BGer 8C_384/2011
 
BGer 8C_384/2011 vom 10.05.2012
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
8C_384/2011
Urteil vom 10. Mai 2012
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiber Krähenbühl.
 
Verfahrensbeteiligte
G.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung (natürlicher Kausalzusammenhang),
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri vom 8. April 2011.
Sachverhalt:
A.
G.________ (Jg. 1979) zog sich am 22. Januar 2003 bei einem Sturz mit ihrem Snowboard eine Thalusfraktur am linken Fussgelenk zu, was eine Behandlung im Spital X.________ erforderlich machte. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) anerkannte ihre Leistungspflicht, kam für die Heilbehandlung auf und richtete Taggelder aus. Am 13. März 2003 konnte die medizinische Behandlung abgeschlossen werden.
Am 4. Juli 2003 berichtete der neue Arbeitgeber der SUVA von persistierenden belastungsabhängigen Fussbeschwerden, welche ab 28. Juni 2003 wiederum eine (Teil-)Arbeitsunfähigkeit zur Folge hatten und am 3. September 2003 eine operative Intervention im Kantonsspital Y.________ erforderlich machten. Die SUVA anerkannte dies als Rückfall, kam wiederum für die Behandlungskosten auf und gewährte Taggelder. Nach einer am 7. Dezember 2004 erfolgten Abschlussuntersuchung durch Kreisarzt Dr. med. R.________ stellte sie die Taggeldleistungen mit Schreiben vom 9. Dezember 2004 auf den 31. Januar 2005 hin ein und mit Verfügung vom 18. Januar 2005 lehnte sie die Erbringung von Rentenleistungen sowie einer Integritätsentschädigung ab.
Mit Verfügung vom 23. Mai 2007 verneinte die SUVA ihre Leistungspflicht im Zusammenhang mit erneut als Rückfall gemeldeten Fussbeschwerden mangels relevanten Kausalzusammenhanges mit dem versicherten Unfallereignis vom 22. Januar 2003. Daran hielt sie auf Einsprache hin mit Entscheid vom 13. Dezember 2007 fest.
B.
Das Obergericht des Kantons Uri wies die dagegen gerichtete Beschwerde nach Einholung eines Gutachtens des Dr. med. E.________ von der Universitätsklinik A.________ vom 1. Februar 2011 mit Entscheid vom 8. April 2011 ab, soweit es darauf eintrat.
C.
G.________ erhebt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Begehren, ihr unter Aufhebung des kantonalen Entscheids weiterhin Taggelder zu gewähren, für Heilungskosten aufzukommen sowie eine Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung zuzusprechen. Zudem ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege.
Die SUVA beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei diese abzuweisen. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Stellungnahme.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung ist das Bundesgericht - anders als in den übrigen Sozialversicherungsbereichen (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG) - nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
2.
2.1 Streitig ist, ob die SUVA mit ihrer Verfügung vom 23. Mai 2007 die Gewährung weiterer Leistungen - abgesehen von einer allenfalls noch notwendigen Schraubenentfernung - zufolge fehlenden natürlichen Kausalzusammenhanges der am 19. März 2007 als Rückfall gemeldeten Fussbeschwerden und dem versicherten Snowboardunfall vom 22. Januar 2003 zu Recht abgelehnt hat.
2.2 Unabdingbare Voraussetzung für die Leistungspflicht der Unfallversicherung bildet das Vorliegen eines natürlichen und (kumulativ erforderlichen) adäquaten Kausalzusammenhanges zwischen vorhandener Schädigung und versichertem Unfallereignis (BGE 129 V 177 E. 3 S. 181 ff. mit Hinweisen). Dies gilt für alle in Betracht fallenden Ansprüche, namentlich für die Heilbehandlung (Art. 10 Abs. 1 UVG), das Taggeld (Art. 16 Abs. 1 UVG), eine Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 UVG) und eine Integritätsentschädigung (Art. 24 Abs. 1 UVG). Fehlt es an einem rechtserheblichen Kausalzusammenhang, trifft den Unfallversicherer für diese Ansprüche keine Leistungspflicht. Den Begriff des natürlichen Kausalzusammenhangs und die bei dessen Beurteilung nach Gesetz und Rechtsprechung zu beachtenden Grundsätze (BGE 129 V 177 S. 181 E. 3.1) hat das kantonale Gericht sowohl in materieller als auch in formeller, namentlich beweisrechtlicher Hinsicht richtig dargelegt, worauf verwiesen wird. Dasselbe gilt insbesondere bezüglich der bei der Einholung und Würdigung ärztlicher Stellungnahmen rechtsprechungsgemäss zu beachtenden Aspekte (BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 ff.).
3.
3.1 Die SUVA macht in ihrer Vernehmlassung vom 19. März 2012 geltend, während die Beschwerdeführerin in ihrer der Vorinstanz eingereichten Rechtsschrift vom 10. Dezember 2007 unter anderem sinngemäss beantragt habe, das Bestehen eines natürlichen Kausalzusammenhanges zwischen den im Dezember 2006 als Rückfall gemeldeten Fussbeschwerden und dem versicherten Unfallereignis vom 22. Januar 2003 festzustellen, habe sie am 15. Mai 2008 - nunmehr anwaltlich vertreten - ihre Begehren insoweit präzisiert, als sie ausdrücklich und ausschliesslich noch eine Rente und eine Integritätsentschädigung verlangte. Damit sei der Streitgegenstand auf diese beiden Leistungsansprüche reduziert worden, worauf das kantonale Gericht ohne materielle Überprüfung gar nicht eingetreten sei. Deshalb und weil überdies auch die Gewährung von Taggeldern sowie die Übernahme von Heilungskosten im vorinstanzlichen Verfahren nicht Steitgegenstand bildeten, könne das Bundesgericht auf die bei ihm erhobene Beschwerde nicht eintreten, zumal bezüglich des vorinstanzlichen Nichteintretensentscheids als solchem weder ein konkreter Antrag noch eine entsprechende Begründung vorlägen.
3.2 In der Verfügung vom 23. Mai 2007 und im Einspracheentscheid vom 13. Dezember 2007 bestand für die SUVA keine Veranlassung, die Voraussetzungen für eine Taggeldausrichtung, die Übernahme von Heilungskosten, eine Rentengewährung oder die Zusprache einer Integritätsentschädigung (E. 2.2 hievor) bezogen auf die für diese Leistungsarten spezifischen Anspruchserfordernisse detailliert zu prüfen, nachdem sie mit der Verneinung einer rechtserheblichen natürlichen Unfallkausalität schon eine unabdingbar erforderliche Grundvoraussetzung für deren Zugestehung als nicht gegeben qualifiziert hatte. Die Verneinung der natürlichen Unfallkausalität genügte, um alle diese in Betracht fallenden Leistungen zu verweigern. Folgerichtig ist das kantonale Gericht auf die Begehren um eine Rente und eine Integritätsentschädigung denn auch nicht eingetreten. Soweit diese beiden Anträge im angefochtenen Entscheid unbeurteilt geblieben sind, es insoweit mithin an einem Anfechtungsgegenstand fehlt, kann das Bundesgericht darauf ebenfalls nicht eintreten. Das bedeutet aber nicht, dass - wie die SUVA argumentiert - gesamthaft auf die Beschwerde nicht einzutreten wäre. Immerhin wurde der Leistungsanspruch unter einem - entscheidenden - Teilaspekt, nämlich dem Vorliegen einer natürlichen Unfallkausalität, im kantonalen Entscheid geprüft und verneint, was einer bundesgerichtlichen Überprüfung zugänglich bleiben muss. Es kann der Beschwerdeführerin nicht zum Nachteil gereichen, dass sie leistungsspezifische Anträge stellt, über die mangels natürlicher Kausalität nicht umfassend befunden worden ist. Vielmehr muss auf die Beschwerde eingetreten werden, soweit das vom kantonalen Gericht effektiv beurteilte Fehlen der Unfallkausalität beanstandet wird.
4.
Entgegen der Auffassung der SUVA ist daher die natürliche Kausalität des versicherten Snowboardunfalles vom 22. Januar 2003 für die noch geklagten Beschwerden zu überprüfen.
4.1 Weil ihm die vorhandenen ärztlichen Berichte eine abschliessende und schlüssige Beurteilung der streitigen Kausalitätsfrage nicht erlaubten, hat das kantonale Gericht zusätzlich eine spezialärztliche Begutachtung in der Universitätsklinik A.________ durch Dr. med. E.________, Leiter Fuss- und Sprunggelenkchirurgie, veranlasst. Nach eingehender Prüfung der gesamten medizinischen Aktenlage ist es in seinem Entscheid vom 8. April 2011 gestützt auf dessen Expertise vom 1. Februar 2011 zum Schluss gelangt, dass die natürliche Kausalität des Snowboardunfalles für die aufgetretene linksseitige Fussproblematik nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als erstellt gelten kann.
4.2 Gegen diese vorinstanzliche Betrachtungsweise wendet die Beschwerdeführerin in ihrer am 12. Mai 2011 der Post in Belgien übergebenen Rechtsschrift sinngemäss ein, im angefochtenen Entscheid würden drei Meinungsäusserungen ihres belgischen Arztes Dr. med. B.________ angeführt, welche den streitigen Kausalzusammenhang belegten; die Begutachtung in der Universitätsklinik A.________ hätte demgegenüber kein eindeutiges Fehlen des erforderlichen Kausalzusammenhanges ergeben. In der auf Aufforderung des Bundesgerichts - noch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist - eingereichten ergänzenden Beschwerdeschrift vom 25. Mai 2011 führt sie aus, trotz Mangelhaftigkeit des zur Verfügung stehenden Bildmaterials sei - zu Unrecht - von den von Dr. med. E.________ angeregten röntgenologischen Zusatzabklärungen abgesehen worden; zudem sei die Kausalitätsbeurteilung des Gutachters widersprüchlich und die diesbezüglichen Sachverhaltsfeststellungen des kantonalen Gerichts demzufolge offensichtlich unrichtig. Zur näheren Begründung dieser Argumentation beruft sie sich auf den Bericht über die im Kantonsspital Y.________ am 3. September 2003 durchgeführte Operation und die seinerzeit intraoperativ erhobenen Befunde, welche auch von Dr. med. E.________ als glaubhaft eingestuft würden und eine unfallkausale Bänder- und Sehnenschädigung bestätigen würden.
4.3 Auf entsprechende Expertenfragen antwortete Dr. med. E.________ in seinem Gutachten vom 1. Februar 2011, zwischen den aktuellen Beschwerden und dem versicherten Unfallereignis bestehe aufgrund der Akten, der klinischen Befunde und des vorhandenen Bildmaterials ein möglicher natürlicher Zusammenhang; der Unfall sei mögliche Teilursache für die zur Zeit vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen am linken Fuss. Die Beschwerden erachtete er demnach als teilweise auf den Unfall zurückzuführen und - nach dem Beweisgrad gefragt - antwortete er mit: "überwiegend wahrscheinlich bis möglich."
Aus letztgenannter Antwort ergibt sich, dass es Dr. med. E.________ nicht ausschliessen konnte, die auf ein zumindest teilweise objektivierbares organisches Korrelat zurückzuführenden Beschwerden als mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Snowboardunfall vom 22. Januar 2003 herrührend zu qualifizieren. Daran ändert der einschränkende Zusatz "bis möglich" nichts. Die gewählte Formulierung der Expertenantwort "überwiegend wahrscheinlich bis möglich" kann entgegen der von der SUVA geteilten vorinstanzlichen Betrachtungsweise jedenfalls nicht mit hinreichender Gewissheit dahingehend ausgelegt werden, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs ausser Betracht fiele, womit den Unfallversicherer keine weitere Leistungspflicht treffen würde. Zu Recht mag das kantonale Gericht den Meinungsäusserungen des Dr. med. B.________ zwar nur geringe Beweiskraft beigemessen haben, werden seine Schlussfolgerungen doch kaum erläutert und lässt sich in den ärztlichen Einschätzungen vom 16. März und 14. Mai 2007 sowie vom 11. April 2008 auch keine medizinisch überzeugende Begründung finden. Dennoch ist eine gewisse Widersprüchlichkeit im Gutachten des Dr. med. E.________ vom 1. Februar 2011 nicht zu verkennen, nachdem einerseits zwar von einer Teilkausalität des erlittenen Sportunfalles die Rede ist, andererseits eine solche dann aber doch nur als möglich bezeichnet und nicht mit dem für einen Leistungsanspruch erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeitsgrad als gegeben erachtet wird.
Unter diesen Umständen hätte die Vorinstanz die streitige Unfallkausalität nicht einzig gestützt auf das in der Universitätsklinik A.________ eingeholte Zusatzgutachten vom 1. Februar 2011 verneinen dürfen. Die bestehenden Ungereimtheiten wird das kantonale Gericht durch zielgerichtete Fragen an den Experten Dr. med. E.________ oder aber nötigenfalls im Rahmen einer zusätzlich anzuordnenden Begutachtung klären müssen. Die erforderlichen weiteren Erhebungen werden auch Klarheit darüber zu verschaffen haben, ob die von Dr. med. E.________ vorgeschlagenen röntgenologischen Abklärungen, namentlich eine weiterführende Fluorid-PET-CT- und eine SPECT-CT-Untersuchung, lediglich der Klärung einzelner Umbauprozesse in den betroffenen Gebieten dienen können, hinsichtlich der hier interessierenden Frage nach der Unfallkausalität aber - wie die SUVA annimmt - keine verwertbaren neuen Erkenntnisse erwarten lassen. Deren allenfalls wünschbare Anordnung bleibt letztlich dem kantonalen Gericht anheimgestellt.
4.4 Was schliesslich die Bezugnahme der Beschwerdeführerin auf die im Herbst 2003 im Kantonsspital Y.________ durchgeführte Operation und die damaligen Befunde intraoperativer Art anbelangt, ist zu beachten, dass Anfang 2005 der damals als Unfallfolge anerkannte Rückfall rechtskräftig abgeschlossen werden konnte und daher aus den vor Jahren erfolgten medizinischen Feststellungen keine für die Kausalitätsbeurteilung neuerlich gemeldeter Beschwerden relevante Schlüsse gezogen werden können. Dass Dr. med. E.________ diesen "Glauben schenken" will, die Unfallkausalität gelegentlich aber dennoch als bloss "möglich" einstuft, lässt jedenfalls nicht - wie von der Beschwerdeführerin behauptet - auf eine Widersprüchlichkeit seines Gutachtens schliessen.
5.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten (Art. 65 Abs. 1 und Abs. 4 lit. a BGG) von der SUVA als unterliegender Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege wird damit gegenstandslos. Der nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin steht trotz ihrer auf Grund der angeordneten Rückweisung obsiegenden Parteistellung (BGE 132 V 215 E. 6.2) gegenüber der SUVA keine Parteientschädigung nach Art. 68 Abs. 2 BGG zu.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri vom 8. April 2011 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Beschwerde neu entscheide.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Uri und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 10. Mai 2012
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Ursprung
Der Gerichtsschreiber: Krähenbühl