BGer 8C_243/2007
 
BGer 8C_243/2007 vom 22.02.2008
Tribunale federale
{T 0/2}
8C_243/2007
Urteil vom 22. Februar 2008
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Heine.
Parteien
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdeführerin,
gegen
A.________, Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Werner Bodenmann, Brühlgasse 39, 9000 St. Gallen.
Gegenstand
Unfallversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 21. März 2007.
Sachverhalt:
A.
Der 1969 geborene A.________ war seit 1. Juni 1991 in der Firma X.________ AG als Lackierer angestellt und bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 23. September 1992 zog er sich bei der Arbeit an einer Kreissäge an der linken Hand Weichteilverletzungen zu, welche zu Amputationen an den Fingern II und III führten. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Taggelder, Heilbehandlung). Mit Verfügung vom 27. Mai 1994 sprach sie A.________ ab 1. Mai 1994 eine Rente bei einem Invaliditätsgrad von 15 % und eine Integritätsentschädigung von 15 % zu. Nach erfolgtem Beschwerdeverfahren sprach die SUVA dem Versicherten ab 1. Mai 1994 eine Rente bei einem Erwerbsunfähigkeitsgrad von 15 % und neu ab 1. Juli 1997 von 25 % zu (Verfügung vom 5. November 1997). Wegen persistierenden Schmerzen wurde am 22. März 2000 eine operative Ringbandspaltung der Finger II und V der linken Hand durchgeführt (Spital Y.________). Am 3. April 2002 hielt Dr. med. V.________, Facharzt für Chirurgie, Ärzteteam Unfallmedizin SUVA, zur Frage einer Differenzintegritätsentschädigung fest, auf Grund des Gutachtens vom 5. Juni 2001 würden seit 1. Februar 1994 in objektiver Hinsicht unveränderte unfallbedingte Befunde bestehen, was eine Erhöhung der bereits ausgerichteten Integritätsentschädigung von 15 % ausschliesse. Mit Verfügung vom 7. Mai 2002 erhöhte die SUVA den Anspruch auf eine Invalidenrente ab 1. Juni 2001 entsprechend einem neu ermittelten Invaliditätsgrad von 30 % und wies die beantragte Erhöhung der Integritätsentschädigung ab. Die dagegen erhobene Einsprache hiess die SUVA dahingehend gut, dass sie den Rentenanspruch bereits ab 1. Oktober 2000 gewährte. Im Übrigen wies sie die Einsprache ab (Einspracheentscheid vom 16. Dezember 2002).
B.
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die Beschwerde in dem Sinne gut, dass es dem Versicherten eine zusätzliche Integritätsentschädigung von 10 % zusprach. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab und verpflichtete die SUVA, A.________ eine Parteientschädigung von Fr. 1200.- zu bezahlen (Entscheid vom 21. März 2007).
C.
Mit Beschwerde beantragt die SUVA die Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids und die Erteilung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde.
A.________ lässt Abweisung der Beschwerde beantragen. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen (Art. 24 f. UVG in Verbindung mit Art. 36 UVV und Anhang 3 der UVV) sowie die von der Judikatur entwickelten Grundsätze (BGE 116 V 157 E. 3a) zur Bemessung der Integritätsentschädigung richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.
2.
Streitig und prüfen ist allein, ob der Beschwerdegegner Anspruch auf eine 10%ige Erhöhung der Integritätsentschädigung hat.
2.1 Das kantonale Gericht hat eine Erhöhung der Integritätsentschädigung auf insgesamt 25 % mit einer totalen Funktionseinschränkung des linken Arms ("funktionale Einarmigkeit") begründet.
2.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, eine Funktionseinschränkung des linken Arms sei medizinisch nicht objektivierbar und nicht beweismässig erstellt. Im Gutachten des Spitals Z.________ vom 5. Juni 2001 werde lediglich eine eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit der linken Hand beschrieben. Für eine Funktionseinschränkung des Arms fehle es an einem objektivierbaren organischen Substrat.
2.3 Die ursprüngliche Integritätsentschädigung (spezialärztliche Untersuchung vom 1. Februar 1994) liegt zwischen einem Drittel und der Hälfte des Anspruchs beim vollständigen Verlust der adominanten Hand. Dabei wird die Logik der Integritätsentschädigung deutlich. Der Verlust von Zeigefinger, Mittelfinger und Ringfinger (5 % + 6 % + 4 %) führt zu einer Einbusse von 15 %, was dem teilweisen Verlust einer Hand gleichkommt. Diese Berechnung berücksichtigt auch eine Funktionseinschränkung des Armes, welche im Wesentlichen von der Funktionstätigkeit der Hand abhängig ist.
Auch unabhängig von dieser Betrachtungsweise ist der Beschwerdeführerin darin beizupflichten, dass die von Dr. med. V.________ durchgeführte ärztliche Beurteilung vom 3. April 2002 sämtliche medizinischen Unterlagen berücksichtigt und er keine neuen sekundären objetivierbaren Funktionseinbussen feststellen konnte. Sodann wurde der neu diagnostizierte Reizzustand des Nervus ulnaris am linken Ellbogen ausdrücklich als eine bloss mögliche Unfallfolge beschrieben. Es bestand nach dem Gesagten kein Grund, von der Einschätzung des Integritätsschadens durch die SUVA, welche sich im Rahmen der Tabelle 3 (Abbildung 27 und 28) gemäss UVG bewegt, abzuweichen. Demnach erweist sich die Auffassung des kantonalen Gerichts, bei der Bemessung des Integritätsschadens seien die funktionellen Einschränkungen des Armes mit zu berücksichtigen, als unzutreffend. Der vorinstanzliche Entscheid ist deshalb aufzuheben, weshalb das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos wird.
3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdegegner die Kosten (Art. 66 BGG). Er hat indessen ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt, welches gutzuheissen ist, da seine Bedürftigkeit gegeben erscheint und die Beschwerde nicht von vornherein aussichtslos war (Art. 64 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. März 2007 aufgehoben.
2.
Dem Beschwerdegegner wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.
4.
Rechtsanwalt Werner Bodenmann, St. Gallen, wird als unentgeltlicher Anwalt des Beschwerdegegners bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1000.- ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 22. Februar 2008
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Ursprung Heine