BGer 5P.210/2006
 
BGer 5P.210/2006 vom 06.10.2006
Tribunale federale
{T 0/2}
5P.210/2006 /bnm
Urteil vom 6. Oktober 2006
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter L. Meyer, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Hohl, Ersatzrichter Hasenböhler,
Gerichtsschreiber Gysel.
Parteien
X.________ (Ehemann),
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Kai Burkart,
gegen
Y.________ (Ehefrau),
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Werner Bachmann,
Kantonsgericht St. Gallen (II. Zivilkammer),
Klosterhof 1, 9001 St. Gallen.
Gegenstand
Art. 9 und Art. 29 Abs. 2 BV (Ehescheidung),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen (II. Zivilkammer) vom 31. März 2006.
Sachverhalt:
A.
X.________ (Ehemann) und Y.________ (Ehefrau) heirateten im Jahre 1973. Sie haben vier inzwischen erwachsene Kinder. Seit Frühjahr 1998 leben sie getrennt.
Am 19. Mai 2005 wurde ihre Ehe vom Kreisgericht B.________ geschieden. Das Gericht stellte fest, dass die Ehegatten sich gegenseitig keinen Unterhalt schuldeten, ordnete an, dass X.________ aus Güterrecht Y.________ einen Betrag von Fr. 979'424.-- zu zahlen habe, und wies die Sammelstiftung BVG der "A.________" Lebensversicherungs-Gesellschaft an, die Hälfte des aktiven Teils der Austrittsleistung von X.________ auf ein Freizügigkeitskonto der geschiedenen Ehefrau zu überweisen.
Auf Berufung von X.________ hin änderte das Kantonsgericht St. Gallen (II. Zivilkammer) am 31. März 2006 den erstinstanzlichen Entscheid dahin ab, dass es den Y.________ zustehenden güterrechtlichen Anspruch neu auf Fr. 949'550.-- festsetzte und den Betrag des ihr zu überweisenden Anteils am Vorsorgekonto von X.________ auf Fr. 116'250.-- bezifferte.
B.
X.________ hat sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch eidgenössische Berufung erhoben. Mit der staatsrechtlichen Beschwerde verlangt er, den kantonsgerichtlichen Entscheid aufzuheben.
Vernehmlassungen zur Beschwerde sind nicht eingeholt worden.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Ist ein kantonales Urteil zugleich mit staatsrechtlicher Beschwerde und mit Berufung angefochten, wird in der Regel der Entscheid über letztere ausgesetzt bis zur Erledigung der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 57 Abs. 5 OG). Von diesem Grundsatz abzuweichen, besteht hier kein Anlass.
2.
Die staatsrechtliche Beschwerde bezieht sich ausschliesslich auf die güterrechtliche Zuordnung der Can$ 200'000.--, die der Beschwerdeführer zu gleichen Teilen den vier Kindern übertragen hat.
Ausgehend von Art. 200 Abs. 3 ZGB, wonach alles Vermögen eines Ehegatten bis zum Beweis des Gegenteils als Errungenschaft gilt, hat das Kantonsgericht ausgeführt, der Beschwerdeführer müsse seine Behauptung, dass er den erwähnten Betrag aus der Erbschaft seines Vaters erhalten habe, beweisen. Es hält dafür, dass dieser Nachweis mit den eingereichten Dokumenten nicht erbracht werden könne: Aus diesen Unterlagen ergebe sich im Gegenteil, dass der Ertrag der kanadischen Anlagen schon in der Steuerveranlagung 1993 aufgerechnet worden sei und dass der Beschwerdeführer die Erträge 1993 und 1994 habe nachdeklarieren müssen. Damit stehe fest, dass die kanadischen Werte nicht aus der Erbschaft des Vaters stammen könnten, sei doch dieser erst 1994 gestorben. Unter diesen Umständen würden sich weitere Beweisabnahmen, namentlich die beantragten Zeugeneinvernahmen, erübrigen.
