BGer 6B_809/2009 |
BGer 6B_809/2009 vom 05.11.2009 |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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6B_809/2009
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Urteil vom 5. November 2009
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Strafrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Favre, Präsident,
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Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger,
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Gerichtsschreiber Keller.
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Parteien
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X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Marc R. Bercovitz,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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A.________,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Mehrfache Beschimpfung, mehrfache üble Nachrede,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 30. April 2009.
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Sachverhalt:
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A.
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Am 17. Juni 2008 erklärte der Gerichtspräsident 8 des Gerichtskreises II Biel-Nidau X.________ der mehrfachen Beschimpfung und der mehrfachen üblen Nachrede schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 1'200.-- sowie zur Bezahlung einer Genugtuung von Fr. 1'000.-- an den Privatkläger A.________. Vom Vorwurf der falschen Anschuldigung, eventuell der üblen Nachrede bzw. der Verleumdung, sprach es ihn frei.
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B.
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Gegen dieses Urteil erhob X.________ Appellation an das Obergericht des Kantons Bern. Dieses bestätigte mit Urteil vom 30. April 2009 das erstinstanzliche Urteil in Bezug auf den Schuldspruch sowie die Genugtuungszahlung. Es verurteilte X.________ jedoch zu einer bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu Fr. 50.--, mit einer Probezeit von zwei Jahren, sowie zu einer Verbindungsbusse von Fr. 500.--.
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C.
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X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und er sei vom Vorwurf der Beschimpfung sowie der üblen Nachrede freizusprechen. Zudem sei die Zivilforderung von A.________ abzuweisen. Eventualiter sei das Urteil aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. X.________ ersucht ausserdem um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sowie die Beiordnung eines amtlichen Anwalts.
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D.
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Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
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Erwägungen:
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1.
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1.1 Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde im Sinne von Art. 113 ff. BGG ist nicht einzutreten. Die Beschwerde in Strafsachen steht nach Art. 78 Abs. 1 BGG gegen Entscheide in Strafsachen offen. Darunter fallen sämtliche Entscheide, denen materielles Strafrecht oder Strafprozessrecht zugrunde liegt (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4313 Ziff. 4.1.3.2). Nach dem Konzept der Einheitsbeschwerde soll der Rechtsmittelweg an das Bundesgericht vom Rechtsgebiet abhängen, auf das die Streitsache letztlich zurückgeht (Botschaft a.a.O, 4235 Ziff. 2.3.1.2). Damit ist die Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG das zutreffende Rechtsmittel (Urteil 6B_78/2009 vom 22. September 2009 E. 1 mit Hinweis).
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1.2 Der Beschwerdeführer hat mit Eingabe vom 9. September 2009 selber eine Beschwerde an das Bundesgericht eingereicht, wobei ihm Frist bis zum 21. September 2009 zur Behebung von Mängeln gesetzt wurde. Der Vertreter des Beschwerdeführers will dessen Eingabe als ergänzende Begründung, der keine eigenständige Bedeutung zukomme, verstanden wissen. Auf die betreffenden Vorbringen ist deshalb nicht einzugehen.
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2.
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Die Vorinstanz geht von folgendem Sachverhalt aus:
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Der Beschwerdeführer und der Beschwerdegegner bewohnen seit 1997 bzw. 1960 neben anderen Mietern die Liegenschaft L.________ in M.________. Die Beziehungen der Parteien waren zunächst ungetrübt. Aufgrund von Herzproblemen besuchten die beiden auf Vorschlag des Beschwerdeführers zur körperlichen Ertüchtigung die Herzturngruppe H.________ in D.________. Im Jahr 2002 verschlechterten sich die Beziehungen zusehends. Es kam zu ersten verbalen Auseinandersetzungen, da der Beschwerdegegner im Garten regelmässig noch am späten Abend seine Pflanzen pflegte. Mit weiteren sechs Mietern beschwerte sich der Beschwerdeführer bei der Liegenschaftsverwaltung zudem wegen anderer diverser Vorkommnisse.
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Im März und April 2005 wurden mehrere anonyme Briefe ehrverletzenden Inhalts an die Adresse des Beschwerdegegners geschickt. Darin wurde dieser unter anderem als Stinker bezeichnet, der Schweissgestank ausströme und immer der Beste sein wolle sowie in der Herzgruppe Unfrieden stifte und deshalb herausgeekelt werden sollte. Weitere den Mitgliedern der Herzturngruppe als angebliche Einladung zur Geburtstagsfeier des Beschwerdegegners verteilte Briefe enthielten tatsächlich drei Seiten mit beleidigenden Texten und Bildern, wobei zwei der Bilder von der Homepage «www.lustich.de» stammten (angefochtenens Urteil, S. 5 f.).
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Die Vorinstanz sieht es als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer Verfasser der verschiedenen Schreiben ist.
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3.
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3.1 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die unrichtige Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz. Er habe von Beginn weg darauf hingewiesen, dass sich nach seiner Meinung unbefugte Dritte während seiner Abwesenheiten Zutritt zu seiner Wohnung verschafft hätten. Dies könne zwar nicht bewiesen, jedoch auch nicht ausgeschlossen werden. Er habe zudem glaubhaft ausgesagt, dass er und seine Frau die Wohnungstüre bei kurzen Abwesenheiten nie abgeschlossen hätten, was verständlicherweise nicht bewiesen werden könne (Beschwerde, S. 6 f.).
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Der Beschwerdeführer beanstandet im Weiteren die Annahme der Vorinstanz, dass die festgestellten Zeitstempel des Computers, welche die Zugriffe auf die Internetseite «www.lustich.de» festhalten, nicht korrekt seien. Es bestehe keine Veranlassung, an den festgestellten Zugriffsdaten Zweifel zu hegen. Ferner bewiesen die Zugriffe auf die fragliche Internetseite noch nicht, dass diese durch ihn selber erfolgt seien. Die Treffer könnten bei grossem Fachwissen auch mittels technischer Manipulationen erfolgt sein. Diese Manipulationsmöglichkeiten seien von der Vorinstanz völlig ausser Acht gelassen worden (Beschwerde, S. 7 f.). Schliesslich sei trotz seines Beweisantrags nicht abgeklärt worden, ob die fraglichen Briefe auch tatsächlich auf einem seiner Drucker ausgedruckt worden seien (Beschwerde, S. 8).
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3.2 Die Vorinstanz erachtet es im Einklang mit der ersten Instanz, deren Ausführungen sie wörtlich übernimmt, als kaum vorstellbar, dass sich der Beschwerdegegner oder eine andere Drittperson unberechtigt Zugang zur Wohnung des Beschwerdeführers verschafft habe, um diesem die anonymen Briefe zu unterschieben. Diese Person hätte auch mit dem Beschwerdeführer verkracht sein, ungefähr zehn Mal in dessen Wohnung eindringen und zumindest teilweise über längere Zeit ungestört auf der Homepage «www.lustich.de» surfen müssen. Zudem sei nicht erstellt, dass der Beschwerdegegner einen Schlüssel zur Wohnung des Beschwerdeführers besessen habe und ihm bekannt gewesen sei, dass dessen Haustüre stets offen gewesen sei (angefochtenes Urteil, S. 17).
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Hinsichtlich der Zeitstempel erwägt die Vorinstanz, dass die Zugriffsdaten nicht stimmen könnten, was auch die mit der Auswertung beauftragte Kantonspolizei Bern, Fachbereich Computer- und Wirtschaftskriminalität (FCWK), festgestellt habe. Namentlich seien zwei Zugriffe vor dem Kauf des Computers und ein Zugriff nach Beschlagnahmung der Festplatte erfolgt, weshalb die genauen Zugriffsdaten offen bleiben müssten (angefochtenes Urteil, S. 18 f.).
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3.3 Mit der Beschwerde in Strafsachen kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist (BGE 133 II 249 E. 1.2.2) oder wenn sie auf einer Verletzung von schweizerischem Recht im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Rüge der offensichtlich unrichtigen Feststellung des Sachverhalts prüft das Bundesgericht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nur insoweit, als in der Beschwerde explizit vorgebracht und substantiiert dargelegt wird, inwiefern der Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 135 III 232 E. 1.2; 133 II 249 E. 1.4.3; 130 I 258 E. 1.3 mit Hinweisen).
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3.4 Was der Beschwerdeführer gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz einwendet, erschöpft sich in einer blossen appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil, die für die Begründung einer willkürlichen Feststellung des Sachverhalts nicht genügt. Er beschränkt sich darauf, die eigene Sichtweise der Verhältnisse darzulegen. Er räumt selber ein, dass seine Darstellung, ein Dritter habe sich Zutritt zu seiner Wohnung verschafft, lediglich nicht ausgeschlossen werden könne.
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Die Ausführungen des Beschwerdeführers sind insgesamt nicht geeignet, offensichtlich erhebliche und schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel daran darzutun, dass sich der Sachverhalt, wie von der Vorinstanz dargestellt, verwirklicht hat. Denn für die Begründung von Willkür genügt praxisgemäss nicht, dass das angefochtene Urteil mit der Darstellung des Beschwerdeführers nicht übereinstimmt oder eine andere Lösung oder Würdigung vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre (BGE 131 IV 100 nicht publ. E. 4.1; BGE 127 I 54 E. 2b mit Hinweisen). Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn der angefochtene Entscheid auf einer schlechterdings unhaltbaren oder widersprüchlichen Beweiswürdigung beruht, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 134 I 140 E. 5.4). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Beschwerde ist daher in diesem Punkt abzuweisen.
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4.
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4.1 Der Beschwerdeführer rügt weiter eine Verletzung des Grundsatzes in dubio pro reo sowie der Unschuldsvermutung, indem die Vorinstanz wesentliche Sachverhaltselemente nicht berücksichtigt oder ohne nähere Abklärung zu seinen Ungunsten gewürdigt habe. So habe die Vorinstanz weder die technischen Möglichkeiten, mit denen die fraglichen Textfragmente und Internetzugriffe auf den PC des Beschwerdeführers hätten transferiert werden können, noch die fehlenden genauen Zugriffsdaten auf die Internetseite «www.lustich.de» sowie die Zutrittsmöglichkeiten zu seiner Wohnung näher abgeklärt (Beschwerde, S. 10 f.).
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4.2 Als Beweiswürdigungsregel besagt der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerte Grundsatz in dubio pro reo, dass sich der Strafrichter nicht von der Existenz eines für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalts überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Bloss abstrakte und theoretische Zweifel sind nicht massgebend, weil solche immer möglich sind und absolute Gewissheit nicht verlangt werden kann. Inwiefern dieser Grundsatz verletzt ist, prüft das Bundesgericht unter dem Gesichtspunkt der Willkür (BGE 127 I 38 E. 2a; Urteil des Bundesgerichts 6B_923/2008 vom 2. Februar 2009 E. 2). Der Beschwerdeführer legt dar, dass sich der Sachverhalt "sehr wohl auch genau so gut so abgespielt haben kann", wie von ihm geltend gemacht (Beschwerde, S. 11). Wie oben ausgeführt, reicht dies für die Begründung von Willkür nicht aus.
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5.
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5.1 Der Beschwerdeführer rügt schliesslich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Er macht geltend, die Vorinstanz habe seinen Antrag auf Einholung einer Expertise zur Frage, ob die anonymen Briefe auch tatsächlich auf einem seiner Drucker ausgedruckt worden seien, zu Unrecht abgewiesen (Beschwerde, S. 11 f.).
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5.2 Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör. Zum Anspruch auf rechtliches Gehör gehört das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheides zur Sache zu äussern sowie das Recht auf Abnahme der rechtzeitig und formrichtig angebotenen rechtserheblichen Beweismittel. Das Gericht kann auf die Abnahme von Beweisen verzichten, wenn es aufgrund bereits abgenommener Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür annehmen darf, seine Überzeugung werde durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert (BGE 134 I 140 E. 5.3; 131 I 153 E. 3 S. 157 mit weiteren Hinweisen).
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Die Vorinstanz konnte gestützt auf ihre umfassende Beweiswürdigung, ohne in Willkür zu verfallen, darauf verzichten, eine zusätzliche Expertise darüber einzuholen, ob die Briefe mit einem der Drucker des Beschwerdeführers ausgedruckt wurden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt.
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6.
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Die Beschwerde ist insgesamt abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Da die Rechtsmittel von vornherein aussichtslos waren, kann dem Gesuch nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). Bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr ist seinen finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
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3.
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Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 5. November 2009
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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Favre Keller
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