BGer 8C_243/2010
 
BGer 8C_243/2010 vom 31.05.2010
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
8C_243/2010
Urteil vom 31. Mai 2010
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Krähenbühl.
 
Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons Thurgau,
St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdeführerin,
gegen
M.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Schlatter,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Verwaltungsverfahren, unentgeltlicher Rechtsbeistand),
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 27. Januar 2010.
Sachverhalt:
A.
Mit Verfügung vom 25. Mai 2009 sprach die IV-Stelle des Kantons Thurgau M.________ (Jg. 1962) nach bereits zum zweiten Mal durchgeführtem Vorbescheidverfahren rückwirkend ab 1. September 2004 eine Viertelsrente zu, dies, nachdem sie ihm in einem ersten Vorbescheid bereits am 26. November 2007 die Gewährung einer ganzen Rente ab 1. September 2004 und einer Viertelsrente ab 1. Juli 2005 in Aussicht gestellt, auf Grund der dagegen gerichteten Einwände jedoch vorerst weitere medizinische Abklärungen in die Wege geleitet hatte. Mit einer weiteren Verfügung vom 6. Juli 2009 lehnte sie das Gesuch des Versicherten um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung für das Vorbescheidverfahren ab.
B.
Nachdem M.________ die gegen die Rentenverfügung vom 25. Mai 2009 erhobene Beschwerde zurückgezogen hatte, schrieb das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau diese mit Entscheid vom 27. Januar 2010 als gegenstandslos geworden vom Protokoll ab. Mit am gleichen Tag erlassenem separatem Entscheid hiess es hingegen die gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Verbeiständung für das Vorbescheidverfahren erhobene Beschwerde unter Aufhebung der diesbezüglichen Verfügung vom 6. Juli 2009 gut, ernannte Rechtsanwalt Jürg Schlatter zum unentgeltlichen Rechtsbeistand für das Vorbescheidverfahren und wies die Sache an die Vorinstanz zurück, damit diese dessen Entschädigung für das Vorbescheidverfahren festsetze.
C.
Die IV-Stelle führt gegen den Entscheid vom 27. Januar 2010 betreffend unentgeltlicher Rechtsbeistand im Vorbescheidverfahren Beschwerde mit dem Begehren, diesen aufzuheben und ihre ablehnende Verfügung vom 6. Juli 2009 zu bestätigen.
Das zur Vernehmlassung eingeladene kantonale Gericht trägt auf Abweisung der Beschwerde an.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft indessen - unter Beachtung der allgemeinen Begründungspflicht in Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) - grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr aufgegriffen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
2.
Laut Art. 37 Abs. 1 ATSG kann sich die Partei, wenn sie nicht persönlich zu handeln hat, jederzeit vertreten oder, soweit die Dringlichkeit einer Untersuchung es nicht ausschliesst, verbeiständen lassen. Abs. 4 derselben Bestimmung sieht vor, dass der gesuchstellenden Person, wo es die Verhältnisse erfordern, ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt wird (vgl. auch Art. 29 Abs. 3 BV). Im invalidenversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren (BGE 125 V 32 E. 4b und c S. 35 f.; vgl. auch BGE 132 V 200 E. 4.1 S. 201 mit Hinweisen) scheidet der Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung auch für die Zeit vor Erlass des Vorbescheids nicht generell aus. An die sachliche Gebotenheit der Verbeiständung ist diesfalls jedoch rechtsprechungsgemäss ein strenger Massstab anzulegen (AHI 2000 S. 162 ff. E. 2b und 3a S. 164 f. [I 69/99]). Eine anwaltliche Verbeiständung drängt sich hier nur in Ausnahmefällen auf, in denen ein Rechtsanwalt beigezogen wird, weil schwierige rechtliche oder tatsächliche Fragen dies als notwendig erscheinen lassen und eine Verbeiständung durch Verbandsvertreter, Fürsorger oder andere Fach- und Vertrauensleute sozialer Institutionen nicht in Betracht fällt (BGE 132 V 200 E. 4.1 S. 201 mit Hinweisen).
3.
Wie das kantonale Gericht in seiner Vernehmlassung vom 23. April 2010 mit Recht geltend macht, ist weder aktenkundig ausgewiesen noch bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Sozialen Dienste Kreuzlingen, welche den Beschwerdeführer seinerzeit noch bis zum Erlass des ersten Vorbescheids vom 26. November 2007 gegenüber der IV-Stelle vertreten hatten, weiterhin bereit und in der Lage gewesen wären, sich für dessen Interessen einzusetzen. Nachdem an deren Stelle der inzwischen vom Versicherten beigezogene Rechtsanwalt mit seinen gegenüber dem ersten Vorbescheid erhobenen Einwänden erfolgreich dazu beigetragen hatte, dass die IV-Stelle trotz bereits zahlreich vorhandener ärztlicher Stellungnahmen eine nunmehr polydisziplinäre Begutachtung anordnete, über welche das Institut X.________ GmbH am 10. November 2008 ausführlich Bericht erstattete, erreichte das Verfahren ein Ausmass, das dem Beschwerdeführer von seiner Komplexität her sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht kaum mehr eine effiziente Geltendmachung seiner Standpunkte ohne anwaltliche Unterstützung erlaubte. Es muss davon ausgegangen werden, dass er, konfrontiert mit dem umfangreichen Aktendossier und der Schwierigkeit der sich rechtlich und medizinisch stellenden Fragen, auf eine fachkundige professionelle Beratung und Vertretung angewiesen war. Da die Bedürftigkeit nicht in Frage gestellt worden ist und es auch nicht als aussichtslos erschien, sich gegen die vorgesehene Rentenfestsetzung durch die IV-Stelle zur Wehr zu setzen, bestand - auch bei Anlegung eines strengen Massstabes an die Gebotenheit der Verbeiständung im Verwaltungsverfahren (vgl. E. 2 hievor) - kein hinreichender Anlass, das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung im Administrativverfahren abzulehnen.
4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten von der IV-Stelle als unterliegender Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 31. Mai 2010
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Ursprung Krähenbühl