BGer 6B_757/2011
 
BGer 6B_757/2011 vom 19.01.2012
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
6B_757/2011
Urteil vom 19. Januar 2012
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiber C. Monn.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Entziehen von Unmündigen (Art. 220 StGB),
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 30. September 2011.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
X.________ und seine seit Juni 2007 getrennt von ihm lebende Frau haben zwei Kinder. Diese stehen gemäss einer eheschutzrichterlichen Verfügung vom 14. August 2007 unter der alleinigen Obhut der Frau. Im März 2008 zog diese nach Österreich und setzte sich damit über ein gerichtliches Verbot hinweg, den Aufenthaltsort der Kinder ins Ausland zu verlegen. Ein Rückführungsbegehren wurde indessen vom Obersten Gerichtshof Österreichs am 30. September 2008 abgewiesen. Am 27. Februar 2009 vermochten sich die Eheleute vor dem Präsidenten eines schweizerischen Gerichts über das Besuchsrecht für den Juni 2009 zu einigen. X.________ verpflichtete sich, die Kinder am 10. Juni 2009 spätestens um 15.00 Uhr wieder seiner Frau zu übergeben. Dem kam er nicht nach. Stattdessen hielt er sich bis zum 17. Juni 2009 mit den Kindern an einem geheimen Ort auf.
Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte X.________ am 30. September 2011 im Berufungsverfahren wegen Entziehens von Unmündigen im Sinne von Art. 220 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 70.--, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von zwei Jahren.
X.________ beantragt vor Bundesgericht, er sei freizusprechen. Gegebenenfalls sei die Sache zur Vornahme der nötigen Abklärungen und zu neuem Entscheid an die Vorinstanzen zurückzuweisen.
2.
Da es um eine Strafsache geht, ist die als Berufung bezeichnete Eingabe als Beschwerde gemäss Art. 78 ff. BGG entgegenzunehmen und zu behandeln.
3.
In Anwendung von Art. 109 Abs. 3 BGG kann auf die überzeugenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (vgl. angefochtenen Entscheid S. 7-15 E. 4-11).
In einer Beschwerde ans Bundesgericht ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Soweit sich der Beschwerdeführer mit Fragen befasst, die nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheids sind, ist darauf nicht einzutreten. Dies betrifft z.B. die Vorbringen, seine Frau werde durch eine Organisation in Österreich finanziell unterstützt, auch ihm seien die Kinder grundlos vorenthalten worden, und er werde seinerseits in einem österreichischen Gutachten böswillig angeschuldigt und verleumdet (Beschwerde S. 2/3). All dies ist für den Ausgang des vorliegenden Strafverfahrens ohne Belang.
Im Wesentlichen war vor der Vorinstanz die Behauptung des Beschwerdeführers zu prüfen, dass eine Rückkehr der beiden Kinder in die Obhut der Frau eine dringende Gefährdung ihrer physischen und psychischen Gesundheit bewirken würde. Die Vorinstanz kommt mit ausführlicher Begründung zum Schluss, dass dies nicht zutreffe und sich das Verhalten des Beschwerdeführers deshalb mit den von ihm angeführten höherwertigen Interessen nicht entschuldigen, geschweige denn rechtfertigen lasse. Diese Erwägungen betreffen den Sachverhalt und können vor Bundesgericht deshalb nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG bzw. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV sind. Willkür liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Dass eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint, genügt nicht (BGE 137 I 1 E. 2.4). Die angebliche Willkür ist in der Beschwerde präzise zu rügen, und die Rüge ist zu begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Kritik, wie sie vor einer Instanz mit voller Kognition vorgebracht werden kann, genügt nicht.
Die Ausführungen des Beschwerdeführers beschränken sich zur Hauptsache auf unzulässige appellatorische Kritik. Er macht z.B. geltend, entgegen der Annahme der Vorinstanz sei die Situation in Bezug auf das Muttermal an der Fusssohle des eines Kindes mehr als nur ein Notstand gewesen (Beschwerde S. 5). Die Vorinstanz stellt fest, es sei dabei nicht um eine Angelegenheit von Tagen und Wochen gegangen, so dass der Beschwerdeführer den Besuch beim Dermatologen ohne Weiteres für den nächsten Ferienaufenthalt der Kinder im August 2009 hätte vorsehen können (angefochtener Entscheid S. 11). Der Beschwerdeführer reicht auf einer CD den Bericht eines Kinderpsychiaters vom 12. Juni 2009 ein, der sich indessen nicht zur Frage des Muttermals äussert, weshalb von vornherein keine Willkür dargelegt werden kann.
Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz war vereinbart, dass der Beschwerdeführer die Kinder am Flughafen in Kloten übergeben werde (angefochtener Entscheid S. 7). Dies wird von ihm denn auch ausdrücklich anerkannt (Beschwerde S. 6). Dass die Vereinbarung nur mündlich getroffen wurde, entspricht der gerichtlichen Vereinbarung vom 27. Februar 2009 (vgl. angefochtenen Entscheid S. 6) und ist deshalb nicht zu beanstanden. Folglich ist die vom Beschwerdeführer beantragte Befragung einer Mitarbeiterin der Organisation annea in diesem Zusammenhang unnötig.
Im Übrigen hat auch die Vorinstanz festgestellt, die Mitarbeiterin der annea habe bei anderen Gelegenheiten miterlebt, dass die Kinder nicht zur Mutter zurück wollten (angefochtener Entscheid S. 14). Deshalb erübrigt sich auch unter diesem Gesichtswinkel eine Einvernahme der Mitarbeiterin. Dass die Meinung der noch sehr kleinen Kinder ernst zu nehmen ist (Beschwerde S. 7), wird auch von der Vorinstanz grundsätzlich anerkannt (angefochtener Entscheid S. 14). Dass sie aber ohne Weiteres das allein ausschlaggebende Kriterium für die Zuteilung der Obhut sein soll, behauptet der Beschwerdeführer zu Recht selber nicht.
Ohne dass sich das Bundesgericht zu allen Vorbringen ausdrücklich äussern müsste, erweist sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet. Sie ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
4.
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 BGG abzuweisen, weil die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 19. Januar 2012
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Der Gerichtsschreiber: Monn