BGer 6B_885/2013
 
BGer 6B_885/2013 vom 24.03.2014
{T 0/2}
6B_885/2013
 
Urteil vom 24. März 2014
 
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Gerichtsschreiberin Siegenthaler.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Fürsprecher August Biedermann,
Beschwerdeführer,
gegen
1.  Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510 Frauenfeld,
2. Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Rudolf Strehler,
Beschwerdegegnerinnen.
Gegenstand
Fahrlässige schwere Körperverletzung; willkürliche Beweiswürdigung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 3. Juni 2013.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
C.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Der Beschwerdeführer rügt, er sei gestützt auf eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung verurteilt worden (Beschwerde, S. 4 ff.). Die Vorinstanz stelle fest, er sei darüber informiert gewesen, dass der Eigentümer der Wohnung während der Bauarbeiten ferienabwesend sein werde. Zudem sei er davon ausgegangen, dass zur Wohnung nur der Eigentümer, dessen Mutter sowie der Mieter Zugang hätten. Allerdings habe er diese Annahme nicht überprüft. Er habe nicht bedacht, dass weitere Personen Zutritt zur Wohnung haben könnten, was eine Sicherung des Balkonausgangs notwendig gemacht hätte. Diese Schlussfolgerung der Vorinstanz beruhe auf einer willkürlichen Beweiswürdigung. Es hätten keinerlei Anzeichen bestanden, dass weitere Personen Zugang zur Wohnung hatten, und die Vorinstanz lege nicht dar, weshalb er damit hätte rechnen müssen.
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist (BGE 137 III 226 E. 4.2 mit Hinweisen; zum Begriff der Willkür BGE 138 I 49 E. 7.1; 136 III 552 E. 4.2; je mit Hinweisen) oder wenn sie auf einer Verletzung von schweizerischem Recht im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge muss klar vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 I 65 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 II 489 E. 2.8; je mit Hinweisen).
1.3. In sachverhaltlicher Hinsicht stellt die Vorinstanz fest, dass die Beschwerdegegnerin 2 am Morgen des 26. Oktober 2006 in der Wohnung ihres Arbeitgebers auf den noch nicht wieder montierten Balkon gelangen wollte und sich beim folgenden Sturz in die Tiefe schwere Verletzungen zuzog. Der Beschwerdeführer sei in Kenntnis der Ferienabwesenheit des Wohnungseigentümers während der Bauarbeiten davon ausgegangen, dass zur betreffenden Wohnung nur dessen Mutter und der Mieter der Wohnung Zutritt hätten. Diese Annahme habe er nicht überprüft und nicht bedacht, dass allenfalls weitere Personen Zugang zur Wohnung haben könnten.
1.4. Was der Beschwerdeführer vorbringt, bezieht sich auf die rechtliche Schlussfolgerung der Vorinstanz und nicht auf ihre Sachverhaltsfeststellung. Es ist Rechtsfrage und nicht Tatfrage, ob die Vorinstanz gestützt auf den festgestellten Sachverhalt (vgl. Ziffer 1.3 hiervor) zum Schluss kommen durfte, der Beschwerdeführer hätte damit rechnen müssen, dass noch weitere Personen Zugang zur Wohnung haben könnten, und dass er deshalb verpflichtet gewesen wäre, Sicherheitsvorkehren zu treffen. Zu überprüfen ist dieser Punkt deshalb nicht unter dem Aspekt der willkürlichen Beweiswürdigung, sondern einer allfälligen Bundesrechtsverletzung (vgl. nachfolgend Ziffer 2).
 
2.
2.1. Der zu beurteilende Sachverhalt spielte sich vor Inkrafttreten des revidierten Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches vom 1. Januar 2007 ab. Entgegen der Vorinstanz (Urteil, S. 5) ist von der Anwendbarkeit des neuen Rechts auszugehen, welches die Möglichkeit der Ausfällung einer (bedingten) Geldstrafe vorsieht und damit für den Beschwerdeführer milder ist (BGE 134 IV 82 E. 7.2.4; Art. 2 Abs. 2 StGB; vgl. auch Urteile 6B_1016/2009 vom 11. Februar 2010 E. 2.1 und 6B_75/2009 vom 2. Juni 2009 E. 4.2).
2.2. Nach Art. 125 Abs. 2 StGB ist strafbar, wer fahrlässig einen Menschen schwer an Körper oder Gesundheit schädigt. Fahrlässig handelt, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 StGB).
2.3. Die Straftat der fahrlässigen Körperverletzung nach Art. 125 Abs. 2 StGB kann durch Unterlassen begangen werden, wenn der Beschuldigte durch sein Tun den Erfolg tatsächlich hätte abwenden können und infolge seiner Garantenstellung dazu auch verpflichtet war, so dass die Unterlassung der Erfolgsherbeiführung durch aktives Tun gleichwertig erscheint (Art. 11 StGB; BGE 134 IV 255 E. 4.2.1; 117 IV 130 E. 2a; je mit Hinweisen).
2.4. Die Vorinstanz erwägt, dass zum Aufgabenbereich des Beschwerdeführers als Bauleiter unter anderem gehörte, die gebotenen Sicherheitsvorkehren auf der Baustelle zu treffen. Deshalb hätte er veranlassen müssen, den Ausgang beim demontierten Balkon durch Gefahrenhinweise oder eine bauliche Sperre so zu sichern, dass niemand hinunterstürzen konnte. Stattdessen sei er davon ausgegangen, dass ausschliesslich die drei ihm bekannten Personen Zutritt zur Wohnung hatten, ohne diese Annahme zu überprüfen. Indem er nicht bedachte, dass weitere Personen Zugang zur Wohnung haben könnten, und deshalb keine Sicherung des Balkonausgangs vornehmen liess, habe er seine Sorgfaltspflicht verletzt (Urteil, S. 9 ff.).
2.5. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Bundesrecht. Die Vorinstanz gehe zu Unrecht davon aus, er habe damit rechnen müssen, dass Drittpersonen die fragliche Wohnung betreten würden. Es hätten keinerlei Anzeichen dafür bestanden und er sei auch nicht entsprechend informiert worden. Deshalb sei er nicht verpflichtet gewesen, für die Zeit ab Demontage des Fassadengerüsts sowie des Notdaches bis zur Montage des Balkons zusätzliche Sicherheitsvorkehren zu treffen (Beschwerde, S. 5 f.).
2.6. Der Argumentation des Beschwerdeführers kann nicht gefolgt werden.
 
3.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 24. März 2014
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Die Gerichtsschreiberin: Siegenthaler