3.
Der Beschwerdeführer rügt zunächst, das Kantonsgericht habe seine Vorbringen zur Herkunft der fraglichen Gelder sinnentstellend wiedergegeben und willkürlich interpretiert. Es habe verkannt, dass er nie behauptet habe, die Gelder stammten aus dem Nachlass seines Vaters; vielmehr habe er nur vorgebracht, er habe die Gelder von seinem Vater (als Erbe) erhalten. Schon die Formulierung "von seinem Vater erhalten" bedeute klarerweise, dass ihm die Gelder zu Lebzeiten des Vaters zugegangen seien. Mit der Präzisierung "als Erbe" habe er lediglich verdeutlichen wollen, dass er die Gelder in Anrechnung an seinen Erbteil, und nicht etwa als Darlehen, als Rückzahlung einer Schuld, als Treuhandvermögen oder ähnliches, bekommen habe. Es sei Wortklauberei, ihm anzulasten, dass er von "Erbe" gesprochen habe, und es gestützt darauf als unmöglich zu erklären, dass er die Gelder bereits vor dem Tod seines Vaters erhalten habe. Es sei nämlich durchaus üblich, dass Kinder zu Lebzeiten ihrer Eltern von diesen Zuwendungen erhielten, die an das spätere "Erbe" anzurechnen seien. In der Rückschau müssten solche Zuwendungen richtigerweise als "Erbe" bezeichnet werden. Wenn das Kantonsgericht eine solche Bedeutung ausgeschlossen habe, laufe dies auf überspitzten Formalismus und Willkür hinaus.
3.1 Das aus Art. 29 Abs. 1 BV fliessende Verbot des überspitzten Formalismus wendet sich gegen prozessuale Formstrenge, die als exzessiv erscheint, durch kein schutzwürdiges Interesse gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder gar verhindert (BGE 128 II 139 E. 2a S. 142 mit Hinweisen). Inwiefern das Kantonsgericht dadurch, dass es ein Vorbringen des Beschwerdeführers anders ausgelegt hat, als dieser es verstanden wissen will, die dargelegten Grundsätze missachtet haben soll, bleibt unerfindlich. Die Rüge stösst ins Leere.
3.2 In der von ihm angerufenen Berufungsschrift an das Kantonsgericht hatte der Beschwerdeführer wörtlich ausgeführt:
"Der Berufungskläger hatte diese Gelder als Erbe von seinem Vater Z.________, Canada, erhalten, der im Jahre 1994 verstorben ist. Deklariert wurden diese Gelder in der Steuererklärung 1997/1998, die am 02.10.1997, mithin vor der Trennung der Parteien, von beiden Ehegatten, also insbesondere auch von der Berufungsbeklagten, rechtsverbindlich unterzeichnet worden ist. Damit ist erstellt, dass es sich bei dem Betrag von CHF 238'614.--, der in der Steuererklärung 1997/1998 im Wertschriftenverzeichnis aufgeführt worden ist, um Eigengut des Berufungsklägers handelte, das dieser als Erbe von seinem Vater erhalten hat, Art. 198 lit. 2 [gemeint: Ziff. 2] ZGB."
Mit dem Wort "Erbe" wird nach allgemeinem Sprachgebrauch entweder die Person des Universalsukzessors oder aber der Nachlass bezeichnet. Es ist daher sachlich vertretbar, wenn das Kantonsgericht aus der fraglichen Passage geschlossen hat, der Beschwerdeführer mache geltend, er habe die Gelder aus dem Nachlass seines Vaters erhalten, zumal im gleichen Satz explizit auf dessen Tod Bezug genommen wurde. Gestützt wird diese Auslegung im Übrigen durch den Schlusssatz des betreffenden Abschnitts in der Berufungsschrift, wo steht: "Ausgehend von der Unterschrift der Berufungsbeklagten unter die Steuererklärung 1997/1998, wonach die Erbschaft der kanadischen Gelder durch den Berufungskläger bestätigt worden ist, ist es unerklärlich, dass sich die Berufungsbeklagte hieran vor Vorinstanz nicht erinnert haben will." Dagegen enthält die fragliche Stelle keinerlei gegenteilige Hinweise oder Anhaltspunkte. Mit der Annahme, der Beschwerdeführer habe vorgebracht, die fraglichen Gelder seien ihm aus dem Nachlass seines Vaters zugeflossen, ist das Kantonsgericht nach dem Gesagten nicht in Willkür verfallen. Soweit der Beschwerdeführer der kantonalen Instanz ein (offensichtliches) Versehen vorwirft, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, da diese Rüge im vorliegenden Fall mit eidgenössischer Berufung erhoben werden kann (vgl. Art. 63 Abs. 2 und Art. 84 Abs. 2 OG).
4.
4.1 Sodann beanstandet der Beschwerdeführer, das Kantonsgericht sei in willkürlicher antizipierter Beweiswürdigung davon ausgegangen, dass er seine Behauptung, es handle sich bei den fraglichen Geldern um Eigengut, nicht beweisen könne, weil mit den eingereichten Unterlagen die Qualifikation der Can$ 200'000.-- als Errungenschaft unwiderlegbar dargetan sei. Er hält diese Schlussfolgerung für unhaltbar, weil mit den von ihm offerierten Beweismitteln sehr wohl nachgewiesen werden könnte, dass die Gelder von seinem Vater gestammt hätten; selbst wenn er nicht beweisen könnte, dass er die Gelder "als Erbe" erhalten habe, so wäre es ihm doch möglich, zumindest zu beweisen, dass er sie "von seinem Vater erhalten" habe; bereits dies würde wohl genügen, um zu beweisen, dass die strittigen Gelder dem Eigengut zuzuordnen wären.
4.2 Art. 200 Abs. 3 ZGB enthält eine Vermutung zugunsten der Errungenschaft mit der Folge, dass der sich auf Eigengut berufende Ehegatte den entsprechenden Nachweis zu erbringen hat.
Der Beschwerdeführer hatte seine im kantonalen Verfahren vorgebrachte Behauptung, die kanadischen Werte müssten seinem Eigengut zugeordnet werden, damit zu begründen versucht, er habe die Gelder als Erbe von seinem Vater erhalten. Bereits wurde dargelegt, dass das Kantonsgericht die Vorbringen des Beschwerdeführers willkürfrei so verstehen durfte, dass die Gelder ihm aus dem Nachlass seines Vaters zugeflossen seien. Wenn die kantonale Instanz weiter annahm, diese Behauptung lasse sich mit den eingereichten Dokumenten nicht beweisen, war dies keineswegs unhaltbar: Aus der Bestätigung der Gemeindeverwaltung C.________ vom 11. Mai 2004 ergibt sich, dass der Ertrag der kanadischen Werte schon bei der Steuerveranlagung 1993 aufgerechnet worden war, wogegen nicht bestritten ist, dass der Vater des Beschwerdeführers erst im Jahre 1994 verstarb. Indem das Kantonsgericht aus dem Zusammenspiel dieser beiden Umstände folgerte, der Beschwerdeführer habe seine Behauptung nicht erhärten können, nahm es eine sachlich vertretbare Beweiswürdigung vor. Unter den gegebenen Umständen durfte das Kantonsgericht alsdann willkürfrei annehmen, die vom Beschwerdeführer angebotenen Zeugeneinvernahmen vermöchten dieses Ergebnis nicht mehr umzustossen. Die Beschwerde ist mithin auch in diesem Punkt unbegründet.
5.
