BGer 1C_12/2013 |
BGer 1C_12/2013 vom 27.03.2014 |
{T 0/2}
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1C_12/2013
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Urteil vom 27. März 2014 |
I. öffentlich-rechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
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Bundesrichter Aemisegger, Karlen,
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Gerichtsschreiber Stohner.
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Verfahrensbeteiligte |
1. A.________,
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2. B.________,
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Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Henri Zegg,
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gegen
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1. C.________ AG,
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2. D.________,
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Gemeinde Ruschein, 7154 Ruschein, vertreten durch Rechtsanwalt Dietmar Blumenthal.
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Gegenstand
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Quartierplan Sut Baselgias,
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Beschwerde gegen das Urteil vom 23. Oktober 2012 des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 5. Kammer.
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Sachverhalt: |
A. Der Gemeindevorstand Ruschein leitete am 18. November 1992 ein Quartierplanverfahren für das in der Bauzone gelegene Gebiet "Sut Baselgias" ein und erliess am 19. Juli 1995 einen Quartierplan. Im Quartierplangebiet befinden sich insbesondere die Parzellen Nrn. 281 und 282. Am 24. August 1998 beschloss der Gemeindevorstand eine erste Änderung des Quartierplans. 1999 wurden auf den vom Grundstück Nr. 281 abparzellierten Parzellen Nrn. 548 und 549 zwei Einfamilienhäuser erstellt. B.________ ist seit 2005 Eigentümerin der Parzelle Nr. 548; A.________ erwarb 2010 die Parzelle Nr. 549. Auf den übrigen Parzellen Nr. 529 (von Nr. 282 abparzelliert), Nr. 282 (Rest), Nr. 553 (von Nr. 281 abparzelliert) und Nr. 281 (Rest) wurde seit 1998 dagegen nicht gebaut. Diese vier Grundstücke stehen im Eigentum von D.________.
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B. Mit Eingabe vom 7. Januar 2013 führen A.________ und B.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beantragen, der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2012 sei aufzuheben, und es sei festzustellen, dass der Quartierplangenehmigungs- und Einspracheentscheid des Gemeindevorstands Ruschein vom 9. März 2012 sowie die von der Gemeinde Ruschein den Beschwerdegegnern am 31. August 2012 erteilte Baubewilligung für das im geänderten Quartierplan vorgesehene Bauvorhaben nichtig seien.
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Erwägungen: |
1. |
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, mit welchem eine Beschwerde gegen eine Quartierplanänderung abgewiesen worden ist. Dagegen ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht zulässig (vgl. Art. 82 Abs. 1 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d sowie Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführer haben am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen, sind als Eigentümer respektive Miteigentümerin von Grundstücken innerhalb des Quartierplangebiets durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Sie sind damit nach Art. 89 Abs. 1 BGG beschwerdeberechtigt.
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1.2. Die Beschwerdeführer beantragen, wie erwähnt, die Feststellung der Nichtigkeit von zwei Entscheiden des Gemeindevorstands.
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1.3. Die Quartierplanung ist in Art. 51-54 des Raumplanungsgesetzes für den Kanton Graubünden vom 6. Dezember 2004 (KRG/GR; BR 801.100) sowie in Art. 16-21 der Raumplanungsverordnung für den Kanton Graubünden vom 24. Mai 2005 (KRVO/GR; BR 801.110) geregelt. Ergänzende Vorschriften finden sich in den Art. 68 ff. des Baugesetzes der Gemeinde Ruschein (BauG/Ruschein) vom 14. August 1989.
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2. |
2.1. Die Beschwerdeführer führen aus, die Vorinstanz habe dem im geänderten Quartierplan vorgesehenen Verkehrs- und Parkkonzept eine völlig überhöhte Bedeutung beigemessen. Sie rügen eine willkürliche Auslegung und Anwendung kantonalen und kommunalen Rechts, nämlich von Art. 73 KRG/GR und Art. 68-71 BauG/Ruschein.
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2.2. Gemäss Art. 73 Abs. 1 KRG/GR sind Siedlungen, Bauten und Anlagen nach den Regeln der Baukunst so zu gestalten und einzuordnen, dass mit der Umgebung und der Landschaft eine gute Gesamtwirkung entsteht.
