BGer 4A.10/2006
 
BGer 4A.10/2006 vom 13.06.2006
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
4A.10/2006 /sza
Urteil vom 13. Juni 2006
I. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Kiss,
Gerichtsschreiber Huguenin.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Day,
gegen
Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum, Einsteinstrasse 2, 3003 Bern,
Eidgenössische Rekurskommission für Geistiges Eigentum, Einsteinstrasse 12, 3003 Bern.
Gegenstand
Wiedereinsetzung in den früheren Stand eines europäischen Patents; PatG,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission für Geistiges Eigentum vom 3. März 2006.
Sachverhalt:
A.
Die X.________, Irland (Beschwerdeführerin) ist im Patentregister als Inhaberin des schweizerischen Teils des europäischen Patents ________ eingetragen; tatsächliche Inhaberin ist die A.________ Ltd. Als Vertreterin ist die B.________ AG, im Register eingetragen. Gegenüber dem Institut für geistiges Eigentum (IGE) trat seit 2002 die C.________ AG als Vertreterin der registrierten wie der tatsächlichen Patentinhaberin auf. Die Hauptvertreterin der Patentinhaberinnen ist das Patentanwaltsbüro D.________.
A.a Die 12. Jahresgebühr wurde im September 2003 fällig (Art. 18a PatV, SR 232.141). Die Frist für die Bezahlung samt Zuschlag gemäss Art. 18a Abs. 3 PatV lief am 31. März 2004 ab. Mit Schreiben vom 30. April 2004 teilte das IGE der im Register eingetragenen B.________ AG, an die Adresse ("c/o") der C.________ AG mit, das Patent ________ sei im schweizerischen Patentregister gelöscht worden. Das IGE wies in diesem Schreiben auf die Möglichkeit hin, während zwei Monaten ab Empfang dieser Mitteilung ein schriftliches Gesuch um Weiterbehandlung gemäss Art. 46a Abs. 2 PatG zu stellen, wobei innert derselben Frist die Jahresgebühr (Fr. 420.--) samt Zuschlag (Fr. 200.--) sowie eine Weiterbehandlungsgebühr (Fr. 200.--) entrichtet werden müssten. Das Schreiben führte zu keinerlei Reaktionen.
A.b Am 15. Oktober 2004 stellte die C.________ AG namens der Beschwerdeführerin ein Gesuch um Wiedereinsetzung in den früheren Stand. Sie berief sich auf Art. 47 PatG in Verbindung mit Art. 15 PatV und brachte vor, das Hindernis sei am 16. August 2004 weggefallen, als der für A.________ Ltd. zuständige Patentanwalt bei der Beantwortung einer Routinefrage des Direktors der A.________ Ltd. festgestellt habe, dass die Datenbank der D.________ das Schweizer Patent als verfallen bezeichnete, obwohl zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt war, das Patent für die Schweiz nicht zu erneuern. Sie stellte sich auf den Standpunkt, die Bezahlung der Jahresgebühr sei durch eine Verkettung unglücklicher Zufälle - nicht zuletzt durch eine verfrühte "babybedingte" Abwesenheit einer erfahrenen Sachbearbeiterin der Hauptvertreterin - verursacht. Es seien vier Umstände ursächlich, für welche fehlendes Verschulden im Sinne von Art. 47 PatG glaubhaft gemacht sei.
A.c Mit Verfügung vom 15. März 2005 trat das IGE auf das Gesuch um Wiedereinsetzung in den früheren Stand vom 1. Oktober 2004 betreffend das europäische Patent Nr. ________ nicht ein. Das IGE ging von der Rechtsprechung aus, wonach das Hindernis bei einem Irrtum nicht erst entfällt, wenn dieser tatsächlich ausgeräumt ist, sondern schon dann, wenn der Irrende bei der ihm zumutbaren Sorgfalt den Irrtum hätte erkennen können oder ernstlich mit einem solchen hätte rechnen müssen. Da die Befugnis des registrierten Vertreters auch die Bezahlung der Jahresgebühren umfasse und interne Vereinbarungen für das Verfahren vor dem IGE unbeachtlich seien, komme die Zustellung der Mahnung und der Löschungsanzeige an ihn derjenigen an die Gesuchstellerin gleich. Mit dem Eingang der Löschungsanzeige am 3. Mai 2004 bei der Schweizer Vertreterin sei daher das Hindernis weggefallen. Das IGE fügte noch bei, das Gesuch um Wiedereinsetzung vom 15. Oktober 2004 wäre selbst dann verspätet, wenn der Eingang der Löschungsanzeige nicht massgebend wäre, denn die Gesuchstellerin mache nicht glaubhaft, dass der Irrtum nicht früher habe bemerkt werden können - insbesondere nach Eingang der Löschungsanzeige bei der Hauptvertreterin oder allenfalls anlässlich der Erstellung der Jahresgebührenerinnerung zur Bezahlung der 13. Jahresgebühr durch die Hauptvertreterin im Juni 2004.
B.
Mit Entscheid vom 3. März 2006 wies die Eidgenössische Rekurskommission für geistiges Eigentum die Beschwerde der X.________ ab und bestätigte die angefochtene Verfügung. Die Rekurskommission erwog mit der ersten Instanz, dass in der Regel das Hindernis im Sinne von Art. 47 Abs. 2 PatG mit der Kenntnisnahme des Versäumnisses spätestens im Zeitpunkt des Eingangs der amtlichen Löschungsanzeige beim zuständigen Vertreter entfalle, sofern dessen Fehlleistung nicht ausnahmsweise entschuldbar sei. Ein entschuldbares Hindernis ist nach den Erwägungen der Rekurskommission weder bei der schweizerischen Vertreterin noch bei der Hauptvertreterin glaubhaft gemacht, so dass das Wiedererwägungsgesuch verspätet ist.
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 4. April 2006 stellt die X.________ die Anträge, es sei der Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission für geistiges Eigentum vom 3. März 2006 aufzuheben (Begehren 1) und sie sei in die Frist zur Bezahlung der 12. Jahresgebühr sowie der seither verfallenen Jahresgebühren für den Schweizer Teil des EP ________ unter Belastung der Gebühren wieder einzusetzen (Begehren 2) und es sei der Schweizer Teil des EP ________ wieder herzustellen (Begehren 3), eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Begehren 4).
D.
Die Rekurskommission für geistiges Eigentum und das IGE verzichten auf Vernehmlassung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Rekurskommission ist gemäss Art. 98 lit. e OG zulässig, da eine Ausnahme nach Art. 99 ff. OG nicht vorliegt. Die 30-tägige Beschwerdefrist gemäss Art. 106 OG ist gewahrt, so dass auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten ist.
1.1 Nach Art. 108 Abs. 2 OG hat die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter anderem die Begründung zu enthalten. Auch wenn daran keine strengen Anforderungen gestellt werden, muss die Begründung doch eine sachbezogene Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Entscheid enthalten und insbesondere erkennen lassen, in welchen Punkten und weshalb der angefochtene Entscheid beanstandet wird. Einzelne Verweise auf frühere Eingaben sind im Unterschied zu anderen Rechtsmitteln zulässig (BGE 130 I 312 E.1.3.1; 113 II 287 E. 1).
1.2 Da es sich bei der Rekurskommission für geistiges Eigentum um eine richterliche Vorinstanz handelt, bindet deren Feststellung des Sachverhalts gemäss Art. 105 Abs. 2 OG das Bundesgericht, sofern sie nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften erfolgt ist (BGE 128 III 454 E. 1 S. 456 f. mit Verweisen). Dass derartige Ausnahmen vorliegen sollen, muss in der Begründung der Beschwerde selbst aufgezeigt werden. Denn offensichtliche Mängel im Sinne von Art.105 Abs. 2 OG ergeben sich nicht schon aus allfälligen gegenteiligen Behauptungen in früheren Eingaben. Eine Ergänzung des Sachverhalts mit tatsächlichen Vorbringen aus früheren Rechtsschriften aufgrund blosser Verweise auf frühere Eingaben ist daher ausgeschlossen.
2.
Nach den Feststellungen der Vorinstanz wurde die 12. Jahresgebühr auch nach Mahnung nicht fristgerecht bezahlt, was die Löschung des Patents zur Folge hatte (Art. 41 PatG, Art. 18b Abs. 1 und Art. 18d PatV). Diese wurde der schweizerischen Vertreterin der Patentinhaberin vom IGE am 30. April 2004 angezeigt (Art. 18b Abs. 2 PatV). Die Löschungsanzeige vom 30. April 2004 ging der schweizerischen Vertreterin der Beschwerdeführerin am 3. Mai 2004 zu. Diese leitete die Löschungsanzeige mit Begleitbrief vom 4. Mai 2004 an die irische Hauptvertreterin weiter, wo sie verarbeitet wurde. Die Anzeige enthielt den Hinweis, dass die Löschung rückgängig gemacht werden könne, wenn innert zwei Monaten seit der Zustellung dieser Verfügung ein schriftlicher Weiterbehandlungsantrag gestellt sowie die versäumte Zahlung der letzten Jahresgebühr (CHF 420.--) und des Zuschlags (CHF 200.--) nachgeholt und die Weiterbehandlungsgebühr (CHF 200.--) entrichtet werde. Es ist unbestritten, dass bis zum Ablauf dieser Frist kein Weiterbehandlungsgesuch gestellt wurde. Die Beschwerdeführerin verlangt indes Wiedereinsetzung.
2.1 Vermag der Patentinhaber glaubhaft zu machen, dass er ohne sein Verschulden an der Einhaltung einer durch das Gesetz oder die Vollziehungsverordnung vorgeschriebenen oder vom Institut angesetzten Frist verhindert wurde, so ist ihm auf sein Gesuch hin Wiedereinsetzung in den früheren Stand zu gewähren (Art. 47 Abs. 1 PatG). Das Gesuch ist innert zwei Monaten seit dem Wegfall des Hindernisses, spätestens aber innert eines Jahres seit dem Ablauf der versäumten Frist bei der Behörde einzureichen, bei welcher die versäumte Handlung vorzunehmen war, gleichzeitig ist die versäumte Handlung nachzuholen (Art. 47 Abs. 2 PatG). Das Verschulden einer Hilfsperson ist dabei nach konstanter Rechtsprechung dem Patentinhaber anzurechnen, wobei - entsprechend der strengen Praxis zu Art. 35 OG - stets zu prüfen ist, ob dem Geschäftsherrn eine Verletzung seiner Pflichten vorgeworfen werden könnte, wenn er selbst gehandelt hätte (BGE 108 II 156 E. 1a S. 159). Dabei ist auch ein einmaliges Verschulden einer sonst zuverlässigen Hilfsperson dem Patentinhaber zuzurechnen (BGE 94 I 248 E. 2b S. 251 mit Verweisen).
2.2 Nach den Feststellungen der Vorinstanz ist die Löschungsanzeige von der irischen Hauptvertreterin der Beschwerdeführerin anfangs Mai 2004 verarbeitet worden. Mit der amtlichen Löschungsanzeige wurden der Beschwerdeführerin bzw. ihren Vertretern alle Angaben vermittelt, die ihr erlaubten zu erkennen, dass die Gebühr nicht bezahlt war und die Nichtzahlung möglicherweise auf einem Irrtum beruhte. Damit ist das Hindernis nach konstanter Praxis entfallen (Urteil 4A.5/2002 vom 22. Januar 2003 E. 3 publ. in sic! 5/2003 S. 448). Als die Beschwerdeführerin im Oktober 2004 das Gesuch um Wiedereinsetzung stellte, war die zweimonatige Frist gemäss Art. 47 Abs. 2 PatG daher selbst dann abgelaufen, wenn im Sinne der Beschwerdeführerin der Zugang der Mitteilung an die Hauptvertreterin als fristauslösend angesehen würde. Da die Frist für das Gesuch um Wiedereinsetzung in jedem Fall abgelaufen ist, kann offen bleiben, ob entgegen dem Zweck der Registrierung eines schweizerischen Vertreters die Mitteilung an einen ausländischen als massgebend anzusehen wäre, wie die Beschwerdeführerin vorbringt.
2.3 Ein entschuldbarer Fehler ist, wie die Vorinstanz zutreffend darlegt, nicht glaubhaft gemacht. Wie die Beschwerdeführerin selbst anerkennt, erhielt sie bzw. ihre Vertreterin vom IGE mehrere Mitteilungen, mit denen sie auf die fehlende Bezahlung der Jahresgebühr hingewiesen wurde. Spätestens mit der Löschungsanzeige hätte ihr bewusst werden müssen, dass die Jahresgebühr nicht bezahlt war. Dass ihre (ausländische Haupt-) Vertreterin eine falsche Eingabe in ihre Datenbank gemacht hatte, welche sie daran hinderte, den Irrtum zu erkennen, den sie aufgrund der Mitteilungen hätte entdecken können, kann nicht als entschuldbar anerkannt werden. Es obliegt vielmehr dem Patentinhaber bzw. dessen Vertreter, die Bezahlung der Jahresgebühren so zu organisieren, dass allfällige Manipulations- oder Computereingabe-Fehler, welche nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden können, spätestens mit der Mitteilung der Löschungsanzeige entdeckt werden.
3.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist als unbegründet abzuweisen. Die Gerichtsgebühr ist bei diesem Verfahrensausgang der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum und der Eidgenössischen Rekurskommission für Geistiges Eigentum schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 13. Juni 2006
Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: