BGer 6B_779/2013 |
BGer 6B_779/2013 vom 17.03.2014 |
{T 0/2}
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6B_779/2013
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Urteil vom 17. März 2014 |
Strafrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Mathys, Präsident,
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Bundesrichter Denys, Rüedi,
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Gerichtsschreiberin Andres.
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Verfahrensbeteiligte |
X.________,
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vertreten durch Rechtsanwältin Julia Steinbach,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern,
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2. A.Y.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Rothenbühler,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Versuchte vorsätzliche Tötung, Notwehr,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, 4. Abteilung, vom 3. April 2013.
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Sachverhalt: |
A. |
B. |
C. |
D. |
E. |
Erwägungen: |
1. |
1.1. Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren (Art. 15 StGB). Überschreitet der Abwehrende die Grenzen der Notwehr, so mildert das Gericht die Strafe (Art. 16 Abs. 1 StGB). Überschreitet er die Grenzen der Notwehr in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff, so handelt er nicht schuldhaft (Art. 16 Abs. 2 StGB).
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1.2. Gestützt auf die vorinstanzlichen Feststellungen begaben sich der Beschwerdegegner und sein Bruder am 24. Februar 2009 gemeinsam mit einem Kollegen in das Stammlokal des Beschwerdeführers. Dabei sollte offenbar eine Schlägerei vom 22. Februar 2009 weitergeführt werden, an welcher der Beschwerdeführer und der Beschwerdegegner beteiligt waren. Dieser führte einen Schlagstock und einen Pfefferspray mit sich, sein Bruder eine Schreckschusspistole, die sich von einer echten Waffe optisch nicht unterschied. Die Brüder begaben sich direkt zum Beschwerdeführer, der an einem Tisch mit vier Personen Karten spielte. Der Bruder zeigte demonstrativ seine Schreckschusspistole unter der Jacke und drohte, er werde auf diejenigen schiessen, die sich bewegten. Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung, wobei die Brüder den Beschwerdeführer beschimpften. Dieser zog seine Pistole aus dem Hosenbund und machte unter dem Tisch eine hörbare Ladebewegung. Unmittelbar danach schlug der Beschwerdegegner mit seinem Schlagstock auf den Beschwerdeführer ein und verletzte ihn leicht am Arm. Dieser schoss daraufhin auf den Beschwerdegegner und traf ihn in der Leiste (Urteil S. 6-8 Ziff. 3.1 f.; erstinstanzliches Urteil S. 23 f. Ziff. 2.3).
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1.3. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Vorinstanz weist darauf hin, dass die Drohgebärden des Bruders aufgrund der vorausgegangenen Schlägerei und der aggressiven sowie äusserst explosiven Stimmung ernst zu nehmen waren und den Beschwerdeführer auch in Angst versetzten (Urteil S. 11 Ziff. 3.3.4 und S. 13 Ziff. 3.3.5). Indem die beiden den Beschwerdeführer in seinem Stammlokal aufsuchten, der Bruder seine Waffe zeigte und drohte, dass er auf diejenigen schiesse, die sich bewegten, griffen sie den Beschwerdeführer in seiner Bewegungsfreiheit an und drohten ihm mit einem Angriff auf Leib und Leben. Da der Beschwerdeführer zwei Tage zuvor in eine Auseinandersetzung mit dem Beschwerdegegner verwickelt war, wusste er, dass die Drohung ihm galt. Er befand sich in einer Notwehrsituation. Der Beschwerdeführer war nicht verpflichtet, dem Angriff auszuweichen und sich draussen auf ein Gespräch mit den Brüdern einzulassen (BGE 136 IV 49 E. 4.1 mit Hinweis). Mit dem Aussprechen der Drohung war der Angriff nicht beendet, da die für den Beschwerdeführer bedrohliche Situation aufgrund der Anwesenheit der bewaffneten Brüder und deren Beschimpfungen aufrecht erhalten wurde. Der Beschwerdeführer provozierte mit dem Laden der Waffe den Angriff des Beschwerdegegners nicht, sondern handelte in Notwehr. Die Ladebewegung kann mit der Vorinstanz als Drohung qualifiziert werden. Diese Abwehr war angemessen, da sie wie der Angriff das Rechtsgut der körperlichen Integrität bedrohte.
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2. |
3. |
Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 3. April 2013 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, zurückgewiesen.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist gegenstandslos.
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3. Es werden keine Kosten erhoben.
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4. Der Kanton Luzern hat die Vertreterin des Beschwerdeführers, Rechtsanwältin Julia Steinbach, mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
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5. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 17. März 2014
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Mathys
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Die Gerichtsschreiberin: Andres
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