5.1 Des Weiteren wirft der Beschwerdeführer dem Kantonsgericht vor, der richterlichen Fragepflicht gemäss § 57 (recte: Art. 57) ZPO/SG in willkürlicher Weise nicht nachgekommen zu sein. Er macht geltend, die kantonale Instanz hätte sich zumindest Rechenschaft darüber ablegen müssen, dass seine Behauptung vielleicht auch anders verstanden werden könnte, als sie geglaubt habe; angesichts des hohen Streitwertes hätte sie nicht leichtfertig der Behauptung eine Bedeutung zumessen dürfen, die einzig zu seinen Lasten ausgefallen sei und zum Verzicht auf die Durchführung eines Beweisverfahrens geführt habe.
5.2 Der Beschwerdeführer übersieht, dass die geltende Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen nur ein richterliches Fragerecht, aber keine Fragepflicht kennt, was sich schon aus dem Wortlaut von Art. 57 ZPO ersehen lässt. Einzig dort, wo von Bundesrechts wegen oder nach kantonalem Prozessrecht der Untersuchungsgrundsatz gilt, besteht auch eine Fragepflicht des Gerichts (Christoph Leuenberger/ Beatrice Uffer-Tobler, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, Bern 1999, Art. 57 N. 3). Dass auf den in Frage stehenden Streitgegenstand die Untersuchungsmaxime anzuwenden sei, behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht. Wo die Verhandlungsmaxime gilt, ist der Richter nicht verpflichtet, eine Partei auf Unklarheiten hinzuweisen und ihr Gelegenheit zur Klarstellung unklarer oder unbestrittener Vorbringen zu geben. Macht er von seinem Fragerecht keinen Gebrauch, so liegt darin keine Verweigerung des rechtlichen Gehörs (dazu Leuenberger/Uffer-Tobler, a.a.O., Art. 57 N. 1b). Die Beschwerde stösst mithin auch in diesem Punkt ins Leere.
6.
6.1 Als willkürlich bezeichnet der Beschwerdeführer schliesslich die Feststellung der kantonalen Berufungsinstanz, es hätte ihm ohne weiteres möglich sein müssen, die behauptete Herkunft der Gelder aus der väterlichen Erbschaft durch Urkunden nachzuweisen. Er erblickt darin eine Beweismittelbeschränkung, die das St. Galler Prozessrecht indessen nicht kenne und den Anspruch auf rechtliches Gehör missachte; es sei ihm, dem Beschwerdeführer, überlassen, wie und mit welchen Beweismitteln er seine Behauptung nachweisen wolle.
6.2 Aus dem Schreiben der Gemeindeverwaltung C.________ vom 11. Mai 2004 hat das Kantonsgericht abgeleitet, dass die kanadischen Gelder nicht aus der Erbschaft des Vaters des Beschwerdeführers stammen könnten. Auf Grund dieser Feststellung hat es weitere Beweisabnahmen als überflüssig erachtet und dabei bemerkt, es hätte dem Beschwerdeführer möglich sein müssen, die behauptete Herkunft der Gelder mittels Urkunden nachzuweisen. Darin lag keine Beweismittelbeschränkung. Die vom Beschwerdeführer beanstandete Feststellung beruht offensichtlich auf der allgemeinen Erfahrung, dass bei einem Erbfall regelmässig Urkunden über den Nachlass ausgestellt werden, und die kantonale Instanz brachte somit lediglich zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführer seine Behauptung über die Herkunft der Gelder deshalb eigentlich mit entsprechenden Urkunden hätte nachweisen können. Dass nur ein Urkundenbeweis zulässig sei und andere taugliche Beweismittel nicht anerkannt würden, hat sie nicht gesagt. Von Willkür oder einer Verletzung des Gehörsanspruchs kann auch in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein.
7.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen. Bei diesem Ausgang ist die Gerichtsgebühr dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Da keine Vernehmlassungen eingeholt worden sind und der Beschwerdegegnerin somit keine Kosten erwachsen sind, entfällt die Zusprechung einer Parteientschädigung.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen (II. Zivilkammer) schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. Oktober 2006
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: