BGer 2A.476/2005 |
BGer 2A.476/2005 vom 09.05.2006 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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2A.476/2005 /leb
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Urteil vom 9. Mai 2006
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II. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Merkli, Präsident,
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Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
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Gerichtsschreiber Klopfenstein.
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Parteien
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A.________,
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B.________,
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Beschwerdeführer,
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beide vertreten durch lic.iur Bernhard Jüsi,
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gegen
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Regierungsrat des Kantons Zürich,
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Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich,
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Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, Militärstrasse 36, Postfach, 8090 Zürich.
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Gegenstand
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Aufenthalts-/Niederlassungsbewilligung, Familiennachzug,
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Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich
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vom 22. Juni 2005.
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Sachverhalt:
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A.
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Der aus der Türkei stammende A.________ (geb. 1958) lebt seit 1988 in der Schweiz, wo er infolge Heirat mit der Schweizer Bürgerin C.________ (geb. 1931) im Mai 1995 das Schweizer Bürgerrecht erhielt. Während dieser Ehe zeugte A.________ mit seiner früheren türkischen Ehefrau D.________ den Sohn B.________ (geb. 1993). Nach eigener Darstellung tat er dies mit dem Einverständnis seiner schweizerischen Ehegattin. Am 15. Oktober 1996 wurde die Ehe A.________-C.________ geschieden. Nachdem A.________ zwischen 1998 und 2000 mit der türkischen Landsfrau E.________ kinderlos verheiratet gewesen war (Scheidung am 16. November 2000), ehelichte er am 17. August 2001 in X.________ die ebenfalls aus der Türkei stammende F.________ (geb. 1976). Mit Urteil eines türkischen Zivilgerichts vom 13. November 2001 wurde das Sorgerecht für den Sohn B.________ auf A.________ übertragen. Das Kind verblieb aber bei seiner Mutter in der Türkei.
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B.
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Am 10. Januar 2002 stellte A.________ ein Gesuch um Einreisebewilligung für seinen Sohn B.________. Mit Verfügung vom 12. April 2002 wies das Migrationsamt des Kantons Zürich dieses Gesuch im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Sohn B.________ sei in der Türkei geboren worden und lebe auch heute noch dort; der Vater könne keine enge Beziehungen zu seinem Sohn geltend machen. Den Rekurs gegen diese Verfügung wies der Regierungsrat des Kantons Zürich am 11. Dezember 2002 ab.
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C.
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Im Juli 2004 stellte A.________ beim Migrationsamt des Kantons Zürich ein neues Gesuch um Erteilung der Aufenthaltsbewilligung für seinen Sohn B.________, der sich mit einem Besuchervisum bereits in der Schweiz aufhielt. Mit Verfügung vom 2. September 2004 trat das Migrationsamt auf dieses Gesuch nicht ein, im Wesentlichen mit der Begründung, die Umstände hätten sich seit dem Rekursentscheid des Regierungsrates nicht wesentlich verändert. Gleichzeitig hielt das Amt fest, B.________ sei nach Ablauf der Gültigkeitsdauer seines Besuchervisums zur Ausreise verpflichtet.
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Ein hiegegen erhobener Rekurs beim Regierungsrat des Kantons Zürich blieb erfolglos, und am 22. Juni 2005 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich eine gegen den regierungsrätlichen Beschluss vom 8. Dezember 2004 erhobene Beschwerde ebenfalls ab.
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D.
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Mit gemeinsamer Eingabe vom 5. August 2005 führen A.________ und B.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit den Anträgen, den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 22. Juni 2005 aufzuheben und die Direktion für Soziales und Sicherheit des Kantons Zürich anzuweisen, auf das Familiennachzugsgesuch einzutreten und dieses materiell zu entscheiden.
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Die Staatskanzlei des Kantons Zürich beantragt - für den Regierungsrat - Abweisung der Beschwerde. Denselben Antrag stellen das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich und das Bundesamt für Migration.
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E.
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Mit Verfügung vom 7. November 2005 entsprach der Abteilungspräsident einem Sistierungsgesuch der Beschwerdeführer bis längstens zum 8. Mai 2006, nachdem diese dem Bundesgericht mitgeteilt hatten, für B.________ sei beim Bundesamt für Migration ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung hängig.
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Mit Eingabe vom 21. Dezember 2005 teilten die Beschwerdeführer dem Bundesgericht mit, das Bundesamt für Migration habe ihnen mit Schreiben vom 30. November 2005 eröffnet, es trete auf das Einbürgerungsgesuch nicht ein. Daraufhin nahm der Abteilungspräsident am 22. Dezember 2005 das Beschwerdeverfahren wieder auf. Ein weiteres Sistierungsgesuch der Beschwerdeführer wies er mit Verfügung vom 6. März 2006 ab.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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1.1 Nach Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiet der Fremdenpolizei ausgeschlossen gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt.
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Ledige ausländische Kinder unter 18 Jahren von Schweizer Bürgern haben gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in Analogie zu Art. 17 Abs. 2 ANAG Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammen wohnen (BGE 118 Ib 153; 129 I 249 E. 1.2 S. 252). Ferner garantieren Art. 8 EMRK und Art. 13 BV den Schutz des Familienlebens; gestützt darauf ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des um die fremdenpolizeiliche Bewilligung ersuchenden Ausländers oder seiner hier anwesenden nahen Verwandten zulässig, wenn diese über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht in der Schweiz verfügen und die familiäre Beziehung tatsächlich gelebt wird und intakt ist (BGE 109 Ib 183; 127 II 60 E. 1d/aa S. 64 f., mit Hinweisen).
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Der Beschwerdeführer ist Schweizer Bürger. Er hat nach dem Gesagten einen grundsätzlichen Anspruch auf den Nachzug seines demnächst 13 Jahre alten Sohnes (vgl. BGE 129 II 11 ff. und 126 II 329 ff.) Insofern geht es um eine Angelegenheit des Bundesverwaltungsrechts, welche gemäss Art. 97 ff. OG Gegenstand einer eidgenössischen Verwaltungsgerichtsbeschwerde bilden kann; insbesondere der Ausschlussgrund von Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG kommt nicht zum Tragen.
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1.2 Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet jedoch einzig, ob seitens der Beschwerdeführer ein Anspruch darauf besteht, dass über die Frage des Familiennachzugs des Sohnes B.________ nochmals entschieden wird. Dies beurteilt sich an sich nach dem kantonalen Verfahrensrecht. Da in der Sache Bundesverwaltungsrecht massgebend ist (vgl. E. 1.1), dessen richtige Anwendung durch eine bundesrechtswidrige Handhabung des kantonalen Verfahrensrechts vereitelt werden könnte, ist der vorliegende Entscheid des Verwaltungsgerichts, mit dem das Nichteintreten auf das Wiedererwägungsgesuch geschützt wird, mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar (vgl. BGE 127 II 264 E. 1a S. 267 mit Hinweis).
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2.
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Eine kantonale Behörde muss sich mit einem Wiedererwägungsgesuch dann förmlich befassen und allenfalls auf eine rechtskräftige Verfügung zurückkommen, wenn das kantonale Recht dies vorsieht und die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind oder wenn unmittelbar aus der Bundesverfassung fliessende Grundsätze dies gebieten (vgl. hierzu: BGE 120 Ib 42 E. 2b S. 46/47; 113 Ia 146 E. 3a S. 150 ff.; 109 Ib 246 E. 4c S. 253; 100 Ib 368 E. 3 S. 371 ff.).
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Ob das Wiedererwägungsgesuch bzw. das neue Nachzugsgesuch von den kantonalen Behörden hätte materiell behandelt werden müssen, hängt, wovon die Beschwerdeführer in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht zutreffend ausgehen, davon ab, ob sich der Sachverhalt seit Beurteilung des ersten Gesuches derart wesentlich geändert hat, dass ein anderes Ergebnis in Betracht fallen könnte (vgl. Urteil 2A.8/2004 vom 9. Januar 2004, E. 2.2.2 mit Hinweisen).
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3.
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3.1 Das Verwaltungsgericht hat erwogen, für die Bejahung des Nachzugsrechts müsste als Voraussetzung ersichtlich sein, dass die bisherige Betreuungsperson - also vorliegend die Mutter von B.________ - nicht mehr in der Lage wäre, das Kind zu betreuen. Gegen die Erziehungs- und Betreuungsfähigkeit der Mutter liege hier allerdings nichts vor. Sodann hätten die Beschwerdeführer bereits im ersten Bewilligungsverfahren geltend gemacht, B.________ verstehe sich mit seinem in der Türkei lebenden Stiefvater überhaupt nicht. Auch dass B.________ im Mai/Juni 2004 offenbar für eine gewisse Zeit bei einem Bruder seines Vaters untergebracht gewesen sei, spreche nicht für eine Übersiedlung in die Schweiz, sondern lege vielmehr nahe, dass in der Heimat noch andere Betreuungspersonen vorhanden seien.
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3.2 Das Verwaltungsgericht hat nach dem Gesagten mit einlässlicher Begründung eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes im Vergleich zur ersten Beurteilung des Familiennachzugsgesuches verneint. Soweit es sich dabei um tatsächliche Feststellungen und um die damit verbundenen Beweiswürdigungen handelt, sind diese nach Massgabe von Art. 105 OG für das Bundesgericht verbindlich.
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3.3 Die Beschwerdeführer erblicken eine wesentliche nachträgliche Änderung der Umstände, welche ihnen einen Anspruch auf eine Neubeurteilung des Nachzugsgesuches verschaffen soll, in erster Linie darin, dass der gut zwölf Jahre alte Sohn B.________ seit seiner Einreise am 13. Juni 2004 bei seinem Vater in der Schweiz wohnt, hier eingeschult wurde und sich bestens eingelebt haben soll. Damit habe das Kind seinen familiären und sozialen Mittelpunkt in der Schweiz, was eine zentrale Veränderung der Verhältnisse bedeute (S. 7 der Beschwerdeschrift).
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3.4 Das Verwaltungsgericht mass diesem Punkt für die Beurteilung der familiären Situation und der Interessenabwägung keine entscheidende Bedeutung bei (E. 2.3.4 S. 10 f. des angefochtenen Urteils). Diese Überlegung lässt sich bundesrechtlich nicht beanstanden. Wie das Bundesgericht in ähnlich gelagerten Fällen schon wiederholt erkannt hat, kann der Umstand, dass die bisherigen Betreuungsverhältnisse durch die Missachtung der mit einem Besuchervisum verbundenen Ausreisepflicht eigenmächtig verändert wurden, für die Würdigung der familiären Situation und die vorzunehmende Interessenabwägung nicht ausschlaggebend sein. Andernfalls könnten die Behörden jeweils auf diese Weise vor vollendete Tatsachen gestellt werden, und der sich rechtskonform verhaltende Ausländer würde benachteiligt (BGE 129 II 249 E. 2.3 S. 255, vgl. auch etwa die Urteile 2A. 532/2001 vom 6. März 2002, E. 6.2, und 2A.192/2003 vom 23. Juli 2003, E. 2.4). Zu berücksichtigen sind daher nur allfällige gewichtige Sachverhaltsänderungen bezüglich der Betreuungsverhältnisse im Heimatland des Kindes. Solche sind, wie das Verwaltungsgericht vertretbarerweise annehmen durfte, nicht dargetan. Bei den geltend gemachten Gründen für eine Übersiedlung des Kindes zu seinem Vater handelt es sich im Wesentlichen um Umstände, die bereits im früheren Verfahren gewürdigt worden waren; die entsprechenden tatsächlichen Annahmen des Verwaltungsgerichts sind jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG).
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3.5 Dass sich die Beweisführung bezüglich der Unmöglichkeit einer Weiterbetreuung des Kindes im Heimatland durch die eigenmächtige Übersiedlung in die Schweiz erschwert hat, ist von den Beschwerdeführern zu vertreten. Ihrem Antrag, die schweizerische Botschaft in Ankara um einen Bericht hierüber zu ersuchen, ist nicht zu entsprechen. Die Feststellung des Sachverhaltes, an den das Bundesgericht nach Massgabe von Art. 105 OG gebunden ist, obliegt den kantonalen Rechtsmittelinstanzen.
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4.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist abzuweisen.
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Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 159 Abs. 2 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt, unter solidarischer Haftung.
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3.
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Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht (4. Abteilung, 4. Kammer) des Kantons Zürich sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 9. Mai 2006
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Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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