BGer 4P.301/2005
 
BGer 4P.301/2005 vom 30.01.2006
Tribunale federale
{T 0/2}
4P.301/2005 /sza
Urteil vom 30. Januar 2006
I. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Kiss,
Gerichtsschreiber Arroyo.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Franz Szolansky,
gegen
Y.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch Advokat Tobias Treyer,
Obergericht des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung, Postfach 760, 6301 Zug.
Gegenstand
Art. 9 und 29 Abs. 2 BV (Zivilprozess),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung, vom 27. September 2005.
Sachverhalt:
A.
Mit Vertrag vom 4. Dezember 2001 verkaufte Y.________ (Beschwerdegegner) alle 100 Inhaberaktien der A.________ SA, zu einem Preis von Fr. 1'250'000.-- an die B.________ AG, welche in der Folge in C.________ AG in Liquidation umfirmierte und ihren Sitz nach D.________ verlegte. Ebenfalls am 4. Dezember 2001 schlossen die Parteien des Kaufvertrags eine "Dritte Zusatzvereinbarung", wonach die Käuferin Warenzeichenanmeldungen und das Copyright an allen bestehenden Produktkonzepten zum Preis von Fr. 600'000.-- erwarb. Nach Ziffer 2 dieser Zusatzvereinbarung sollte die Zahlung in monatlichen Raten à Fr. 20'000.-- erfolgen, erstmals am 1. März 2002. Die Bezahlung sollte durch die Käuferin gesichert werden mit einer Bürgschaft von X.________ (Beschwerdeführer) über die Gesamtsumme. In der öffentlich beurkundeten Solidarbürgschaft vom 13. Dezember 2001 verbürgte sich der Beschwerdeführer als Solidarbürge für die Bezahlung der Forderung aus der dritten Zusatzvereinbarung bis zum Höchstbetrag von Fr. 600'000.--. Ausserdem verpflichtete er sich zur Bezahlung der gesamten Restschuld innert 10 Tagen für den Fall, dass die Hauptschuldnerin mit einer Teilzahlung in Verzug geraten sollte.
B.
Die erste Teilzahlungsrate aus der dritten Zusatzvereinbarung zum Kaufvertrag vom 4. Dezember 2001 mit Fälligkeit am 1. März 2002 wurde von der Hauptschuldnerin nicht beglichen. Der Beschwerdegegner setzte darauf die Bürgschaftsforderung von Fr. 600'000.-- gegen den Beschwerdeführer in Betreibung, wogegen dieser Rechtsvorschlag erhob. Mit Verfügung vom 6. Januar 2003 erteilte der Kantonsgerichtspräsident Zug dem Beschwerdegegner in der Betreibung Nr. ___1/2002 des Betreibungsamtes Zug provisorische Rechtsöffnung für Fr. 600'000.-- nebst Zins zu 5 % seit 13. März 2002. Der Rechtsöffnungsrichter hielt die Einwendungen des Beschwerdeführers gegen Bestand und Höhe der Hauptschuld für nicht glaubhaft gemacht; er liess offen, ob die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Mängel aller Wahrscheinlichkeit nach vorlägen, da der Beschwerdeführer bzw. die Hauptschuldnerin die behaupteten Mängel nicht rechtzeitig gerügt habe. Der Beschwerdeführer erhob am 27. Januar 2003 beim Kantonsgericht Zug fristgerecht Aberkennungsklage. Das Kantonsgericht des Kantons Zug wies die Klage mit Urteil vom 6. Mai 2004 ab.
C.
Mit Urteil vom 27. September 2005 wies das Obergericht des Kantons Zug die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers ab und bestätigte das Urteil des Kantonsgerichts vom 6. Mai 2004. Das Obergericht stellte zunächst fest, dass das formgültige Zustandekommen der Solidarbürgschaft vom 13. Dezember 2001 unbestritten sei. Die Einreden des Beschwerdeführers gegen die Hauptschuld erachtete das Obergericht für unbegründet. Es ging zunächst davon aus, dass dem Beschwerdeführer Einreden gegen den Aktienkaufvertrag über Fr. 1'250'000.-- nicht zuständen, da die verbürgte Schuld aus der Zusatzvereinbarung nicht akzessorisch sei; ausserdem erwog das Gericht, dass die Behauptung, der Kaufvertrag und die Zusatzvereinbarung seien vom Beschwerdegegner nicht erfüllt worden, prozessual unzulässig und eventuell wegen Vorleistungspflicht der Käuferin ohnehin unbegründet sei. Die behauptete absichtliche Täuschung hielt das Gericht zufolge Genehmigung für unerheblich und verwarf sodann die Verrechnungseinrede mit der Begründung, ein allfälliger Minderungsanspruch - den der Beschwerdeführer zur Verrechnung stellen könnte - bestehe nicht, weil die Mängelrüge zu spät erhoben worden sei.
D.
Gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug hat der Beschwerdeführer sowohl eidgenössische Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. In der staatsrechtlichen Beschwerde stellt er das Begehren, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug sei aufzuheben und die Sache sei zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die "Vorinstanz" zurückzuweisen. Er rügt als Verweigerung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren, dass ihm das Recht auf Vertretung und Verbeiständung verweigert worden sei, seine Vorbringen in der Berufungsverhandlung unbeachtet geblieben seien, der Entscheid mangelhaft begründet und ihm keine Gelegenheit zum Vorbringen seiner Beweismittel gegeben worden sei. Ausserdem rügt er eine willkürliche Anwendung des kantonalen Prozessrechts und eine willkürliche Beweiswürdigung bzw. eine Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts.
E.
Der Beschwerdegegner stellt in der Vernehmlassung die Begehren, es sei die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 27. September 2005 zu bestätigen. Ausserdem beantragt er, es sei der Beschwerdeführer zur Sicherstellung einer allfälligen Parteientschädigung zu verpflichten.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdegegner hat die Vernehmlassung bereits eingereicht, womit ihm die Parteikosten schon entstanden sind. Sein Sicherstellungsbegehren wird daher gegenstandslos (BGE 118 II 87 E. 2 mit Hinweis).
2.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist - von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen - kassatorischer Natur (BGE 129 I 129 E. 1.2.1 mit Hinweisen). Die über die Aufhebung des angefochtenen Entscheides hinausgehenden Anträge sind unzulässig; dies gilt auch für die Anträge in der Vernehmlassung, soweit damit mehr verlangt wird als Nichteintreten auf die Beschwerde oder deren Abweisung. Im Übrigen ist die Beschwerde gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid (§§ 200/208 ZPO ZG) gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. a OG wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte zulässig.
3.
Nach Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör.
3.1 Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt sich grundsätzlich die Möglichkeit des Beizugs eines Rechtsvertreters (BGE 119 Ia 260 E. 6a S. 126; 105 Ia 288 E. 2b). Allerdings verdient eine missbräuchliche Berufung auf die Verteidigungsrechte selbst bei einer notwendigen (Straf-)Verteidigung keinen Schutz (BGE 131 I 185 E. 3.2.4 S. 192). Nach der eigenen Darstellung des Beschwerdeführers wurden die Parteien am 23. August 2005 und damit rechtzeitig zur Berufungsverhandlung auf den 27. September 2005 vorgeladen (vgl. BGE 131 I 185 E. 2.1 S. 187). Der damalige Rechtsvertreter des Beschwerdeführers teilte dem Obergericht am Vormittag des 26. Septembers 2005 mit, dass er mangels Bezahlung des Kostenvorschusses das Mandat niedergelegt hatte und ersuchte um Verschiebung der auf den folgenden Tag angesetzten Verhandlung. Ein solches Verhalten ist rechtsmissbräuchlich. Der Beschwerdeführer hätte die Möglichkeit gehabt, seine Rechtsvertretung rechtzeitig zu bestellen; er hat es seinem eigenen Verhalten zuzuschreiben, wenn er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machte.
3.2 Aus dem Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs hat die Praxis die Pflicht zur Protokollierung von Gerichtsverhandlungen abgeleitet, wobei sich allerdings das Protokoll auf die für die Entscheidfindung im konkreten Fall wesentlichen Punkte beschränken kann (BGE 130 II 473 E. 4.3 S. 478). Der Beschwerde ist weder zu entnehmen, inwiefern der angerufene § 71 Abs. 1 Satz GOG darüber hinausgehende Rechte gewährleisten sollte noch benennt der Beschwerdeführer für die Entscheidfindung im konkreten Fall wesentliche Vorbringen, die hätten protokolliert werden müssen.
3.3 Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nicht, dass sich die entscheidende Behörde zu jedem einzelnen Vorbringen einer Partei äussert; vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 126 I 97 E. 2b S. 103 mit Verweisen). Der Rüge mangelhafter Entscheidbegründung ist nicht zu entnehmen, mit welchen Vorbringen des Beschwerdeführers sich das Obergericht im angefochtenen Entscheid nicht auseinandergesetzt hätte, obwohl sie für den Entscheid erheblich sein sollten.
3.4 Die entscheidende Behörde verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht, wenn sie in vorweggenommener Würdigung beantragter Beweise ohne Willkür zum Schluss gelangt, diese vermöchten am Entscheid nichts zu ändern, weil sie beweisuntauglich oder rechtlich unerheblich sind (BGE 117 Ia 262 E. 4b; 115 Ia 97 E. 5b S. 101 mit Verweisen). Das Obergericht hat die zum Vorbringen der absichtlichen Täuschung angerufenen Beweismittel als unerheblich erachtet. Mit der Nichtabnahme von Beweisen zu unerheblichen Tatsachen hat es den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
3.5 Die Rüge der Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV ist unbegründet, soweit sie überhaupt den Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügt.
4.
Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Beweiswürdigung bzw. eine willkürliche Auslegung von § 56 ZPO ZG (Beweiswürdigung), § 94 Abs. 2 ZPO ZG (Vorbereitung des Beweisverfahrens), § 152 Abs. 1 ZPO ZG (Ablehnung von Beweisanträgen) und § 206 ZPO (Beweisverfahren). Der Beschwerdeführer führt dazu aus, das Obergericht habe die Frage der absichtlichen Täuschung in Verletzung von Bundeszivilrecht als unerheblich betrachtet und sich daher soweit ersichtlich nicht ausdrücklich dazu geäussert, ob es die behauptete absichtliche Täuschung als bewiesen oder unbewiesen betrachtet hätte. Inwiefern das Obergericht in Willkür verfallen sein sollte, wenn es unerhebliche Tatsachen nicht festgestellt bzw. Beweise zu unerheblichen Tatsachen nicht erhoben und gewürdigt hat, ist weder dargetan noch ersichtlich. Im Übrigen steht für die Rügen der Bundesrechtsverletzung sowie der Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts vorliegend die Berufung zur Verfügung, weshalb auf entsprechende Vorbringen nicht einzutreten ist (Art. 84 Abs. 2 OG).
5.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist unbegründet, soweit darauf überhaupt einzutreten ist. Die Gerichtsgebühr ist dem Beschwerdeführer zu auferlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Er hat überdies dem anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner die Parteikosten für das vorliegende Verfahren zu ersetzen (Art. 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 8'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 9'500.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 30. Januar 2006
Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: