BGer 6B_802/2013
 
BGer 6B_802/2013 vom 27.01.2014
{T 0/2}
6B_802/2013
 
Urteil vom 27. Januar 2014
 
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiberin Pasquini.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Tobias Fankhauser,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Schwere Körperverletzung etc.; Strafzumessung,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 18. März 2013.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
C.
 
Erwägungen:
 
1.
 
2.
2.1. Nach Art. 122 StGB wird wegen schwerer Körperverletzung bestraft, wer einen Menschen lebensgefährlich verletzt (Abs. 1), wer den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt (Abs. 2). Die in diesen Absätzen genannten Beeinträchtigungen haben beispielhaften Charakter. Absatz 3 nennt im Sinne einer Generalklausel die "andere schwere Schädigung des Körpers oder der Gesundheit".
2.2. Der Beschwerdeführer wendet ein, die Vorinstanz verletze ihre Begründungspflicht. Sie führe nicht aus, welcher Kausalverlauf zu welchem tatbestandsmässigen Erfolg von Art. 122 StGB geführt habe (Beschwerde S. 6 f. lit. a und b).
2.3. 
2.3.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Umstände liessen den Schluss nicht zu, dass er eine schwere Körperverletzung in Kauf genommen habe. Es sei nicht einsehbar, dass die Vorinstanz ihm dies unterstelle, bezüglich Tötung jedoch von einer fahrlässigen Tatbegehung ausgehe. Der Sturz des Opfers sei eine tragische und von ihm nicht in Betracht gezogene Folge gewesen (Beschwerde S. 7-9 lit. b und c).
2.3.2. Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt oder wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (Art. 12 Abs. 1 und 2 StGB). Eventualvorsatz ist gegeben, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 4 mit Hinweis; zur Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit BGE 133 IV 9 E. 4.1 mit Hinweisen). Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft sog. innere Tatsachen, die vor Bundesgericht nur im Rahmen von Art. 97 Abs. 1 BGG gerügt werden können. Rechtsfrage ist hingegen, ob im Lichte der festgestellten Tatsachen der Schluss auf Eventualvorsatz begründet ist (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 4 mit Hinweis).
2.3.3. Die rechtliche Qualifikation von Körperverletzungen als Folge von Faustschlägen hängt von den konkreten Tatumständen ab. Massgeblich sind insbesondere die Heftigkeit des Schlags und die Verfassung des Opfers (Urteil 6B_388/2012 vom 12. November 2012 E. 2.1.1 und E. 2.4, bestätigt den Schuldspruch wegen eventualvorsätzlicher schwerer Körperverletzung als Folge eines heftigen Faustschlags ins Gesicht eines Menschen mit eingeschränktem Reaktionsvermögen). Nichts anderes kann für einen Schlag mit dem Ellbogen/Arm gegen das Gesicht gelten. Das Bundesgericht bejahte im Urteil 6B_758/2010 vom 4. April 2011 (heftiger Faustschlag in das Gesicht mit tödlichen Folgen) eine eventualvorsätzliche schwere Körperverletzung, wobei der Täter auch wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wurde. In anderen Fällen blieb es bei einem Schuldspruch wegen einfacher Körperverletzung (etwa BGE 119 IV 25; Urteile 6B_151/2011 vom 20. Juni 2011 E. 3; 6S.386/2003 vom 18. Mai 2004 E. 3).
2.3.4. Angesichts der gesamten Umstände ist die Erwägung der Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe für den Fall ihres Eintritts auch schwere Körperverletzungen in Kauf genommen, nicht zu beanstanden. Sie gelangt willkürfrei zum Schluss, er habe bewusst und gewollt in Richtung Kopf des seitlich hinter ihm stehenden Opfers geschlagen. Er setzte mit einer Ausholbewegung zum Schlag an, wodurch er dessen Wucht zusätzlich intensivierte (Urteil S. 22 f. E. 2.2.2 f.). Aufgrund dieses Schlags fiel das Opfer rückwärts ungebremst auf den Boden und schlug mit dem Kopf auf. Die Vorinstanz führt zutreffend aus, dass dieser Tatablauf, die Läsionen des Getroffenen, die Umschreibung des Schlags durch den Beschwerdeführer und seine eigenen Einschätzungen keinen Zweifel an der Wucht des Hiebs aufkommen lassen (S. 28 f. E. 2.3.3). Dem Beschwerdeführer war bewusst, dass sich ein unvermittelter Sturz auf den Asphaltboden, wo sich die Auseinandersetzung abspielte, besonders gravierend auswirken kann. Aufgrund seiner überdurchschnittlichen Konstitution war ihm ebenso klar, dass sein abrupter Schlag eine erhebliche Wirkung erzielen konnte, insbesondere wenn sein Kontrahent ihm physisch unterlegen war. Für das Opfer erfolgte der Schlag unerwartet, auch wenn es den Beschwerdeführer festhielt. Dieser holte ohne ein Wort zum Schlag gegen den Kopf des Opfers aus, wodurch es den Hieb nicht auffangen konnte. Gemäss Beschwerdeführer hielt ihn das Opfer zwar fest und war aggressiv. Es bedrohte ihn aber nicht, und er ging nicht davon aus, dass es tätlich würde (S. 28 f. E. 2.3.4-6). Es ist allgemein bekannt, dass ein heftiger Schlag ins Gesicht dazu führen kann, dass die getroffene Person das Gleichgewicht verlieren, zu Boden stürzen und sich unter Umständen lebensgefährlich verletzen kann. Auch der Beschwerdeführer war sich darüber im Klaren, als er sein Opfer mit Wucht ins Gesicht schlug, zumal in dieser Situation bei einem derartigen Hieb ein ungebremster Sturz und ein Aufschlagen des Kopfes auf dem Asphalt nicht aussergewöhnlich waren (vgl. S. 30 E. 2.3.7). Die schweren Verletzungen waren nicht bloss Folge eines äusserst tragischen Tatverlaufs. Aus den Aussagen des Beschwerdeführers geht hervor, dass ihm die Auswirkungen bewusst waren (S. 31 E. 2.3.8). Zudem weiss er aus eigener Erfahrung, was geschehen kann, wenn jemand zu Fall gebracht wird. Als Jugendlicher hatte er eine ebenfalls rund 40 kg leichtere Person heftig gestossen. Diese stürzte rückwärts zu Boden, schlug mit dem Hinterkopf auf dem Asphalt auf und blieb bewusstlos liegen. Der Beschwerdeführer verfügte nicht nur über abstraktes Wissen hinsichtlich der möglichen Folgen solcher Stösse oder Schläge und die Gefährlichkeit von Stürzen (S. 31 f. E. 2.3.9). Die Vorinstanz gelangt zu Recht zum Schluss, dass der ohne Warnung ausgeführte Hieb des Beschwerdeführers gegen den Kopf des körperlich unterlegenen Opfers in der gegebenen Situation eine gravierende Pflichtverletzung darstellt.
2.4. Der Beschwerdeführer macht geltend, es seien verschiedene Stadien des Geschehens auseinanderzuhalten. Die erste Phase (Hautunterblutungen) sei als einfache Körperverletzung einzustufen, weshalb er anstatt der schweren lediglich der einfachen Körperverletzung schuldig zu sprechen sei (Beschwerde S. 6 f. lit. b). Diese Ausführungen gehen an der Sache vorbei. Die Vorinstanz stellt fest, der Freispruch vom Vorwurf der versuchten schweren Körperverletzung [hinsichtlich des Schlags des Beschwerdeführers ohne den Sturz des Opfers einzubeziehen] durch die erste Instanz sei in Rechtskraft erwachsen (Urteil S. 7 E. 2.1; vgl. Urteil Bezirksgericht Bülach S. 21 E. 5, kantonale Akten act. 63).
3. 
3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafzumessung. Er rügt, die Vorinstanz behandle die schwere Körperverletzung und die fahrlässige Tötung zusammen. Sie vermenge subjektive Faktoren, wie die hohe Gewaltbereitschaft oder die krasse Missachtung der physischen Integrität, mit dem objektiven Tatunrecht. Die hypothetische Einsatzstrafe setze sie ohne weitere Begründung fest und spreche einfach so von grober Fahrlässigkeit (Beschwerde S. 9-11 Ziff. 2).
