BGer 8C_848/2010 |
BGer 8C_848/2010 vom 18.11.2010 |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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8C_848/2010
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Urteil vom 18. November 2010
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I. sozialrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Ursprung, Präsident,
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Bundesrichter Frésard, Maillard,
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Gerichtsschreiberin Hofer.
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Verfahrensbeteiligte |
Stadt X.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Tomas Poledna,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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K.________,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Sozialhilfe,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. August 2010.
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Sachverhalt:
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A.
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Der polnische Staatsangehörige K.________ erhielt seit Dezember 2002 von der Gemeinde Y.________ wirtschaftliche Unterstützung. Gemäss Beschluss vom 18. Mai 2009 wurde die Sozialhilfe zufolge unkooperativen Verhaltens und Verletzung der Mitwirkungspflicht ab 1. Juni 2009 auf die Wohnungsmiete, die Krankenkassenprämien und drei Mahlzeiten pro Tag in der Cafeteria eines Pflegeheims reduziert. Am 1. August 2009 verliess K.________ seine 1 1/2-Zimmerwohnung in Z.________ und nahm Wohnsitz in A._________, wo er eine 1-Zimmerwohnung bezog. Die Sozialhilfebehörde der Stadt X.________ anerkannte ihre Zuständigkeit, kürzte jedoch den Betrag für den Grundbedarf für die Dauer von sechs Monaten um 10 Prozent. Die Wohnungsmiete in Höhe von Fr. 788.- übernahm sie lediglich im Umfang von Fr. 653.-, entsprechend dem Mietzins der bisherigen Unterkunft in Z.________ (Verfügung vom 7. Oktober 2009). Die dagegen erhobene Einsprache wies die Sozialhilfebehörde mit Beschluss vom 9. Dezember 2009 ab.
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Der Bezirksrat wies den von K.________ eingereichten Rekurs mit Beschluss vom 21. April 2010 ab.
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B.
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Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hiess die dagegen erhobene Beschwerde teilweise gut und verpflichtete die Stadt X._______, die Wohnungsmiete in Höhe von monatlich Fr. 788.- mit Wirkung ab 1. September 2009 vollumfänglich zu übernehmen. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab (Entscheid vom 13. August 2010).
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C.
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Die Stadt X.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und lässt die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids beantragen.
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Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt.
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Erwägungen:
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1.
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Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde ist gemäss Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG hinreichend zu begründen. Der Beschwerdeführer hat darzulegen, dass die gesetzlichen Legitimationsvoraussetzungen gegeben sind. Soweit diese nicht ohne weiteres ersichtlich sind, ist es nicht Aufgabe des Bundesgerichts, anhand der Akten oder weiterer, noch beizuziehender Unterlagen nachzuforschen, ob und inwiefern die Beschwerdeführerin zur Beschwerde zuzulassen ist (BGE 133 II 400 E. 2 S. 403 mit Hinweisen).
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2.
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2.1 Gestützt auf Art. 82 lit. a BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts. Dieses Rechtsmittel steht somit grundsätzlich auch auf dem Gebiet der kantonalen Sozialhilfe zur Verfügung. Das Bundesgerichtsgesetz enthält dazu in Art. 83 keinen Ausschlussgrund.
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2.2 Vorab stellt sich die Frage, wer zur prozessualen Vertretung der Stadt X.________ im bundesgerichtlichen Verfahren befugt ist.
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Die Befugnis, öffentlich-rechtliche Organisationen prozessual zu vertreten, steht praxisgemäss, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, nur der obersten vollziehenden Behörde zu (BGE 134 II 45 E. 2.2.3 S. 48; 91 I 39 E. 1. S. 41). Gemäss Art. 36 der Gemeindeordnung der Stadt X.________ vom 25. November 2007 ist der Stadtrat die leitende, planende und vollziehende Behörde, sofern diese Kompetenzen nicht einer anderen Behörde übertragen sind. Er hat insbesondere die Gemeinde nach aussen zu vertreten (Art. 37 lit. d der Gemeindeordnung). Die Beschwerdeführerin wird im vorliegenden Verfahren durch die Sozialhilfebehörde vertreten, welche einen Rechtsanwalt mit der Interessenwahrung bevollmächtigt hat. Die Vertretungsbefugnis des Präsidenten und des Sekretariats der Sozialhilfebehörde im Rechtsmittelverfahren vor Bundesgericht erweist sich als fraglich. Es wäre Sache der beschwerdeführenden Gemeinde darzulegen, aufgrund welcher Vorschriften sie ihre Vertretung als zuständig erachtet. Es stellt sich daher die Frage, ob auf die vorliegende Eingabe mangels Substantiierung der Beschwerdevoraussetzungen (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; vgl. BGE 134 II 45 E. 2.2.3 S. 48 mit Hinweisen) nicht einzutreten ist. Dies kann indes offen bleiben, da sich die Beschwerde ohnehin als unbegründet erweist.
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2.3 Soweit sich die Beschwerdeführerin auf die Gemeindeautonomie (Art. 50 Abs. 1 BV, Art. 85 Abs. 1 KV/ZH [SR 101]) beruft, ist sie als Gemeinde gestützt auf die besondere Beschwerdebefugnis nach Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG grundsätzlich zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten legitimiert, da sie die Verletzung von Garantien rügt, welche ihr die Kantons- oder Bundesverfassung gewährt. Für das Eintreten ist allein entscheidend, dass die Gemeinde durch einen Akt in ihrer Eigenschaft als Trägerin hoheitlicher Gewalt berührt ist und eine Verletzung der Autonomie geltend macht. Ob die beanspruchte Autonomie tatsächlich besteht, ist hingegen keine Frage des Eintretens, sondern der materiellen Beurteilung. Dasselbe gilt für die Frage, ob die Autonomie im konkreten Fall tatsächlich verletzt worden ist (BGE 135 I 43 E. 1.2 S. 45 f.; 129 I 410 E. 1.1 S. 412; Urteil 2C_644/2009 vom 16. August 2010 E. 1.4).
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Die Beschwerdeführerin wird durch den angefochtenen Entscheid zur Bezahlung von höheren Sozialhilfeleistungen an den Beschwerdegegner verpflichtet und damit in ihrer Eigenschaft als Trägerin hoheitlicher Gewalt berührt. Sie ist daher legitimiert, wegen Verletzung der Gemeindeautonomie Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zu führen.
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3.
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Die Beschwerde hat gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG die Begehren und deren Begründung zu enthalten. Im Rahmen der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Dies setzt voraus, dass sich die Beschwerdeführerin wenigstens kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzt (BGE 134 II 244 E. 2.1 S. 245 f.). Dabei muss sie unter Bezugnahme auf die Begründung im angefochtenen Entscheid darlegen, worin die behauptete Verletzung besteht, bzw. inwiefern der angefochtene Entscheid gegen Recht verstösst. Sie muss im Einzelnen aufzeigen, warum das betreffende Gesetz oder die jeweilige Norm verletzt sein soll, und sie muss sich mit den entscheidenden Erwägungen des angefochtenen Entscheids argumentativ auseinandersetzen. Appellatorische Kritik genügt nicht (LAURENT MERZ, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, N. 53 zu Art. 42 BGG). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insoweit, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).
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4.
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4.1 Vorab ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin hinsichtlich der streitigen Frage, in welcher Höhe die Wohnkosten eines neu in die Gemeinde zugezogenen Sozialhilfeempfängers, der bereits vorher während längerer Zeit wirtschaftliche Hilfe bezogen hat, in der Bedarfsrechnung angerechnet werden müssen, Autonomie zukommt. Nach der Rechtsprechung sind Gemeinden in einem Sachbereich autonom, wenn das kantonale Recht diesen nicht abschliessend ordnet, sondern ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt (vgl. BGE 133 I 128 E. 3.1 f. S. 130; 129 I 290 E. 2.1 S. 294). Der geschützte Autonomiebereich kann sich auf die Befugnis zum Erlass oder Vollzug eigener kommunaler Vorschriften beziehen oder einen entsprechenden Spielraum bei der Anwendung des kantonalen oder eidgenössischen Rechts betreffen. Der Schutz der Gemeindeautonomie setzt eine solche nicht in einem ganzen Aufgabengebiet, sondern lediglich im streitigen Bereich voraus (BGE 129 I 410 E. 2.1 S. 413).
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4.2 Gemäss Sozialhilfegesetz des Kantons Zürich vom 14. Juni 1981 (SHG; SR 851.1) sorgen die politischen Gemeinden nach Massgabe dieses Gesetzes für die notwendige Hilfe an Personen, die sich in einer Notlage befinden (§ 1 Abs. 1 SHG). Sie bestellen eine Fürsorgebehörde, welcher die Gewährung der persönlichen Hilfe obliegt (§ 6 und 7 Abs. 1 lit. a SHG). Die Hilfe richtet sich nach den Besonderheiten und Bedürfnissen des Einzelfalls und den örtlichen Verhältnissen (§ 2 Abs. 2 SHG). Sie trägt den persönlichen und örtlichen Verhältnissen Rechnung und gewährleistet das soziale Existenzminimum der hilfesuchenden Person. Sie bemisst sich nach den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) in der 4. überarbeiteten Ausgabe April 2005 mit den Ergänzungen 12/05, 12/07 und 12/08. Vorbehalten bleiben begründete Abweichungen im Einzelfall (§ 17 Abs. 1 der Verordnung vom 21. Oktober 1981 zum Sozialhilfegesetz [SHV; SR 851.11]). § 24 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 SHG sieht sodann vor, dass Sozialhilfeleistungen angemessen zu kürzen sind, wenn der Hilfesuchende gegen Anordnungen, Auflagen oder Weisungen der Fürsorgebehörde verstösst.
