BGer 9C_579/2013 |
BGer 9C_579/2013 vom 03.12.2013 |
9C_579/2013 {T 0/2}
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Urteil vom 3. Dezember 2013 |
II. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Kernen, Präsident,
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Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
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Gerichtsschreiber Schmutz.
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Verfahrensbeteiligte |
U.________, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Caterina Nägeli,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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IV-Stelle des Kantons Zürich,
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Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung (Invalidenrente),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
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vom 31. Mai 2013.
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Sachverhalt: |
A. Die 1965 geborene U.________ war bis 2009 mit wechselndem Beschäftigungsgrad für verschiedene Arbeitgeber in den Bereichen Reinigung und Service tätig. Sie meldete sich am 22. Oktober 2009 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich klärte die medizinischen und wirtschaftlichen Verhältnisse ab. Sie holte insbesondere ein orthopädisch-rheumatologisch-neurologisches Gutachten der Dres. med. K.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie, und M._______, Facharzt für Neurologie FMH, Klinik X.________ (vom 15. Juni 2011), ein. Mit Vorbescheid vom 23. August 2011 und Verfügung vom 16. Januar 2012 verneinte sie den Anspruch der Versicherten auf eine Invalidenrente mangels eines leistungsbegründenden Invaliditätsgrades.
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B. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 31. Mai 2013 ab.
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C. U.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie stellt Antrag auf Zusprechung einer ganzen Invalidenrente ab 21. Juli 2010 bis auf Weiteres; eventualiter sei die Sache zu weiteren Abklärungen und überdies zur Einholung eines neutralen und spezialärztlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit an die Vorinstanz zurückzuweisen; zudem ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege.
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Erwägungen: |
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2. Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine Invalidenrente. Verwaltung und Vorinstanz haben den ablehnenden Entscheid vorab auf das orthopädisch-rheumatologisch-neurologische Gutachten der Sachverständigen der Klinik X.________ abgestützt. Darin ist in orthopädisch-rheumatologischer Hinsicht ein Zustand nach Dekompression L3-L5 bei Spinalkanalstenose, der Verdacht auf beginnende Spondylarthrose HWS und muskuläre Dysbalance-Insuffizienz Schulter-Nacken, LWS ohne wesentlichen behindernden Effekt diagnostiziert. Aus neurologischer Sicht ist eine Wurzelkompression L5 links, der Verdacht auf ein Sulcus-ulnaris-Syndrom rechts und ein leichtgradiges Vertebralsyndrom angegeben. Der Grad der Arbeitsfähigkeit im bisherigen Arbeitsverhältnis bzw. Aufgabenbereich sowie in angepassten Tätigkeiten ist auf 100 % festgelegt. Unter Berücksichtigung leidensbedingter Einschränkungen am Arbeitsplatz hat die IV-Stelle eine Erwerbseinbusse von 10 % ermittelt, was für die Vorinstanz nicht zu beanstanden ist.
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3. Die Beschwerdeführerin bringt, wie bereits im kantonalen Verfahren, vor, die Gutachter Dres. med. K.________ und M._______ seien als voreingenommen und abhängig zu betrachten, zumindest werde ein Befangenheitsanschein erweckt. Sie begründet es damit, die Klinik X.________ gehöre zur Spitalgruppe Y.________, welcher auch die Klinik Z.________ angeschlossen sei, in welcher sie am 16. Dezember 2009 an der Wirbelsäule operiert worden sei. Die Befangenheit zeige sich auch daran, dass die gutachterliche Beurteilung in Teilen unhaltbar sei.
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4. |
4.1. Ob bei einer gegebenen Sachlage auf die Voreingenommenheit des Sachverständigen zu schliessen ist, ist eine frei zu prüfende Rechtsfrage (Urteil 9C_1058/2009 vom 15. März 2010 E. 3). Das kantonale Gericht hat erwogen, die Spitalgruppe Y.________ umfasse mehrere Kliniken in verschiedenen Kantonen. Bei den Gutachtern Dres. med. K.________ und M._______ könne nach der Rechtsprechung nicht allein schon deshalb der Anschein der Befangenheit bestehen, weil zuvor in einer anderen zur Gruppe gehörenden Klinik eine Operation durchgeführt worden sei. Bei Sachverständigen sei Befangenheit anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die in objektiver Weise und nicht bloss aufgrund des subjektiven Empfindens der Partei geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit zu wecken. Die von der Beschwerdeführerin als Indiz vorgebrachte positive Beurteilung des Operationserfolgs im Gutachten sei aus sachlichen Gründen und Überlegungen erfolgt und es fehlten Anhaltspunkte, die deswegen den Anschein der Befangenheit oder Voreingenommenheit zu begründen vermöchten.
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4.2. Das kantonale Gericht hat mit Recht erwogen, dass bei der hier zu beurteilenden Interessenlage und der rechtlichen und personellen Konstellation keine Umstände gegeben waren, die objektiv geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit der Sachverständigen zu wecken. So schliesst nach der Rechtsprechung die Tatsache, dass sich ein Sachverständiger schon einmal mit einer Person befasst hat, später dessen Beizug als Gutachter nicht zum vornherein aus (Urteil 8C_282/2012 vom 11. Mai 2012 E. 5). Ebenso kann allein aus dem Umstand, dass ein Erstgutachter früher selber Mitarbeiter der zweitbegutachtenden Abklärungsstelle war, nicht auf eine spätere Befangenheit der Experten der Abklärungsstelle geschlossen werden (Urteil 8C_328/2011 vom 7. Dezember 2011 E. 6.1 u. 6.2). Es ist offensichtlich, dass der von der Beschwerdeführerin für den Anschein der Befangenheit geforderte sehr strenge Massstab die Auswahl von Sachverständigen generell derart erschweren würde, dass eine den medizinischen, rechtlichen und zeitlichen Anforderungen gerecht werdende Begutachtung kaum noch erfolgen könnte. Die Beschwerdeführerin hat nicht aufgezeigt, warum die Zugehörigkeit zweier Kliniken zur gleichen Spitalgruppe den von ihr behaupteten Anschein erwecken könnte, die Gutachter seien voreingenommen und nicht unabhängig. Wie die Vorinstanz richtig erwogen hat, liegen keine Umstände vor, die in objektiver Weise geeignet sind, Misstrauen in ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit wachzurufen. Kein Indiz für eine Befangenheit ist, dass sie das Ergebnis der Wirbelsäulenoperation als sehr gut beurteilt haben. Auch wenn der gutachterliche Auftrag primär die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit in der angestammten und in Verweisungstätigkeiten betraf, so ist es - gerade bei dem geforderten objektiven ärztlichen Befund - eine Selbstverständlichkeit, dass in die Beurteilung auch Operationsergebnisse einzubeziehen sind.
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4.3. Auch gehört es zur Aufgabe des Gutachters, beobachtetes Verhalten zu beschreiben, weshalb allein daraus nicht der Anschein der Befangenheit abgeleitet werden kann (vgl. Urteil 8C_232/2011 vom 12. Oktober 2011 E. 7.2.3 mit Hinweisen). Der Gutachter hat den Befund anhand der Klinik zu überprüfen und dessen Auswirkungen bei der Untersuchung und im Alltag substanziiert darzulegen. Dazu gehören insbesondere auch Angaben zum beobachteten Verhalten und Feststellungen über die Konsistenz der gemachten Angaben (vgl. Urteil 8C_282/2012 vom 11. Mai 2012 E. 5). Entgegen dem Vorhalt der Beschwerdeführerin ist darum der Hinweis der Sachverständigen, die Versicherte habe Einschränkungen und Beschwerden während der Untersuchung demonstrativ dargeboten, für sich alleine nicht geeignet, ein Misstrauen an ihrer Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit zu wecken.
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4.4. Ebenso ist der Einwand unbegründet, die Vorinstanz habe sich nicht mit der Feststellung der Gutachter auseinandergesetzt, wonach keine behinderungsrelevante Parese des Grosszehenhebers vorliege. Sie ist als Sachverhaltselement in E. 3.1 des angefochtenen Entscheides angeführt. Nach der Rechtsprechung (BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188, 229 E. 5.2 S. 236) kann die Beschwerde führende Person nicht erwarten, dass sich das vorinstanzliche Gericht mit jeder in den Akten und Eingaben gemachten Ausführung im Entscheid ausformuliert auseinandersetzt. Das rechtliche Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass die Behörde die Vorbringen der in ihrer Rechtsstellung Betroffenen tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Dabei ist nicht erforderlich, dass sie sich in den Erwägungen mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich die betroffene Person über die Tragweite des Entscheides Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen die Behörde sich hat leiten lassen und auf die sich ihre Entscheidung stützt. Diese Anforderungen erfüllt der angefochtene Entscheid ohne Weiteres. In der Beschwerde wird nicht dargetan (und im medizinischen Gesamtzusammenhang ist es auch nicht ersichtlich), inwiefern die gutachterliche Feststellung einer fehlenden behinderungsrelevanten Parese des Grosszehenhebers ein entscheidwesentlicher Punkt sein sollte, mit dem sich die Vorinstanz einlässlich hätte auseinandersetzen müssen. Sie hat den ihr als Sachgericht im Bereich der Beweiswürdigung zustehenden Ermessensspielraum nicht missbraucht und insbesondere keine offensichtlich unhaltbaren Schlüsse gezogen, erheblichen Beweise übersehen oder solche willkürlich ausser Acht gelassen (BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211; zum Begriff der Willkür BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5 mit Hinweisen).
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5. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz mit Bezug auf die medizinische Begutachtung zu Recht Befangenheitsgründe oder einen Anschein von Befangenheit verneint. Auch ist sie ihrer Pflicht zu umfassender, sorgfältiger, objektiver und inhaltsbezogener Beweiswürdigung (BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400) nachgekommen. Der angefochtene Entscheid ist bundesrechtskonform und die Beschwerde unbegründet.
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6. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird entsprochen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Sie hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwältin Dr. Caterina Nägeli wird als unentgeltliche Anwältin bestellt.
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3. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.
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4. Der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.
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5. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 3. Dezember 2013
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Kernen
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Der Gerichtsschreiber: Schmutz
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