3.2. Die Rüge des Beschwerdeführers ist gegenstandslos, soweit er sich im Zusammenhang mit der beantragten Änderung des Schuldspruchs von schwerer auf einfacher Körperverletzung äussert (Beschwerde S. 11). Es bleibt beim vorinstanzlichen Schuldspruch.
3.3. Die Vorinstanz verweist in ihrer Strafzumessung teilweise auf die Erwägungen der ersten Instanz. Sie geht zutreffend von der schweren Körperverletzung als schwerstem Delikt aus. Weil der Beschwerdeführer mit derselben Handlung mehrere Tatbestände verwirklicht hat, behandelt sie die Tatkomponenten der schweren Körperverletzung und der fahrlässigen Tötung zusammen. Bei der schweren Körperverletzung stuft sie das objektive Verschulden als nicht mehr leicht ein, während sie es bei der fahrlässigen Tötung als erheblich bewertet. Sie setzt die hypothetische Einsatzstrafe - in Berücksichtigung des Asperationsprinzips - für beide Taten auf vier Jahre fest. Schliesslich trägt sie der Sachbeschädigung, die sich marginal straferhöhend auswirke, und den Täterkomponenten Rechnung. Insgesamt erachtet sie eine Strafe von 42 Monaten als angemessen (Urteil S. 36 E. 1 und S. 37-42 E. 3-6; erstinstanzliches Urteil S. 22 ff.).
3.4. Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung dargelegt (BGE 136 IV 55 E. 5.4 ff. mit Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden. Es greift in die Strafzumessung nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist, wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (a.a.O. E. 5.6 S. 61; 135 IV 130 E. 5.3.1; je mit Hinweis).
3.5. Das Vorgehen der Vorinstanz entspricht nicht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Bildung einer Gesamtstrafe im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB (vgl. BGE 127 IV 101 E. 2b S. 104 mit Hinweis; Urteil 6B_460/2010 vom 4. Februar 2011 E. 3.3.4 mit Hinweis, nicht publ. in: BGE 137 IV 57). Die Vorinstanz unterlässt es, in einem ersten Schritt (gedanklich) die Einsatzstrafe für die schwere Körperverletzung als schwerstem Delikt zu bestimmen. Das Gericht ist zwar grundsätzlich nicht gehalten, in Zahlen oder Prozenten anzugeben, wie es die einzelnen Strafzumessungsgründe gewichtet (BGE 136 IV 55 E. 5.6 S. 61 mit Hinweis). Es lässt sich aber besser nachvollziehen wie die Gesamtstrafe gebildet wurde, wenn eine Einsatzstrafe genannt wird. Dadurch ist feststellbar, in welchem Ausmass sich die Deliktsmehrheit auswirkt (Urteile 6B_524/2010 und 6B_626/2011 vom 8. Dezember 2011 E. 4.4; 6B_579/2008 vom 27. Dezember 2008 E. 4.4; je mit Hinweisen). Es ist nicht ersichtlich, dass sich das Vorgehen der Vorinstanz nachteilig für den Beschwerdeführer auswirkt, was dieser auch nicht behauptet. Auf eine Aufhebung des angefochtenen Entscheids kann daher verzichtet werden (BGE 127 IV 101 E. 2c S. 105 mit Hinweisen; Urteil 6B_446/2011 vom 27. Juli 2012 E. 9.4). Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, dass die Vorinstanz nicht näher erörtert, weshalb sie bei der Tötung von grober Fahrlässigkeit ausgeht (Urteil S. 38 oben). Sie legt in ihren Erwägungen in Würdigung der wesentlichen schuldrelevanten Komponenten aber hinreichend verständlich dar, wie sie zur hypothetischen Einsatzstrafe von vier Jahren für die schwere Körperverletzung und die fahrlässige Tötung gelangt (Urteil S. 37 f. E. 3.1). Insbesondere qualifiziert sie das objektive Tatverschulden als nicht mehr leicht bei der schweren Körperverletzung und erheblich bei der fahrlässigen Tötung, was vertretbar ist. Die ausgefällte Strafe von 42 Monaten hält sich auch bei einer Gesamtbetrachtung innerhalb des sachrichterlichen Ermessens und ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden.
 
4.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. Januar 2014
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini