen des Klägers gegen Bestand und Höhe der Hauptschuld für nicht glaubhaft gemacht; er liess offen, ob die vom Kläger geltend gemachten Mängel aller Wahrscheinlichkeit nach vorlägen, da der Kläger bzw. die Hauptschuldnerin die behaupteten Mängel nicht rechtzeitig gerügt habe. Der Kläger erhob am 27. Januar 2003 beim Kantonsgericht Zug fristgerecht Aberkennungsklage. Das Kantonsgericht des Kantons Zug wies die Klage mit Urteil vom 6. Mai 2004 ab.
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C.
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Mit Urteil vom 27. September 2005 wies das Obergericht des Kantons Zug die dagegen erhobene Berufung des Klägers ab und bestätigte das Urteil des Kantonsgerichts vom 6. Mai 2004. Das Obergericht stellte zunächst fest, dass das formgültige Zustandekommen der Solidarbürgschaft vom 13. Dezember 2001 unbestritten sei. Die Einreden des Klägers gegen die Hauptschuld erachtete das Obergericht für unbegründet. Es ging zunächst davon aus, dass dem Kläger Einreden gegen den Aktienkaufvertrag über Fr. 1'250'000.-- nicht zuständen, da die verbürgte Schuld aus der Zusatzvereinbarung nicht akzessorisch sei; ausserdem erwog das Gericht, dass die Behauptung, der Kaufvertrag und die Zusatzvereinbarung seien vom Beklagten nicht erfüllt worden, prozessual unzulässig und eventuell wegen Vorleistungspflicht der Käuferin ohnehin unbegründet sei. Die behauptete absichtliche Täuschung hielt das Gericht zufolge Genehmigung für unerheblich und verwarf sodann die Verrechnungseinrede mit der Begründung, ein allfälliger Minderungsanspruch - den der Kläger zu Verrechnung stellen könnte - bestehe nicht, weil die Mängelrüge zu spät erhoben worden sei.
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D.
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Gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug hat der Kläger sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch eidgenössische Berufung eingereicht. In der Berufung stellt er die Anträge, das angefochtene Urteil vom 27. September 2005 sei aufzuheben; es sei festzustellen, dass die beim Betreibungsamt Zug mit der Nr. ___1/2002 in Betreibung gesetzte Forderung über Fr. 600'000.-- samt Zins nicht bestehe; eventualiter sei das Verfahren zu neuem Entscheid nach durchgeführtem Beweisverfahren an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er rügt zunächst, die Vorinstanz habe sich in bundesrechtswidriger Weise nicht mit der Frage befasst, ob der Bürgschaftsvertrag zu Folge der berechtigten Geltendmachung eines Willensmangels für den Bürgen unverbindlich sei; als Verletzung von Art. 203 OR rügt er sodann, dass die Vorinstanz bei Anwendbarkeit dieser Bestimmung eine Beschränkung der Gewährleistung wegen verspäteter Mängelrüge annehme; als Verletzung von Art. 8 ZGB rügt er schliesslich, dass seine Beweisanträge zu den Behauptungen der vom Beklagten unterlassenen Abschreibungen, der nicht periodengerechten Verbuchungen der Gewinne sowie der vom Beklagten wider besseres Wissen abgegebenen Zusicherungen des Eigentums an den Produktionsmitteln nicht abgenommen worden seien.
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E.
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Der Beklagte beantragt in der Antwort, es sei die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen. Ausserdem stellt er das Begehren, der Kläger sei zu verpflichten, die Parteientschädigung zugunsten des Beklagten sicherzustellen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Der Beklagte hat die Antwort bereits eingereicht, womit ihm die Parteikosten schon erwachsen sind. Sein Sicherstellungsbegehren wird daher gegenstandslos (BGE 118 II 87 E. 2 mit Hinweis).
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2.
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Das Bundesgericht verlangt in ständiger Rechtsprechung die Bezifferung der Geldsumme, zu deren Zahlung die Gegenpartei verpflichtet werden soll. Anträge auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz sind im Verfahren der Berufung grundsätzlich ungenügend und haben das Nichteintreten auf das Rechtsmittel zur Folge. Immerhin ist ein Rückweisungsantrag zulässig - und auch allein angezeigt -, wenn das Bundesgericht im Falle der Gutheissung ohnehin in der Sache nicht selbst entscheiden könnte, weil die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz fehlen (BGE 125 III 412 E. 1b S. 414 mit Verweisen; BGE 130 III 136 E. 1.2). Dies trifft hier zu, hat doch die Vorinstanz keine tatsächlichen Feststellungen über die vom Kläger behauptete Täuschung durch den Beklagten getroffen. Im Falle einer Gutheissung der Berufung kommt allein die Rückweisung im Sinne des Eventualantrags des Klägers in Betracht.
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3.
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Der Kläger rügt eine Verletzung von Art. 23 ff. OR in Bezug auf den Bürgschaftsvertrag.
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3.1 Die Vorinstanz hat festgehalten, die Einreden und Einwendungen, die der Bürge aus dem Bürgschaftsvertrag mit dem Gläubiger oder aus dem Gesetz hat (wie etwa Willensmängel beim Vertragsschluss oder die Verrechnung mit einer Forderung des Bürgen), seien in Art. 502 OR nicht geregelt. Sie hat das Vorbringen des Klägers vor erster Instanz erwähnt, wonach er die Solidarbürgschaft nur eingegangen sei, weil er sich aufgrund einer absichtlichen Täuschung über den Wert der A.________ SA geirrt habe. Wenn der Kläger behauptet, die Vorinstanz habe seine Behauptung nicht geprüft, die Bürgschaft sei als eigenständiger Vertrag auf Grund der absichtlichen Täuschung und zufolge ausdrücklicher und rechtzeitiger Ungültigerklärung nach Art. 28 i.V.m. Art. 31 OR ungültig, so trifft dies nicht zu.
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3.2 Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid festgestellt, dass auch der Kläger dem Beklagten sofort am 3. April 2002 die Mängel der Unternehmung, die Bilanzmanipulationen und die Täuschung mitgeteilt habe. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat der Kläger nach seiner eigenen Behauptung die Zahlungen verweigert mit der Begründung, die Käuferin habe den Kaufpreis gemindert und er habe Verrechnung erklärt. Die Vorinstanz hat daraus abgeleitet, der Kläger habe damit den Vertrag (d.h. die Bürgschaft) genehmigt. Die Rüge des Klägers entbehrt unbesehen ihrer Zulässigkeit der Grundlage.
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4.
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Der Kläger rügt, die Vorinstanz habe Art. 197 ff. OR (insbesondere Art. 203 OR) verletzt, indem sie die von ihm zur Verrechnung gestellte Forderung aus einem Minderungsanspruch der Hauptschuldnerin abwies.
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4.1 Nach Art. 201 Abs. 1 OR soll der Käufer, sobald es nach dem üblichen Geschäftsgang tunlich ist, die Beschaffenheit der empfangenen Sache prüfen und, falls sich Mängel ergeben, für die der Verkäufer Gewähr zu leisten hat, diesem sofort Anzeige machen. Versäumt dieses der Käufer, so gilt die gekaufte Sache gemäss Art. 201 Abs. 2 OR als genehmigt, soweit es sich nicht um Mängel handelt, die bei der übungsgemässen Untersuchung nicht erkennbar waren. Nach Art. 203 OR findet allerdings bei einer absichtlichen Täuschung des Käufers durch den Verkäufer eine Beschränkung der Gewährleistung wegen versäumter Anzeige nicht statt. Der arglistig täuschende Verkäufer verdient keinen besonderen Rechtsschutz, weshalb er sowohl bei den Voraussetzungen der Sachgewährleistung wie bei der Haftung strenger als der redliche Verkäufer behandelt wird. Der arglistig täuschende Verkäufer verliert sämtliche Vorteile, die ihm die Sachgewährleistungsregeln einräumen, während der Käufer seine Wahlmöglichkeiten behält (vgl. Hürlimann-Kaup, Art. 28 OR und kaufrechtliche Sachgewährleistung bei absichtlicher Täuschung des Käufers, ZBJV 2002, S. 146 f.). Die Täuschung beschränkt sich nicht auf den Fall, dass der Verkäufer den Käufer durch Täuschung an der rechtzeitigen Untersuchung und Rüge gehindert hat (Honsell, Basler Kommentar, N 1 zu Art. 203 OR). Bei einer absichtlichen Täuschung über Mängel oder Eigenschaften tritt vielmehr die Fiktion der Genehmigung trotz unterlassener Prüfung und Anzeige nicht ein (Tercier, Les contrats spéciaux, 3. Aufl., 2003, N 689 f.; Honsell, a.a.O., N 2 zu Art. 203 OR; Guhl/Koller, Das schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl., 2000, § 42 N 31/55; Engel, Contrats de droit suisse, 2. Aufl., 2000, S. 39; Venturi, Commentaire Romand, N 4 zu Art. 203 CO).
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4.2 Die Vorinstanz ging unter Verweis auf die Erwägungen des Kantonsgerichts davon aus, dass die allenfalls am 3. April 2002 mündlich (respektive am 18. bzw. 20. August 2002 schriftlich) erklärte Mängelrüge verspätet erfolgte, weshalb die gekaufte Sache gemäss Art. 201 Abs. 2 OR als genehmigt zu geltend habe. Die erste Instanz hatte ausgeführt, dass der Kläger eine absichtliche Täuschung der C.________ AG im Zusammenhang mit dem Abschluss des Kaufvertrages vom 4. Dezember 2001 nicht nachgewiesen hatte, weshalb sich die Rechtzeitigkeit der Mängelrüge nach Art. 201 Abs. 1 OR beurteile. Die Vorinstanz hat jedoch die vom Kläger geltend gemachte absichtliche Täuschung offen gelassen mit der Begründung, der Aktienkaufvertrag vom 4. Dezember 2001 sei in Bezug auf allfällige Willensmängel mit der Geltendmachung von Ansprüchen aus Sachgewährleistung genehmigt worden. Sie hat zwar (implizit) festgehalten, der Kläger könnte den zur Verrechnung gestellten Minderungsanspruch der Hauptschuldnerin bezüglich des für die Aktien der A.________ SA bereits bezahlten Kaufpreises von Fr. 1'250'000.-- grundsätzlich beanspruchen. Sie hat jedoch diesen Minderungsanspruch mit der Begründung verneint, die Mängelrüge sei zu spät erfolgt. Sie hat auch in diesem Zusammenhang die Vorbringen des Klägers als unerheblich erachtet, wonach er (bzw. die Hauptschuldnerin und Käuferin) beim Abschluss des Kaufvertrages vom Beklagten getäuscht worden seien.
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4.3 Die Vorinstanz hat Art. 203 OR verletzt, indem sie die behauptete Verrechnungsforderung des Klägers mit der Begründung abwies, die Mängelrüge sei verspätet erfolgt. Denn der Vertrag gilt im Sinne von Art. 201 Abs. 2 OR nur als genehmigt, wenn keine absichtliche Täuschung im Sinne von Art. 203 OR vorliegt. Die vom Kläger behauptete Täuschung (Art. 28 OR) kann entgegen der Erwägung der Vorinstanz im angefochtenen Urteil nicht nur zur Unverbindlichkeit des Vertrages führen, die hier zufolge sinngemässer Genehmigung in der Tat nicht mehr in Betracht fällt (vgl. BGE 127 III 83 E. 1b sowie Urteil 4C.326/2002 E. 3.1 vom 7. Februar 2003, Pra 2003 Nr. 211). Die (behauptete) Täuschung hat vielmehr im Rahmen der Sachgewährleistung ausserdem zur Folge, dass der Käufer nicht gehalten ist, die Mängelrüge bei Gefahr der Genehmigungsfiktion innert tunlicher Frist zu erheben. Dies hat die Vorinstanz verkannt, indem sie die für den zur Verrechnung gestellten Minderungsanspruch erforderliche Mängelrüge als verspätet und den Kaufvertrag im Sinne von Art. 201 Abs. 2 OR genehmigt ansah. Die Rüge des Klägers ist berechtigt, dass im Falle der Täuschung die Genehmigungsfiktion gemäss Art. 203 OR nicht gilt.
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4.4 Die Vorinstanz hat die Vorbringen des Klägers über die behauptete Täuschung bundesrechtswidrig als unerheblich erachtet. Da die Vorinstanz ausdrücklich feststellte, dass der Kläger Behauptungen zur Täuschung durch den Beklagten aufgestellt bzw. die gegenteiligen Feststellungen der ersten Instanz kritisiert hatte, hat sie Art. 203 OR verletzt, indem sie keine tatsächlichen Feststellungen über die behauptete Täuschung traf. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Sache im Sinne des Eventualantrags des Klägers zur Ergänzung des rechtserheblichen Sachverhalts zurückzuweisen. Die Vorinstanz wird zu beurteilen haben, ob der Kläger bzw. die Hauptschuldnerin vom Beklagten arglistig getäuscht worden ist und wird gegebenenfalls den zur Verrechnung gestellten Minderungsanspruch zu berücksichtigen haben.
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5.
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Die Berufung ist im Sinne des Eventualantrags des Klägers gutzuheissen und die Sache an die Vorinstanz zur Ergänzung der rechtserheblichen Tatsachenfeststellungen zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist die Gerichtsgebühr dem Beklagten zu auferlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Dieser hat dem obsiegenden Kläger die Parteikosten zu ersetzen (Art. 159 Abs. 2 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 27. September 2005 wird aufgehoben und die Sache wird gestützt auf Art. 64 Abs. 1 OG zur Ergänzung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 8'500.-- wird dem Beklagten auferlegt.
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3.
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Der Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 9'500.-- zu entschädigen.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 30. Januar 2006
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Im Namen der I. Zivilabteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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