BGer 6B_932/2010 |
BGer 6B_932/2010 vom 05.05.2011 |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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6B_932/2010
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Urteil vom 5. Mai 2011
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Strafrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Mathys, Präsident,
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Bundesrichter Wiprächtiger, Denys,
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Gerichtsschreiber Borner.
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Verfahrensbeteiligte |
M.________, vertreten durch Rechtsanwalt Hermann Just,
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Beschwerdeführer,
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Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Sennhofstrasse 17, 7001 Chur,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Angriff,
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Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, I. Strafkammer, vom 24. September 2010.
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Sachverhalt:
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A.
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Die Anklage wirft M.________ im Wesentlichen vor, am 13. September 2008 um 03.00 Uhr P.________ und C.________ angepöbelt zu haben, um sie zu provozieren. Nachdem P.________ auf die verbale Provokation M.________ angeschrien oder zurückgeschubst habe, habe W.________ P.________ geohrfeigt, und N.________ habe C.________ mit einem Faustschlag ins Gesicht niedergestreckt. Letzterer erlitt eine Hirnerschütterung und befand sich drei Tage im Spital.
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B.
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Das Bezirksgericht Plessur verurteilte M.________ am 15. April 2010 wegen Angriffs zu einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 10.-- und einer Busse von Fr. 200.--.
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Eine Berufung des Verurteilten wies das Kantonsgericht von Graubünden am 24. September 2010 ab.
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C.
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M.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und er sei vom Vorwurf des Angriffs freizusprechen.
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Erwägungen:
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1.
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Der Beschwerdeführer bestreitet, dass sich die Angegriffenen lediglich passiv verhalten hätten. P.________ habe ihn so heftig geschubst, dass er auf den Boden gefallen sei. Die Vorinstanz habe sich zur Intensität des Schubsens nicht geäussert und entgegen seiner klaren Aussage den Schluss gezogen, das Stossen sei ein völlig passives Verhalten und damit auch keine Tätlichkeit gewesen. Diese Beweiswürdigung verletze den Grundsatz "in dubio pro reo" (Beschwerdeschrift S. 9 lit. b).
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Im vorinstanzlichen Verfahren hat der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht, er sei auf den Boden gefallen (kantonale Akten, act. 1.46). Nachdem bereits das Bezirksgericht gleich argumentiert hatte wie die Vorinstanz, veranlasste nicht erst deren Entscheid das neue Vorbringen. Darauf ist nicht einzutreten (Art. 99 Abs. 1 BGG).
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2.
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Der Beschwerdeführer macht geltend, W.________ habe P.________ geohrfeigt, nachdem dieser den Beschwerdeführer angeschrien oder geschubst habe, und danach habe N.________ C.________ die Faust ins Gesicht geschlagen. Der Tatbestand des Angriffs sei geschaffen worden, um Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, weil im Nachhinein oft nicht mehr festgestellt werden könne, wer welchen Beitrag geleistet bzw. welchen Erfolg bewirkt habe. Hier seien die beiden körperlichen Attacken sowohl zeitlich als auch räumlich getrennt und Täter und Opfer klar zuordenbar. Deshalb sei Art. 134 StGB nicht anwendbar.
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Dass die fragliche Bestimmung auch Beweisschwierigkeiten vorbeugen soll, trifft zu. Der Beschwerdeführer übersieht jedoch, dass der Angriff als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet ist (PETER AEBERSOLD, Basler Kommentar, 2. Auflage 2007, Art. 134 N. 1). Das heisst, dass das umschriebene Verhalten mit Strafe bedroht wird, weil es nach allgemeiner Erfahrung generell geeignet ist, eine konkrete Gefahr oder eine Verletzung herbeizuführen (Trechsel/Noll, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 6. Auflage 2004, S. 79 lit. B).
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Die Vorinstanz erwägt, die verbalen Provokationen des Beschwerdeführers hätten eindeutig die nachfolgende Durchführung eines tätlichen Angriffs zum Ziel gehabt. Dadurch habe eine Schlägerei gegen die andere Gruppe angezettelt werden sollen, weshalb der Tatbeitrag des Beschwerdeführers den Beginn des Angriffs darstelle. Diese Beurteilung entspricht dem Sinn und Zweck von Art. 134 StGB und ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist nicht von Bedeutung, dass seine Provokationen den beiden konkreten Angriffen vorausgingen und diese bezüglich Täter und Opfer klar zuordenbar sind. Entscheidend ist vielmehr, dass die Provokationen seinen beiden Kollegen den Weg für eine Schlägerei bereiten sollten.
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Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 6. Mai 2008 geht an der Sache vorbei, weil sich die dortigen Erwägungen bloss zum Sachverhalt äussern, wenn nur eine einzige Person angegriffen wurde.
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3.
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Zum subjektiven Tatbestand führt die Vorinstanz aus, dem Beschwerdeführer sei bewusst gewesen, dass sich nicht nur N.________, sondern auch W.________ an der tätlichen Auseinandersetzung beteiligen würde (angefochtener Entscheid S. 10 lit. d).
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Dass diese Feststellung willkürlich wäre, macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Im Übrigen trifft seine Behauptung nicht zu, aus den Akten sei nicht ersichtlich, dass er einen Angriff auf beide Opfer habe auslösen wollen. In der polizeilichen Einvernahme vom 13. September 2008 hatte er nämlich ausgesagt: "Ich gebe zu, dass ich die andern Personen provozierte. Jedoch war das die Idee von N.________. Sie suchten einen Grund, um diese Schlägerei zu beginnen. Somit schickten sie mich vor, da ich der Schwächste der Gruppe bin" (kantonale Akten, act. 4.9 S. 3; Hervorhebung durch das Bundesgericht).
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4.
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Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
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Da der Beschwerdeführer unterliegt, hat er die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 5. Mai 2011
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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Mathys Borner
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