BGer 2C_91/2011
 
BGer 2C_91/2011 vom 05.07.2011
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
2C_91/2011
Urteil vom 5. Juli 2011
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiber Zähndler.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Tobias F. Rohner,
gegen
Finanzdirektion des Kantons Zürich,
Walcheplatz 1, Postfach, 8090 Zürich,
handelnd durch das Kantonale Steueramt Zürich, Dienstabteilung Erbschaftssteuer, Bändliweg 21, Postfach, 8090 Zürich.
Gegenstand
Schenkungssteuer,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, Einzelrichter der 2. Abteilung, vom 27. Oktober 2010.
Erwägungen:
1.
Mit öffentlich beurkundetem Kaufvertrag vom 15. August 2007 erwarb X.________ hälftiges Miteigentum an einem Wohnhaus in der Stadt A.________. Die andere Hälfte der Liegenschaft wurde von ihrem Lebenspartner Y.________ erworben. Der Kaufpreis von insgesamt Fr. 620'000.-- wurde einerseits durch einen Hypothekarkredit in Höhe von Fr. 500'000.-- und andererseits durch Eigenmittel in Höhe von Fr. 120'000.-- gedeckt. Die aufgebrachten Eigenmittel stammen ausschliesslich von Y.________.
Als Folge des obengenannten Vorgangs forderte die Finanzdirektion des Kantons Zürich von X.________ eine Schenkungssteuer in Höhe von Fr. 9'000.--. Sie begründete dies damit, dass das hälftige Miteigentum am Wohnhaus einem Wert von Fr. 310'000.-- entspreche und abzüglich der Hälfte des Hypothekarkredits, ausmachend Fr. 250'000.--, eine Schenkung von Fr. 60'000.-- vorliege.
Die hiergegen von X.________ erhobene Einsprache bei der Finanzdirektion blieb erfolglos und am 27. Oktober 2010 wies auch das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich einen von ihr eingereichten Rekurs ab.
2.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die von X.________ am 28. Januar 2011 geführte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht. Darin beantragt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen, es sei die Schenkungssteuer auf Fr. 0.-- festzusetzen.
2.1 Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass die Vorinstanz von der natürlichen Vermutung eines Schenkungswillens des Lebenspartners ausgegangen sei, ohne diesbezüglich weitere Beweiserhebungen vorzunehmen. Sie erblickt darin eine mangelhafte Feststellung des Sachverhalts sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV), des Willkürverbots (Art. 9 BV) und der Beweislastregel von Art. 8 ZGB.
Die Rüge geht ins Leere, zumal das Verwaltungsgericht auf die einschlägige kantonale Gerichts- und Verwaltungspraxis hingewiesen hat, wonach der Schenkungswillen bei nahestehenden Personen vermutet werde, wenn die übrigen Voraussetzungen einer Schenkung (Zuwendung, Bereicherung aus dem Vermögen eines anderen, Unentgeltlichkeit) gegeben seien. Diese Vermutung erscheint jedenfalls nicht als sachfremd und ist unter der hier massgeblichen Willkürkognition nicht zu beanstanden: Willkür liegt gemäss der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre (vgl. BGE 136 I 316 E. 2.2.2 S. 318 f. mit Hinweisen). Da vorliegend einerseits die Eigenmittel für den Miteigentumsanteil der Beschwerdeführerin unbestrittenermassen von ihrem Lebenspartner stammten und andererseits das Verwaltungsgericht die übrigen Schenkungsvoraussetzungen als erfüllt betrachtete, durfte die Vorinstanz das Bestehen einer Schenkungsabsicht gemäss dem Ausgeführten vermuten, ohne hierdurch die angerufenen Bestimmungen des Bundesrechts zu verletzen. Im Übrigen vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen, welche weiteren Untersuchungen und Beweiserhebungen ihrer Ansicht nach nötig gewesen wären.
2.2 Weiter bringt die Beschwerdeführerin vor, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit ihrem Einwand beschäftigt, dass sie für die Hypothekarschuld von Fr. 500'000.-- in vollem Umfang solidarisch hafte und damit auch in dieser Höhe ein "Insolvenzrisiko" trage; die pflichtgemässe Berücksichtigung dieses Umstands führe zum Ergebnis, dass gar keine steuerbare Zuwendung vorliege, da die Höhe der Solidarschuld den hälftigen Anteil der betreffenden Liegenschaft bei weitem übersteige. Die Beschwerdeführerin rügt in diesem Zusammenhang eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, des Grundsatzes der Waffengleichheit (Art. 6 Ziff. 1 EMRK) sowie des Willkürverbots.
Die Rüge geht fehl: Das Verwaltungsgericht setzte sich im angefochtenen Entscheid sehr wohl mit dem Einwand der Solidarhaft für die Hypothekarschuld auseinander, doch verwies es diesbezüglich auf Art. 148 Abs. 2 OR, wonach ein Solidarschuldner Rückgriff auf seine Mitschuldner nehmen kann, wenn er mehr als den ihm obliegenden Teil bezahlen muss. Von einer Verletzung der angerufenen Verfahrensrechte kann demnach keine Rede sein. Auch erscheint es keinesfalls als willkürlich, wenn das Verwaltungsgericht im vorliegenden Zusammenhang die Hypothekarschuld bei jedem der Solidarschuldner nur anteilsmässig und nicht vollumfänglich berücksichtigt, zumal der Hypothekarschuld auch der Wert der gesamten Liegenschaft und nicht etwa nur der Wert des hälftigen Miteigentumsanteils gegenübersteht.
2.3 Sodann wendet die Beschwerdeführerin ein, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, im Beschwerdeverfahren auf das Vorbringen einzugehen, wonach Darlehensverträge auch formfrei abgeschlossen werden könnten; zwischen ihr, der Beschwerdeführerin, und ihrem Lebenspartner habe ein solcher mündlicher Vertrag bestanden, weswegen es an der Unentgeltlichkeit der Eigentumsübertragung fehle. Ebenso habe sich die Vorinstanz nicht mit dem Einwand beschäftigt, dass im Zusammenhang mit dem Darlehensverhältnis nicht auf das Wertschriftenverzeichnis des Lebenspartners abgestellt werden könne, zumal dieser bei der Steuerbehörde um Berichtigung desselben ersucht habe. Auch aus diesen Gründen sieht die Beschwerdeführerin ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Überdies behauptet sie erneut eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts.
Die behauptete Gehörsverletzung ist nicht ersichtlich, zumal das Verwaltungsgericht die grundsätzliche Formfreiheit eines Darlehensvertrages nicht in Abrede gestellt hat, sondern durchaus auf die Behauptung eines mündlichen Darlehensvertrages zum Zeitpunkt der (Mit-)Eigentumsübertragung eingegangen ist, diese aber in der Folge als unsubstantiiert und wenig glaubhaft bezeichnet hat. Angesichts des Umstands, dass die Beschwerdeführerin bzw. ihr Lebenspartner weder die behauptete Darlehensschuld noch die entsprechende Darlehensforderung in der Steuererklärung der hier massgeblichen Periode 2007 deklariert haben, kann diesbezüglich auch von einer offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung keine Rede sein, zumal die Beschwerdeführerin selber in ihrer Einsprache betreffend die Staats- und Gemeindesteuer 2007 geltend gemacht hatte, sie habe sich bisher in keiner Weise finanziell am Haus beteiligt. Dass der Lebenspartner im Nachhinein - nachdem das Kantonale Steueramt Zürich den Entwurf für die Veranlagung der Schenkungssteuer versandt hatte - um Korrektur des von ihm erstellten Wertschriftenverzeichnisses der Steuererklärung 2007 ersuchte, ändert daran ebenso wenig wie die Einreichung eines erst nachträglich - am 22. Juni 2009 - erstellten schriftlichen Vertrags.
2.4 Schliesslich rügt die Beschwerdeführerin, dass ihr im vorinstanzlichen Verfahren zu Unrecht die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung verweigert worden sei: Dass das Verwaltungsgericht nicht auf ihre Einkommenssituation eingegangen sei, sondern lediglich auf vorhandenes Vermögen in Form von hälftigem Miteigentum an der im Streit liegenden Immobilie verwiesen habe, stelle eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung (Art. 29 Abs. 3 BV), des Willkürverbots sowie des Grundsatzes der Waffengleichheit gem. Art. 6 Ziff. 1 EMRK dar.
Diesbezüglich erweist sich die Rüge als begründet: Zwar trifft es grundsätzlich zu, dass ungeachtet des erzielten Einkommens nicht von prozessualer Bedürftigkeit gesprochen werden kann, wenn eine Rechtssuchende über erhebliche Vermögenswerte verfügt. Ebenfalls ist es grundsätzlich nicht von Bedeutung, in welcher Form diese Werte vorhanden sind; gemäss der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung hat die Art der Vermögensanlage keinen Einfluss auf die Zumutbarkeit, diese Werte vor Inanspruchnahme der unentgeltlichen Rechtspflege anzugreifen. Konkret bedeutet dies, dass Grundeigentümer die für einen Prozess benötigten finanziellen Mittel grundsätzlich durch Vermietung, Belehnung oder gegebenenfalls Veräusserung der Liegenschaft aufzubringen haben (BGE 119 Ia 11 E. 5 S. 12 f.; Urteil 2C_422/2009 vom 21. Dezember 2009 E. 3). Jedoch muss der Rechtssuchenden ein solches Vorgehen möglich und zumutbar sein: In diesem Zusammenhang kann es als gerichtsnotorisch gelten, dass eine Belehnung von Liegenschaften normalerweise nur im Umfang von 80 % des Verkehrswertes möglich ist (vgl. die Urteile 4A_294/2010 vom 2. Juli 2010 E. 3 und 5P.458/2006 vom 6. Dezember 2006 E. 2.4). Im vorliegenden Fall ergibt es sich zudem aus den Akten, dass bereits die Belehnung mit 80 % wegen der damit verbundenen Zinslast nur mit Schwierigkeiten möglich war. Somit durfte das Verwaltungsgericht die unentgeltliche Prozessführung hier nicht mit dem Hinweis auf den von der Beschwerdeführerin gehaltenen hälftigen Miteigentumsanteil an ihrer Wohnliegenschaft verweigern, sondern es hätte auch die Einkommensverhältnisse der Beschwerdeführerin in seine Entscheidung miteinbeziehen müssen. In Anbetracht des im Jahr 2007 deklarierten Gesamteinkommens in Höhe von Fr. 33'022.-- erhellt, dass die Beschwerdeführerin die Kosten eines Prozesses wohl nicht aufzubringen vermag, ohne jene Mittel anzugreifen, die für die Deckung des eigenen notwendigen Lebensunterhalts und desjenigen ihrer Kinder erforderlich sind. Sie gilt daher als bedürftig im Sinne von Art. 29 Abs. 3 BV (BGE 128 I 225 E. 2.5.1 S. 232 mit Hinweisen). In Berücksichtigung der freien Kognition des Verwaltungsgerichts konnte der bei der Vorinstanz eingereichte Rekurs auch nicht geradezu als aussichtslos bezeichnet werden. Der verfassungsmässige Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung hätte es im vorliegenden Fall mithin verlangt, dem diesbezüglichen Gesuch der Beschwerdeführerin zu entsprechen.
3.
Aus den genannten Gründen ist die Beschwerde insoweit teilweise gutzuheissen, als darin die Verweigerung der unentgeltlichen Prozessführung im vorinstanzlichen Verfahren gerügt wird. In der Hauptsache ist die Beschwerde dagegen abzuweisen.
Daraus folgt, dass die Angelegenheit zur Neuregelung der Kostenfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens sowie zur Bestimmung und Honorierung des unentgeltlichen Rechtsbeistands im vorinstanzlichen Verfahren an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen ist.
Soweit die Beschwerdeführerin mit ihren Begehren durchgedrungen ist, sind ihr für das bundesgerichtliche Verfahren keine Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG), wogegen der Kanton Zürich, welcher Vermögensinteressen verfolgte, in diesem Umfang einer (reduzierten) Kostenpflicht unterliegt (Art. 66 Abs. 4 BGG e contrario) und der Beschwerdeführerin eine reduzierte Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren zu entrichten hat (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 2 BGG). Im Umfang des Obsiegens der Beschwerdeführerin wird deren Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung im bundesgerichtlichen Verfahren somit gegenstandslos.
Soweit die Beschwerdeführerin dagegen unterlegen ist, würde sie an sich kostenpflichtig. Da sich die Beschwerde - zumindest was die Frage der unentgeltlichen Prozessführung im vorinstanzlichen Verfahren betrifft - nicht als aussichtslos erwies und auch die prozessuale Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin als erstellt gelten kann, ist jedoch ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung im bundesgerichtlichen Verfahren zu entsprechen (Art. 64 Abs. 1 und Abs. 2 BGG). Demzufolge wird im Umfang ihres Unterliegens auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet. Überdies wird Rechtsanwalt Dr. Tobias F. Rohner als unentgeltlicher Rechtsbeistand bezeichnet und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse entschädigt. Der Kanton Zürich hat trotz seines weitgehenden Obsiegens keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Oktober 2010 insoweit aufgehoben, als es dem Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung im vorinstanzlichen Verfahren nicht stattgegeben hat. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
2.
Die Angelegenheit wird zur Neuregelung der Kostenfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens sowie zur Beiordnung und Honorierung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands im vorinstanzlichen Verfahren an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten werden im Umfang von Fr. 500.-- dem Kanton Zürich auferlegt.
4.
Der Kanton Zürich hat der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 500.-- zu entrichten.
5.
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung im bundesgerichtlichen Verfahren wird gutgeheissen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist:
a) für das bundesgerichtliche Verfahren werden von der Beschwerdeführerin keine Kosten erhoben.
b) Rechtsanwalt Dr. Tobias F. Rohner wird als unentgeltlicher Rechtsbeistand bezeichnet und für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- aus der Bundesgerichtskasse entschädigt.
6.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Finanzdirektion des Kantons Zürich sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, Einzelrichter der 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 5. Juli 2011
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Zünd Zähndler