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4.3 Da der im Einzelfall anzurechnende Wohnungsmietzins von den örtlichen und persönlichen Gegebenheiten abhängt (vgl. SKOS-Richtlinien B.3), welche die Gemeinde in der Regel besser beurteilen kann als die kantonalen Behörden, ist ihr beim Vollzug der kantonalen Sozialhilfegesetzgebung in diesem Bereich ein geschützter Autonomiebereich zuzuerkennen (zur Voraussetzung der relativ erheblichen Entscheidungsfreiheit im Bereich der Sozialhilfe vgl. Urteile 2P.16/2006 vom 1. Juni 2006 E. 2.2; 2P.230/2005 vom 10. Juli 2006 E. 2.3).
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5.
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5.1 Mit der Autonomiebeschwerde kann sich die Gemeinde u.a. dagegen zur Wehr setzen, dass eine kantonale Behörde im Rechtsmittelverfahren ihre Prüfungsbefugnis überschreitet, die den betreffenden Sachbereich ordnenden kommunalen, kantonalen oder bundesrechtlichen Normen falsch anwendet oder ihnen zu Unrecht die Gefolgschaft verweigert. Die Gemeinden können in diesem Rahmen auch eine Verletzung des Willkürverbots oder des Rechtsgleichheitsgebots rügen, sofern diese Vorbringen mit der behaupteten Verletzung der Autonomie in engem Zusammenhang stehen (vgl. BGE 133 I 128 E. 3.1 S. 130 f.; 129 I 290 E. 2.1 S. 294, 313 E. 4.1, 410 E. 2.3; Urteil 8C_650/2009 vom 21. Januar 2010 E. 7.1).
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5.2 Unter der Überschrift "Verletzung der Gemeindeautonomie" macht die Beschwerdeführerin geltend, der angefochtene Entscheid habe erhebliche Auswirkungen auf den Gemeindehaushalt, da damit Mehrkosten von rund Fr. 125'000.- pro Jahr verbunden wären. Die Gemeinde, die die finanziellen Lasten der Unterstützung trägt, hat zwar ein legitimes Interesse daran, dass ihre Geld- und Sachmittel möglichst sinnvoll und wirksam eingesetzt werden. Sie handelt, indem sie über Unterstützungsmassnahmen entscheidet, zugleich als Verwalterin ihrer eigenen Finanzmittel. Eine Autonomieverletzung kann daraus indessen nicht abgeleitet werden. Anders verhält es sich nur, wenn sich die Gemeinde gegen eine Verletzung ihrer Existenzberechtigung zur Wehr setzt, weil die streitige Massnahme im Ergebnis ihr wirtschaftliches Gleichgewicht bis hin zur Gefährdung ihrer Existenzgrundlage beeinträchtigen würde (Urteil 8C_993/2008 vom 3. Juni 2009 E. 6.4.2). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
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5.3 Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, die Verfügung vom 7. Oktober 2009 verletze in Bezug auf die Wohnkosten durch die Begrenzung der Mietkosten auf den bisherigen Betrag weder das Recht auf Niederlassung noch die Rechtsgleichheit des Beschwerdegegners. Dieser habe sich problemlos in A._________ melden und dort Wohnsitz nehmen können, wo er gleich behandelt worden sei wie andere Personen, die bei vorbestehendem Sozialhilfebezug eigenmächtig die Wohnkosten erhöht hätten. Die der Verfügung zugrunde liegende Praxis entspreche dem in der Sozialhilfe geltenden Gebot der Schadenminderungspflicht und decke sich mit dem Prinzip der Eigenverantwortung. Sie habe ihre Grundlage in § 17 Abs. 1 SHV und liege im öffentlichen Interesse. Überdies berücksichtige sie den Grundsatz der Verhältnismässigkeit.
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5.4 Die Sozialhilfebehörde begründet somit lediglich, weshalb sie an der von ihr erlassenen Verfügung festhält. Inwiefern die Betrachtungsweise des kantonalen Gerichts, wonach die unter dem maximalen Richtsatz der Stadt X.________ von Fr. 1'000.- liegende Miete der neuen Wohnung in Höhe von Fr. 788.- im Monat mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse angemessen und von dieser im Rahmen der Sozialhilfe zu übernehmen sei, in rechtsverletzender oder willkürlicher Weise in den Ermessensspielraum der Beschwerdeführerin eingreifen und damit ihre Autonomie verletzen würde, legt diese nicht dar. Dasselbe gilt hinsichtlich der Erwägung des kantonalen Gerichts, wonach die Sachlage zu unterscheiden sei vom eigenmächtig vorgenommenen Wechsel der unterstützten Person in eine teurere Wohnung, deren Kosten über dem von der betroffenen Gemeinde vorgegebenen Richtsatz liege. Vielmehr erschöpft sich die Beschwerde in einer unzulässigen appellatorischen Kritik (vgl. E. 3 hievor). Mangels hinreichender Substanziierung kann daher insoweit darauf nicht eingetreten werden.
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6.
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Die Beschwerde erweist sich deshalb als unbegründet und ist abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG), da es um ihr Vermögensinteresse geht und sie sich folglich nicht auf Art. 66 Abs. 4 BGG berufen kann.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 18. November 2010
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
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Ursprung Hofer
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