BGer 2C_564/2013 |
BGer 2C_564/2013 vom 11.02.2014 |
{T 0/2}
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2C_564/2013
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Urteil vom 11. Februar 2014 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Zünd, Präsident,
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Bundesrichter Seiler,
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Bundesrichterin Aubry Girardin,
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Gerichtsschreiber Errass.
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Verfahrensbeteiligte |
X.________,
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vertreten durch Rechtsanwältin Lisa Zaugg,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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Bundesamt für Migration, Quellenweg 6, 3003 Bern.
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Gegenstand
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Zustimmung zur Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung; Kosten und Parteientschädigung bei Abschreibung,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung III, vom 14. Mai 2013.
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Erwägungen: |
1. |
X.________ (Staatsangehörige von Kamerun) heiratete am 2. Dezember 2005 einen Schweizer Bürger. In der Folge erhielt sie gestützt auf Art. 42 AuG (SR 142.20) eine Aufenthaltsbewilligung. Während der Ehe wurde das gemeinsame Kind geboren, das Schweizer Bürgerin ist. Nach dem Scheitern der Ehe beabsichtigte das Migrationsamt des Kantons Aargau zunächst den Widerruf, nach einer nochmaligen Überprüfung indes die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung; das Bundesamt für Migration (Bundesamt) verweigerte jedoch mit Verfügung vom 31. August 2010 die Zustimmung zur Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Dagegen hat X.________ beim Bundesverwaltungsgericht rechtzeitig Beschwerde erhoben. Pendente lite hat das Bundesamt mit Verfügung vom 2. Mai 2013 seine Verfügung vom 31. August 2010 widerrufen (Art. 58 Abs. 2 VwVG) und nunmehr die Zustimmung erteilt. Die weitere Behandlung der Beschwerde wurde damit gegenstandslos (Art. 58 Abs. 3 VwVG). Mit Entscheid vom 14. Mai 2013 schrieb das Bundesverwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren als gegenstandslos geworden ab, auferlegte X.________ reduzierte Verfahrenskosten (Dispositiv Ziff. 2) und sprach keine Parteientschädigung zu (Dispositiv Ziff. 3).
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2.
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2.1. Vor Bundesgericht beantragt X.________, Ziffer 2 und 3 des Entscheids des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2013 aufzuheben, die Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens durch die Staatskasse zu übernehmen und eine Parteientschädigung von Fr. 3'806.20 zu bezahlen, die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens durch die Staatskasse zu übernehmen und eine Parteientschädigung von Fr. 5'007.10 zu bezahlen sowie die unentgeltliche Prozessführung zu bewilligen. Sie rügt im Wesentlichen eine Verletzung von Art. 5 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE; SR 173.320.2).
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2.2. Wird ein Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht gegenstandslos, so werden nach Art. 5 Satz 1 und 2 VGKE die Verfahrenskosten in der Regel jener Partei auferlegt,
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2.3. Die Vorinstanz hat ausgeführt, dass "die Verfahrenskosten [nach Art. 5 VGKE] in der Regel jener Partei auferlegt w[ü]rden, deren Verhalten die Gegenstandslosigkeit bewirkt ha[be, und] dass über die Prozesskosten mit summarischer Begründung aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes zu entscheiden [sei] (Art. 4 VwVG i.V.m. Art 72 BZP und Art. 5 und 15 VGKE)." Sie führt weiter aus, dass die ursprüngliche Verfügung unter den damaligen Umständen zu Recht erlassen worden sei. Die Rechtsprechung zum "umgekehrten Familiennachzug" habe sich erst nach Erlass der Verfügung (31. August 2010) entwickelt.
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2.4. Für das Bundesverwaltungsgericht ist beim Entscheid über die Prozesskosten die Regelung von Art. 5 VGKE massgebend. Es kann deshalb offengelassen werden, ob angesichts der Regelung von Art. 63 Abs. 5, 64 Abs. 5 und 65 Abs. 5 VwVG, die auf Art. 16 Abs. 1 lit. a VGG, worauf sich das VGKE stützt, verweisen, die Vorschriften über Gerichtskosten und Parteientschädigungen des BZP über Art. 4 VwVG überhaupt - so die Vorinstanz - Anwendung finden.
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Nach dem ersten Satz von Art. 5 VGKE werden bei Gegenstandslosigkeit des Verfahrens die Verfahrenskosten in der Regel jener Partei auferlegt, deren Verhalten die Gegenstandslosigkeit bewirkt hat. Massgebend ist das Verhalten, allerdings nicht als solches, vielmehr ist dieses nach materiellen Kriterien zu bestimmen. Zu fragen ist also nach dem materiellen Grund für das formelle Verhalten, und insofern ist es unerheblich, wer die Prozesshandlung vornimmt, welche die Vorinstanz zur Abschreibung veranlasst (vgl. Urteil 8C_60/2010 vom 4. Mai 2010 E. 4.2. 1). Bei einer gestützt auf Art. 58 VwVG erfolgten Wiedererwägung einer Verfügung ist die Vorinstanz dann unterliegend, wenn diese ihren Entscheid bis zur Vernehmlassung an das Bundesverwaltungsgericht aus besserer eigenen Einsicht abgeändert hat.
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2.5. Das Bundesamt hat seine ursprüngliche Verfügung, womit es die Zustimmung zur Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung verweigert hatte, widerrufen. Es begründet seinen Entscheid im Wesentlichen damit, dass nunmehr ein Härtefall nach Art. 50 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 2 AuG vorliege. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner summarischen Begründung (vgl. BGE 125 V 373 E. 2a S. 374; Urteil 5A_657/2010 vom 17. März 2011 E. 2.3 i.f.) auf BGE 137 I 247 E. 4.2.1 ff. (S. 249 ff.) Bezug genommen. Dieser Entscheid bildet in einer längeren Reihe von Urteilen über den umgekehrten Familiennachzug den gegenwärtig letzten publizierten Entscheid. Erstmals hat sich das Bundesgericht in BGE 135 I 143 und 153 vertiefter damit auseinandergesetzt. Diese Entscheide sind bereits am 2. Februar bzw. am 27. März 2009 ergangen, also deutlich mehr als ein Jahr vor dem Erlass der Verfügung des Bundesamtes vom 31. August 2010. Auch BGE 136 I 285, ein französischsprachiger Entscheid, steht in dieser Rechtsprechungslinie. Auch dieser ist noch vor dem Verfügungserlass ergangen (29. März 2010). Insofern kann - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - keine Rede davon sein, dass im Zeitpunkt des Verfügungserlasses die rechtliche Situation im Zusammenhang mit dem umgekehrten Familiennachzug unklar war. In den nachfolgenden Entscheiden, insbesondere in BGE 137 I 247, hat das Bundesgericht lediglich seine Praxis gefestigt; eine Änderung der Rechtsgrundlagen ist nicht erfolgt. Die aufgeführten ersten Entscheide dürften auch der Grund gewesen sein, weshalb das kantonale Migrationsamt von seiner ursprünglichen Absicht, die Aufenthaltsbewilligung zu widerrufen, abwich und in der Folge diese stattdessen verlängern wollte (Kindeswohl).
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Das Bundesamt ist nun offenbar zum Schluss gekommen, dass in der strittigen Angelegenheit das Bundesverwaltungsgericht seine Verfügung aufheben könnte, weshalb es diese noch vor dem Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts in Wiedererwägung gezogen hat, ohne dass es damit in einem Sachentscheid der Vorinstanz als Verlierer erscheinen würde (vgl. August Mächler, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar VwVG 2008, Art. 58 N 2). In diesem Sinne hat es - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - aus besserer eigenen Einsicht seine Verfügung vom 31. August 2010 abgeändert und damit die Gegenstandslosigkeit des Verfahrens bewirkt. Insofern hat die Beschwerdeführerin obsiegt, und ihr können keine Verfahrenskosten auferlegt werden. Art. 63 Abs. 2 VwVG zufolge werden der unterliegenden Bundesbehörde ebenfalls keine Verfahrenskosten auferlegt.
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2.6. Die Parteientschädigung bei gegenstandslosen Verfahren richtet sich nach Art. 15 VGKE. Danach prüft das Gericht, ob eine Parteientschädigung zuzusprechen ist. Für die Festsetzung der Parteientschädigung gilt Artikel 5 VGKE sinngemäss. Danach gilt auch hier, dass derjenige die Parteientschädigung auszurichten hat, dessen Verhalten die Gegenstandslosigkeit bewirkt hat. Wie bereits dargelegt, hat das Bundesamt die Gegenstandslosigkeit bewirkt. Der Beschwerdeführerin steht demnach - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - eine Parteienschädigung zu.
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2.7. Da die von der Beschwerdeführerin geforderte Parteientschädigung von Fr. 3'806.20 für das Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht gemessen an Art. 10 und 11 VGKE plausibel ist, kann das Bundesgericht hier reformatorisch entscheiden (Art. 107 Abs. 2 BGG).
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3. |
Die Beschwerde erweist sich als begründet und die Ziff. 2 und 3 des Dispositivs des Entscheids vom 14. Mai 2013 sind zu korrigieren. Verfahrenskosten sind keine zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat das Bundesamt die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Entsprechend der Wichtigkeit und der Schwierigkeit der vor dem Bundesgericht strittigen Frage und unter Berücksichtigung eines plausiblen Arbeitsaufwands ist ihr eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- auszurichten (vgl. Art. 6 des Reglements über die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht vom 31. März 2006 [SR 173.110.210.3]). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gegenstandslos.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und Ziff. 2 und 3 des Abschreibungsentscheids des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2013 werden wie folgt ersetzt:
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"2. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
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3. Das Bundesamt für Migration hat die Beschwerdeführerin mit Fr. 3'806.20 für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zu entschädigen."
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2. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
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3. Das Bundesamt für Migration hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
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4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 11. Februar 2014
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Zünd
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Der Gerichtsschreiber: Errass
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