BGer 1P.197/2006
 
BGer 1P.197/2006 vom 29.05.2006
Tribunale federale
{T 0/2}
1P.197/2006 /ggs
Urteil vom 29. Mai 2006
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Nay, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Pfäffli.
Parteien
X.________, Beschwerdeführer,
gegen
Geschäftsleitung des Kantonsrates des Eidgenössischen Standes Zürich, Neumühlequai 10, Postfach, 8090 Zürich.
Gegenstand
Ermächtigungsgesuch,
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss der Geschäftsleitung des Kantonsrates des Eidgenössischen Standes Zürich vom 16. März 2006.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
X.________ erstattete mit Schreiben vom 31. Januar 2006 an die Geschäftsleitung des Kantonsrates des Kantons Zürich Strafanzeige gegen Mitglieder des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich wegen Amtsmissbrauchs. Er erwähnte darin seine Strafanzeige vom 18. April 2002, die Nichtanhandnahmeverfügung der Bezirksanwaltschaft I für den Kanton Zürich vom 6. September 2002, sein Schreiben an die Geschäftsleitung des Kantonsrates vom 26. September 2002 sowie sein Schreiben vom 25. September 2002 an den Ombudsmann des Kantons Zürich. Die Geschäftsleitung des Kantonsrates überwies die Strafanzeige am 6. Februar 2006 als Ermächtigungsgesuch der Justizkommission zu Bericht und Antragstellung an die Geschäftsleitung. An ihrer Sitzung vom 16. März 2006 wies die Geschäftsleitung des Kantonsrates das Ermächtigungsgesuch von der Hand. Zur Begründung führte die Geschäftsleitung zusammenfassend aus, dass das Gesuch offenbar im Zusammenhang mit Entscheiden des Verwaltungsgerichts betreffend die Besteuerung fiktiver Erträge des "Y.________ Management" stehe. Die Vorbringen des Gesuchstellers würden keinerlei Hinweise enthalten, welche auf ein strafrechtliches Verhalten der Angezeigten schliessen liessen. Wenn eine richterliche Behörde in ihrem Entscheid der Auffassung einer Partei nicht folge, begründe dies keinen Amtsmissbrauch. Die formelle wie auch die materielle Überprüfung eines Entscheides bleibe den dafür zuständigen Rechtsmittelinstanzen vorbehalten.
2.
Gegen den Beschluss der Geschäftsleitung des Kantonsrates erhob X.________ am 20. April 2006 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 9 und Art. 29 Abs. 2 BV.
Das Bundesgericht verzichtet auf die Einholung von Vernehmlassungen.
3.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts steht der Strafanspruch, um den es im Strafverfahren geht, ausschliesslich dem Staate zu. Demnach ist der durch eine angeblich strafbare Handlung Geschädigte oder der Anzeiger in der Sache selbst grundsätzlich nicht befugt, gegen die Nichteröffnung oder Einstellung einer Strafuntersuchung oder gegen ein freisprechendes Urteil Beschwerde zu führen. Der Geschädigte oder der Anzeiger haben an der Verfolgung und Bestrafung des Täters nur ein tatsächliches oder mittelbares Interesse, nicht aber ein rechtlich geschütztes, eigenes und unmittelbares Interesse im Sinne von Art. 88 OG (BGE 128 I 218 E. 1.1).
Im vorliegenden Fall geht es zwar nicht um die Einstellung eines Strafverfahrens oder um ein freisprechendes Urteil; vielmehr hat es die Geschäftsleitung des Kantonsrates mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt, die Immunität der angezeigten Verwaltungsrichter aufzuheben und damit eine Strafverfolgung gegen diese überhaupt zu ermöglichen. Das ändert jedoch nichts daran, dass durch einen solchen Entscheid keine eigenen rechtlich geschützten Interessen des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 88 OG betroffen sind.
Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst ist der Geschädigte aber befugt, mit staatsrechtlicher Beschwerde die Verletzung von Verfahrensrechten geltend zu machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Das nach Art. 88 OG erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls nicht aus einer Berechtigung in der Sache, sondern aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Ist der Beschwerdeführer in diesem Sinne nach kantonalem Recht Partei, kann er die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen (BGE 128 I 218 E. 1.1).
Etwas anderes gilt für das Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG. Seine Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde ist insoweit auf materiellrechtliche Fragen erweitert. Gemäss Art. 2 Abs. 1 OHG ist Opfer, wer durch eine Straftat in seiner körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist, unabhängig davon, ob der Täter ermittelt worden ist und ob er sich schuldhaft verhalten hat. Nach der Rechtsprechung muss die Beeinträchtigung von einem gewissen Gewicht sein. Bagatelldelikte wie z.B. Tätlichkeiten sind daher vom Anwendungsbereich des Opferhilfegesetzes ausgenommen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für Ehrverletzungsdelikte (vgl. BGE 128 I 218 E. 1.2). Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Amtsmissbrauch vermag die Opferstellung nur in ganz besonderen Fällen zu begründen, in welchen das Delikt zu einer erheblichen Beeinträchtigung der körperlichen und psychischen Integrität führt. Solches macht der Beschwerdeführer weder geltend noch ist dies ersichtlich. Somit kann dem Beschwerdeführer keine gegenüber der Praxis zu Art. 88 OG erweiterte Legitimation zuerkannt werden. Er ist deshalb nach der angeführten Rechtsprechung in der Sache nicht legitimiert und kann nur die Verletzung von Verfahrensrechten geltend machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt.
4.
Der Beschwerdeführer rügt, es sei ihm das rechtliche Gehör verweigert worden, weil die Geschäftsleitung des Kantonsrates ihm nicht Gelegenheit gegeben habe, seine Vorwürfe gegen die angezeigten Verwaltungsrichter mündlich zu erörtern. In seiner Strafanzeige vom 31. Januar 2006 habe er eine mündliche Anhörung verlangt, sofern die beantragte Ermächtigung aufgrund der schriftlichen Eingabe nicht erteilt werden könnte.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) umfasst das Recht der Parteien auf Teilnahme am Verfahren und auf Einflussnahme auf den Prozess der Entscheidfindung. Eine formelle Rechtsverweigerung im Sinne der Gehörsverweigerung liegt vor, wenn eine Partei ihren Standpunkt nicht in das Verfahren einbringen konnte, so dass das Gericht ihn bei der Entscheidfindung nicht beachtete und damit die Partei im Verfahren benachteiligt wurde (vgl. BGE 127 III 576 E. 2e, mit Hinweisen).
Im vorliegenden Fall stand es dem Beschwerdeführer frei, seinen Standpunkt in seiner Strafanzeige bzw. seinem Ermächtigungsgesuch wirksam zur Geltung zu bringen. Mithin war es grundsätzlich seine Sache, die Voraussetzungen für die Erteilung der nachgesuchten Ermächtigung in seiner schriftlichen Eingabe darzutun. Mit der Möglichkeit zur schriftlichen Gesuchseinreichung ist der Gehörsanspruch erfüllt. Ein weitergehender Anspruch steht dem Beschwerdeführer aus Art. 29 Abs. 2 BV nicht zu; dass ihm aufgrund kantonaler Verfahrensvorschriften ein solcher Anspruch zustünde, macht er (zu Recht) nicht geltend. Verfassungsrechtlich ergibt sich kein Anspruch darauf, zusätzlich zu seiner schriftlichen Gesuchseinreichung noch mündlich von der Geschäftsleitung des Kantonsrates angehört zu werden. Sein entsprechendes Gesuch in seiner Strafanzeige vom 31. Januar 2006 ändert daran nichts und durfte im angefochtenen Beschluss ohne Folgen unerwähnt bleiben. Die Rüge der Gehörsverletzung erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.
5.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und der Geschäftsleitung des Kantonsrates des Eidgenössischen Standes Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 29. Mai 2006
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: