BGer 1P_117/2007
 
BGer 1P_117/2007 vom 06.09.2007
Tribunale federale
{T 0/2}
1P.117/2007 /fun
Urteil vom 6. September 2007
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Haag.
Parteien
- A.B.________,
- C.D.________,
- E.D.________,
- F.G.________,
- H.G.________,
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwalt Beat Mühlebach,
gegen
X.________ AG, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Viktor Furrer,
Gemeinderat Stansstad, Achereggstrasse 1,
Postfach 463, 6362 Stansstad,
Regierungsrat des Kantons Nidwalden, 6371 Stans,
vertreten durch den Rechtsdienst des Kantons Nidwalden, Dorfplatz 2, 6371 Stans,
Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung, Rathausplatz 1, 6371 Stans.
Gegenstand
Teilrevision der Ortsplanung Stansstad,
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung, vom 2. Oktober 2006.
Sachverhalt:
A.
Mit Beschluss Nr. 134 vom 7. März 2006 genehmigte der Regierungsrat des Kantons Nidwalden im Rahmen einer Teilrevision der Nutzungsplanung der Gemeinde Stansstad unter anderem Anpassungen der Kurzone im Gebiet Fürigen (Umzonung der Parzelle Nr. 816 Fürigen, Grundbuch Stansstad) sowie des Bau- und Zonenreglements. Gleichzeitig trat er auf eine von verschiedenen Beschwerdeführern gegen diese Planungsmassnahme gerichtete Beschwerde mit Beschluss Nr. 135 nicht ein. Den Regierungsratsbeschluss Nr. 135 zogen die Stockwerkeigentümer Fürigenrain A und die Eigentümer Diethelmstrasse an das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden weiter, welches die Beschwerde mit Urteil vom 2. Oktober 2006 abwies.
B.
Gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts führen A.B.________, C.________ und E.D.________ sowie F.________ und H.G.________ "BESCHWERDE IN ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN ANGELEGENHEITEN". Sie beantragen, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 2. Oktober 2006 sei aufzuheben, und der Regierungsrat sei anzuweisen, auf die Beschwerde vom 26. April 2005 betreffend die Umzonung der Parzelle Nr. 816 einzutreten und in der Sache zu entscheiden. Eventuell sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung der Beschwerdelegitimation an das Verwaltungsgericht bzw. an den Regierungsrat zurückzuweisen.
C.
Die X.________ AG beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Der Gemeinderat Stansstad verzichtet auf eine Vernehmlassung und verweist auf die Ausführungen im Gemeindeversammlungsbeschluss vom 22. März 2005. Der Regierungsrat stellt den Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen. Das Verwaltungsgericht verweist auf den angefochtenen Entscheid.
D.
Mit Präsidialverfügung vom 21. Juni 2007 wurde das Gesuch der Beschwerdeführer um aufschiebende Wirkung abgewiesen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG, SR 173.110) in Kraft getreten. Dieses Gesetz ist auf ein Beschwerdeverfahren nur anwendbar, wenn der angefochtene Entscheid nach dem 1. Januar 2007 ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, weshalb die Beschwerde nach der früheren Rechtsmittelordnung zu beurteilen ist. Dass die Beschwerdeführer ihre Rechtsschrift als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bezeichnet haben, schadet nicht.
2.
Beim angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid. Darin bestätigt das Verwaltungsgericht einen Regierungsratsentscheid, in welchem es der Regierungsrat abgelehnt hat, auf eine Beschwerde einzutreten, welche von verschiedenen Nachbarn der Parzelle Nr. 816 gegen die Umzonung dieser Parzelle erhoben worden ist. Umstritten ist ein Nutzungsplan im Sinne der Art. 14 ff. des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG; SR 700), welcher mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte anfechtbar ist (Art. 84 ff. OG, Art. 34 Abs. 1 und 3 RPG in der bis zum 31. Dezember 2006 gültigen Fassung).
Nach Art. 88 OG steht das Recht zur Beschwerdeführung Einzelpersonen und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben. Nach der Praxis des Bundesgerichts kann der Beschwerdeführer einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid unabhängig von der Legitimation in der Sache selbst wegen Verletzung von Verfahrensgarantien anfechten, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt (BGE 129 II 297 E. 2.3 S. 301; 127 II 161 E. 3b S. 167 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer, welche am verwaltungsgerichtlichen Verfahren teilgenommen haben, machen sinngemäss geltend, das Verwaltungsgericht habe mit seiner Bestätigung des Nichteintretensentscheids des Regierungsrats vom 7. März 2006 eine formelle Rechtsverweigerung bestätigt und damit seinerseits eine solche Rechtsverweigerung begangen. Sie sind daher zur vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde befugt. Die staatsrechtliche Beschwerde ist von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen grundsätzlich kassatorischer Natur (BGE 129 I 129 E. 1.2.1 S. 131 f.). Soweit die Beschwerdeführer mehr verlangen als die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 7. März 2006, ist auf ihre Beschwerde nicht einzutreten.
3.
A.B.________ sowie C.________ und E.D.________ sind Eigentümer von Grundstücken an der Diethelmstrasse. F.________ und H.G.________ sind Stockwerkeigentümer im Mehrfamilienhaus auf Grundstück Nr. 1006. Das Verwaltungsgericht hält im angefochtenen Entscheid fest, den Eigentümern dieser Liegenschaften wäre das Beschwerderecht zwar grundsätzlich zuzuerkennen, da in räumlicher Hinsicht offensichtlich eine besondere Beziehungsnähe zur umstrittenen Parzelle Nr. 816 gegeben sei. Der blosse Status als Nachbar genüge jedoch nicht, um die Anforderungen an die Beschwerdelegitimation zu erfüllen. Vielmehr müsse zusätzlich eine besondere Betroffenheit (stärker als jedermann) geltend gemacht werden. Eine solche sei im vorliegenden Fall nicht gegeben.
3.1 Nach Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG gewährleistet das kantonale Recht die Legitimation mindestens im gleichen Umfang wie für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Gemäss Art. 103 lit. a OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht befugt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. In Übereinstimmung mit diesen Vorschriften des Bundesrechts erklärt Art. 238 des kantonalen Gesetzes vom 24. April 1988 über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht (Baugesetz, BauG) zur Einreichung von Einsprachen und Beschwerden namentlich befugt: Personen, die an der Abweisung oder Änderung oder Aufhebung des angefochtenen Gesuches, Beschlusses oder Entscheides ein schutzwürdiges Interesse haben.
3.2 Ein Kriterium für die Beurteilung der Beschwerdebefugnis eines Nachbarn ist die räumliche Nähe seines Grundstücks zum umstrittenen Bauvorhaben. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Nachbarn bis im Abstand von etwa 100 Metern zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert (vgl. BGE 121 II 171 E. 2b und c S. 174 f.; Urteile 1P.237/2001 vom 12. Juli 2001, E. 2c/bb; 1A.179/1996 vom 8. April 1997, publ. in: Pra 87/1998 Nr. 5 S. 27 ff., E. 3a). Allerdings ergibt sich die Legitimation nicht schon allein aus der räumlichen Nähe, sondern erst aus einer daraus herrührenden besonderen Betroffenheit. Bei der Beurteilung der Beschwerdelegitimation ist deshalb stets eine Würdigung aller rechtlich erheblichen Sachverhaltselemente vorzunehmen. Eine besondere Betroffenheit wird vor allem in Fällen bejaht, in welchen von einer Anlage mit Sicherheit oder grosser Wahrscheinlichkeit Immissionen auf das Nachbargrundstück ausgehen (BGE 121 II 171 E. 2b S. 174; 120 Ib 379 E. 4c S. 387) oder die Anlage einen besonderen Gefahrenherd darstellt und die Anwohner einem besonderen Risiko ausgesetzt werden (BGE 120 Ib 379 E. 4d S. 388).
3.3 Im Rahmen seiner ständigen Rechtsprechung zu Art. 88 OG hat das Bundesgericht anerkannt, dass Bestimmungen über den Immissionsschutz, die Ausnützungsziffern und die zulässigen Baumasse und -abstände auch dem Schutz der Nachbarn dienen (BGE 127 I 44 E. 2d S. 47 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer sind Eigentümer von Nachbarparzellen des umgezonten Grundstücks Nr. 816. Die umstrittene Planungsmassnahme beschränkt sich nicht darauf, die Parzelle Nr. 816 von der Zone für Sport- und Freizeitanlagen in die Kurzone umzuzonen. Vielmehr wurden bereits im Rahmen der Zonenplanung mittels Baulinien und Höhenbeschränkungen "Leitplanken" für den Gestaltungsplan festgelegt, um eine optimale Eingliederung der zukünftig möglichen Bauten in die Landschaft zu erhalten (Protokoll der ausserordentlichen Gemeindeversammlung vom 22. März 2005 S. 3). Der Zonenplan trägt insoweit materiell bereits den Charakter eines Gestaltungsplans.
Die materiellen Beanstandungen der Beschwerdeführer richten sich gegen die Festsetzung nachbarschützender Normen, die nach ihrer Auffassung ihren Interessen als Grundeigentümer nicht hinreichend Rechnung tragen. Daraus ergibt sich, dass sie durch die umstrittenen Planungsmassnahmen besonders berührt sind und nicht nur ein tatsächliches sondern gar ein aktuelles praktisches rechtliches Interesse an der materiellen Überprüfung der umstrittenen planerischen Festsetzungen haben. Damit wären die fünf Beschwerdeführer des vorliegenden Verfahrens in der Sache selbst gestützt auf Art. 88 OG sogar zur Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert. Umso eher müssen sie im kantonalen Verfahren in Anwendung von Art. 238 Abs. 1 BauG zum Beschwerdeverfahren zugelassen werden. Sie sind in eigenen schutzwürdigen Interessen im Sinne dieser Bestimmung in Verbindung mit Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG und Art. 103 lit. a OG betroffen. Der Bestätigung des regierungsrätlichen Nichteintretensentscheids durch das Verwaltungsgericht kommt deshalb im Lichte der vorstehenden Ausführungen einer formellen Rechtsverweigerung und damit einer Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV gleich.
4.
Es ergibt sich, dass die Beschwerde im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde gutzuheissen und das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten für das bundesgerichtliche Verfahren der X.________ AG als unterliegende private Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Die X.________ AG hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 159 Abs. 2 OG)
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung, vom 2. Oktober 2006 aufgehoben.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der X.________ AG auferlegt.
3.
Die X.________ AG hat den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 3'000.-- zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Gemeinderat Stansstad sowie dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. September 2007
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: