BGer 6B_886/2009 |
BGer 6B_886/2009 vom 11.03.2010 |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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6B_886/2009
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Urteil vom 11. März 2010
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Strafrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Favre, Präsident,
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Bundesrichter Schneider, Mathys,
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Gerichtsschreiber Borner.
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Parteien
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H.________,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, 8090 Zürich,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Gerichtliche Beurteilung der Kostenfolge; Willkür,
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Beschwerde gegen die Verfügung des Bezirksgerichts Bülach, Einzelrichterin in Strafsachen, vom 27. August 2009.
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Sachverhalt:
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A.
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H.________ fuhr am 22. Mai 2008, ca. 21:30 Uhr, in seinem Personenwagen ausserorts auf der Zürcherstrasse in Eglisau mit 80 km/h bis 90 km/h. Als ein anderes Fahrzeug bis auf nur wenige Meter aufschloss, schaltete er kurz die Nebelschlussleuchte ein. Da dies ohne Wirkung blieb, tippte er kurz die Bremse an, ohne die Geschwindigkeit zu verringern (angefochtener Entscheid S. 7 Ziff. 4.3.5).
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B.
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Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland stellte am 15. Juni 2009 die Untersuchung gegen H.________ wegen Vergehens gegen das Strassenverkehrsgesetz ein, auferlegte ihm aber die Untersuchungskosten von Fr. 480.--.
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Auf Gesuch von H.________, die Kosten seien auf die Staatskasse zu nehmen, bestätigte das Bezirksgericht Bülach den ursprünglichen Kostenentscheid.
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C.
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H.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben, und er sei von einer Kostentragungspflicht vollumfänglich zu befreien.
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Die Vorinstanz und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf eine Vernehmlassung verzichtet (act. 10 und 11).
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Erwägungen:
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1.
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Die Vorinstanz erwägt, obwohl das Antippen der Bremse nicht zu einer Temporeduktion geführt habe, habe der Beschwerdeführer angesichts der Umstände (wenige Meter Abstand, Geschwindigkeit von 80 - 90 km/h, Dämmerung bzw. Dunkelheit) die Verkehrssicherheit gefährdet und so Art. 37 Abs. 1 SVG und Art. 12 Abs. 2 VRV verletzt. Das Vortäuschen einer Bremsung müsse den nachfolgenden Fahrer ebenfalls zum Bremsen veranlassen. Er könne sich nicht darauf verlassen, dass der vordere Lenker die Bremsen lediglich antippe. Bei den erwähnten Umständen berge ein solches Verhalten das Risiko einer Auffahrkollision und eine Gefährdung weiterer Verkehrsteilnehmer. Hinzu komme der in solchen Situationen erhöhte Adrenalinspiegel, welcher ein solches Verhalten noch gefährlicher erscheinen lasse. Damit sei ein widerrechtliches Verhalten gegeben, das die Kostenauflage rechtfertige (angefochtener Entscheid S. 7 Ziff. 4.3.5).
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Der Beschwerdeführer bestreitet, sich widerrechtlich verhalten zu haben. Indem er - ohne die Geschwindigkeit zu verlangsamen - die Bremsen nur kurz angetippt habe, habe er angemessen auf das zu nahe Aufschliessen des anderen Fahrzeuglenkers reagiert.
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2.
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Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, hat das Bundesgericht die ältere Rechtsprechung (BGE 99 IV 100) zum brüsken Bremsen (Art. 26 Abs. 1 SVG und Art. 12 Abs. 2 VRV) präzisiert. Danach bremst auch brüsk, wer - wenn ein anderes Fahrzeug folgt - auf Autobahnen sein Fahrzeug durch Bremsen mehr als nur unwesentlich verzögert (BGE 117 IV 504). Diesen beiden Entscheiden liegt jedoch ein anderer Sachverhalt zugrunde, weil der Beschwerdeführer durch das Antippen der Bremse die Geschwindigkeit nicht reduzierte.
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BGE 99 IV 100, auf welchen der Beschwerdeführer verweist, stimmt zwar vom Sachverhalt her überein. Doch die Begründung, wonach das Aufleuchten-Lassen der Bremslichter den zu nah aufgeschlossenen Lenker und allfällige weitere Verkehrsteilnehmer nicht gefährde, bedarf einer Korrektur:
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Die Vorinstanz hält nämlich zu Recht fest, dass das Vortäuschen einer Bremsung den nachfolgenden Fahrer zum Bremsen veranlasst. Er kann sich nicht darauf verlassen, dass der vordere Lenker die Bremsen lediglich antippt. Bei hohen Geschwindigkeiten kann ein solches Verhalten zu einer Auffahrkollision und einer Gefährdung weiterer Verkehrsteilnehmer führen. Bevor die Vorinstanz dem Beschwerdeführer mit dieser Begründung vorwarf, gegen Art. 37 Abs. 1 SVG und Art. 12 Abs. 2 VRV verstossen zu haben, hätte sie aber prüfen müssen, ob er sich in einer Notwehrlage befand und den Angriff angemessen abwehrte.
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3.
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Als der Beschwerdeführer in der Dämmerung bzw. beim Eindunkeln ausserorts mit 80 km/h bis 90 km/h unterwegs war, schloss ein anderes Fahrzeug bis auf nur wenige Meter auf. Dieses vorschriftswidrige Verhalten setzte den Beschwerdeführer einer erheblichen Gefahr aus. Wäre er nämlich aus irgendeinem Grund gezwungen gewesen, stark zu bremsen, so hätte ihn das zu nah aufgerückte Fahrzeug gerammt.
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Im Anschluss an das zu nahe Aufrücken überholte das hintere Fahrzeug den Beschwerdeführer (angefochtener Entscheid S. 8 Ziff. 4.4.3). Dass Gegenverkehr geherrscht hätte oder weitere Verkehrsteilnehmer unmittelbar hinter dem zu nah aufgeschlossenen Fahrzeug gefolgt wären, stellt die Vorinstanz nicht fest und ergibt sich auch nicht aus den Akten. Unter diesen Umständen erscheint das Antippen der Bremse bzw. das Aufleuchten-Lassen der Bremslichter als angemessene Abwehr der Gefährdung, die der hintere Lenker durch sein zu nahes Aufschliessen hervorgerufen hatte. Ob das Verhalten des Beschwerdeführers auch bei Gegenverkehr oder anderem Verkehrsaufkommen angemessen gewesen wäre, kann vorliegend offenbleiben.
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Damit verstösst die vorinstanzliche Annahme, der Beschwerdeführer habe Art. 37 Abs. 1 SVG und Art. 12 Abs. 2 VRV verletzt, gegen Bundesrecht.
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4.
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Die Beschwerde ist gutzuheissen und die angefochtene Verfügung aufzuheben.
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Da der Beschwerdeführer keine besonderen Aufwendungen hatte, entfällt eine Entschädigung.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird gutgeheissen, die Verfügung des Bezirksgerichts Bülach vom 27. August 2009 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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2.
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Es werden keine Kosten erhoben, und es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bezirksgericht Bülach, Einzelrichterin in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 11. März 2010
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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Favre Borner
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