BGer 1B_275/2013
 
BGer 1B_275/2013 vom 28.10.2013
{T 0/2}
1B_275/2013
 
Urteil vom 28. Oktober 2013
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Eusebio,
Gerichtsschreiber Störi.
 
Verfahrensbeteiligte
1. X.________,
2. Y.________ Sàrl,
3. Z.________ SA,
Beschwerdeführer,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Markus Spielmann,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn.
Gegenstand
Beschlagnahmung eines Fahrzeugs,
Beschwerde gegen das Urteil vom 11. Juli 2013
des Obergerichts des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
C.
 
Erwägungen:
 
1.
 
2.
2.1. Als Zwangsmassnahme im Sinn von Art. 196 StPO kann eine Beschlagnahme angeordnet werden, wenn sie gesetzlich vorgesehen ist, ein hinreichender Tatverdacht vorliegt, sie verhältnismässig ist und durch die Bedeutung der Straftat gerechtfertigt wird (Art. 197 Abs. 1 StPO). Eine Beschlagnahme ist u.a. im Hinblick auf eine allfällige Einziehung durch den Strafrichter zulässig (Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO). Nach der Rechtsprung des Bundesgerichts zu den altrechtlichen kantonalen Strafprozessordnungen, die weiterhin Geltung beanspruchen kann, setzt die Einziehungsbeschlagnahme voraus, dass ein begründeter, konkreter Tatverdacht besteht, die Verhältnismässigkeit gewahrt wird und die Einziehung durch den Strafrichter nicht bereits aus materiellrechtlichen Gründen als offensichtlich unzulässig erscheint. Entsprechend ihrer Natur als provisorische (konservative) prozessuale Massnahme prüft das Bundesgericht bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Beschlagnahme - anders als der für die (definitive) Einziehung zuständige Sachrichter - nicht alle Tat- und Rechtsfragen abschliessend; es hebt eine Beschlagnahme nur auf, wenn ihre Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt sind (Urteil 1B_98/2013 vom 25. April 2013 E. 2.1, zur Publikation vorgesehen; BGE 124 IV 313 E. 4 S. 316; vgl. auch BGE 128 I 129 E. 3.1.3 S. 133 f.; 126 I 97 E. 3d/aa S. 107; Urteile 1B_711/2012 vom 14. März 2013 E. 3.1; 1B_397/2012 vom 10. Oktober 2012 E. 5.1; 1B_252/2008 vom 16. April 2009 E. 4.3).
2.2. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer 1 dringend verdächtig ist, die mit "Höchstgeschwindigkeit 60" signalisierte Baustelle mit einer Geschwindigkeit von 139 km/h passiert zu haben. Er wendet zwar ein, die Baustellensignalisation sei nicht rechtsgültig angebracht worden, weshalb von einer ausserorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h auszugehen sei. Es sei damit von einer Geschwindigkeitsüberschreitung von weniger als 50 km/h auszugehen, womit Art. 90 Abs. 3 SVG keine Anwendung finde.
2.3. Umstritten ist, ob die Einziehung des Tatfahrzeugs in Betracht fällt.
2.3.1. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des Handlungsprogramms des Bundes für mehr Sicherheit im Strassenverkehr ("Via sicura") die Strafbestimmungen des SVG per 1. Januar 2013 verschärft. Dabei hat er zu den beiden bisherigen Kategorien von Verkehrsregelverletzungen - der als Übertretung strafbaren einfachen (Art. 90 Abs. 1 SVG) und der als Vergehen strafbaren groben Verkehrsregelverletzung (Art. 90 Abs. 2 SVG) - eine dritte Kategorie von als Verbrechen strafbaren, besonders bzw. qualifiziert groben Verkehrsregelverletzungen hinzugefügt (Art. 90 Abs. 3 SVG). Danach wird mit Freiheitsstrafe zwischen einem und vier Jahren bestraft, "wer durch vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht, namentlich durch besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, waghalsiges Überholen oder Teilnahme an einem nicht bewilligten Rennen mit Motorfahrzeugen". In Art. 90 Abs. 4 SVG wird sodann aufgelistet, welche Geschwindigkeitsübertretungen in jedem Fall nach Abs. 3 geahndet werden. Wird, was dem Beschwerdeführer 1 vorgeworfen wird, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um mindestens 60 km/h überschritten, liegt eine qualifiziert grobe Geschwindigkeitsüberschreitung im Sinn von Abs. 3 vor.
2.3.2. Nach Art. 90a Abs. 1 SVG kann der Strafrichter "die Einziehung eines Motorfahrzeugs anordnen, wenn:
a.eine grobe Verkehrsregelverletzung in skrupelloser Weise begangen wurde; und
b. der Täter durch die Einziehung von weiteren groben Verkehrsregelverletzungen abgehalten werden kann".
2.3.3. Mit Art. 90a SVG wollte der Gesetzgeber die an sich nach Art. 69 StGB schon bisher mögliche und in verschiedenen Kantonen auch praktizierte Einziehung von Fahrzeugen auf Bundesebene einheitlich regeln ( CÉDRIC MIZEL, Le délit de chauffard et sa répression pénale et administrative, in: AJP 2013 S. 189 ff., S. 199). Damit kann die bisherige Praxis jedenfalls teilweise weiterhin Geltung beanspruchen.
2.3.4. Wie oben in E. 2.1 dargelegt, sind diese Fragen zur Problematik einer allfälligen Einziehung nicht abschliessend zu klären; das wird Sache des Strafrichters sein, dem das Bundesgericht vorliegend nicht vorzugreifen hat. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich für die hier allein zu beurteilende Zulässigkeit der Beschlagnahme Folgendes:
2.4. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit (Art. 36 Abs. 3 BV) muss die Beschlagnahme des Fahrzeugs geeignet und erforderlich sein, um dessen Einziehung sicherzustellen; dass sie angesichts der Schwere des strafrechtlichen Vorwurfs grundsätzlich gerechtfertigt ist, wurde bereits dargelegt (oben E. 2.3.4 zweiter Absatz). Fraglich erscheint, ob die Beschlagnahme des Fahrzeugs zur Sicherung einer allfälligen Einziehung erforderlich ist. Der unter anderem auch wegen Verkehrs- und Vermögensdelikten massiv vorbestrafte Beschwerdeführer 1 ist bereits wieder in Strafverfahren verwickelt; er scheint Mühe zu haben, sich gesetzeskonform zu verhalten und bietet daher keine Gewähr, sich den Konsequenzen einer allfälligen Verurteilung zu unterziehen und das Fahrzeug im Fall einer Einziehung herauszugeben; daran ist umso mehr zu zweifeln, als die Eigentumsverhältnisse am Fahrzeug offenbar nicht restlos geklärt sind. Eine mildere Massnahme, den Strafverfolgungsbehörden den Zugriff auf das Fahrzeug zu sichern, ist nicht ersichtlich. Insgesamt erscheint die Beschlagnahme daher auch unter diesem Gesichtspunkt vertretbar.
 
3.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. 
2. 
3. 
Lausanne, 28. Oktober 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Störi