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2.3. |
2.3.1. Die Vorinstanz hat erwogen, in raumgestalterischer Hinsicht sei auf Art. 73 KRG/GR abzustellen, welcher Art. 69 BauG/Ruschein abgelöst habe. Wie der durchgeführte Augenschein gezeigt habe, handle es sich bei den Parzellen Nrn. 281 und 553 um zwei Grundstücke in steiler Hanglage mit von Osten gegen Westen hin abfallendem Geländeterrain. Die besagten Parzellen würden im Norden durch eine hohe Stützmauer (Kantonsstrasse) und im Süden durch die bereits bestehende sog. obere Erschliessungstrasse des Quartierplangebiets umfasst und eingegrenzt. Im Gegensatz zu den unterhalb der Erschliessungstrasse gelegenen Bauplätzen (Parzellen Nrn. 282 und 529) befänden sich im hinteren, nördlichen Hangstreifen keine weiteren Häuser, welche durch eine konzentrierte Überbauung mit drei Mehrfamilienhäusern gestört werden könnten. Anstelle der unterhalb der Erschliessungsstrasse ursprünglich geplanten Häuser gemäss dem Quartierplan 1998 sollten neu zwei Carports (mit zehn Abstellplätzen und einer Höhe von 2,55 m) zu stehen kommen. Auf dem hangseitigen, nördlich oberhalb der Erschliessungsstrasse gelegenen Baukorridor (Parzellen Nrn. 281 und 553) finde somit eine verdichtete Bauweise statt, während unterhalb derselben Erschliessungsstrasse eine massive Entlastung der dort ursprünglich geplanten Wohnnutzung (drei Häuser auf den Parzellen Nrn. 282 und 529) herbeigeführt werde. Aus optischer wie auch nutzungstechnischer Sicht werde durch die Änderung des strittigen Quartierplans eine Verlagerung kleinerer Wohneinheiten (unterhalb) in drei voluminösere Wohnkomplexe (oberhalb) bewirkt, was konzeptionell wie auch raumplanerisch einer zeitgemässen Nutzungskonzentration entspreche. Im Ergebnis sei das massgebende Kriterium der "guten Gesamtwirkung" gemäss Art. 73 KRG/GR erfüllt.
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2.3.2. Die Vorinstanz hat ausgeführt, zu prüfen sei weiter, ob auch das Kriterium der "Gewähr für eine architektonisch und siedlungsbaulich vorzügliche Überbauung mit überdurchschnittlich guter Gestaltung, differenzierter Bauweise und ausgewogener Umgebungsgestaltung" gemäss Art. 70 Abs. 1 BauG/Ruschein bejaht werden könne. Nur falls dies der Fall sei, seien Ausnahmen von den ordentlichen Bauvorschriften erlaubt. Eine solche Ausnahme liege hier insofern vor, als dass die Fassadenlängen der drei geplanten Mehrfamilienhäuser jeweils 24 m und nicht wie in der Wohnzone W2A vorgesehen maximal 18 m (vgl. Art. 38 BauG/Ruschein) betrügen. Wie sich anlässlich des gerichtlichen Augenscheins ergeben habe, erscheine die gewählte Feinerschliessung der drei Mehrfamilienhäuser von unten über die obere Erschliessungsstrasse und von dort mittels Zufahrt in die Tiefgarage als bestmögliche Lösung, um die Pflichtparkplätze für die Wohnkomplexe auf den steilen Hangparzellen Nrn. 281 und 553 möglichst umweltverträglich (keine unnötigen Lärm- und Geruchsimmissionen durch oberirdischen Such- und Manövrierverkehr) und auch visuell möglichst störungsfrei (keine verstreuten Einzelparkplätze auf jeder Bauparzelle; keine Probleme bei der Schneeräumung im Winter usw.) bereitzustellen. Mit dem geänderten Quartierplan könne mithin die Verkehrssituation vor Ort deutlich verbessert werden. Unter Berücksichtigung dieses Teilaspekts, der von sehr grossem öffentlichen Interesse für ein intaktes Orts- und Landschaftsbild sei, könnten bei einer Gesamtbetrachtung die Voraussetzungen von Art. 70 Abs. 1 BauG/Ruschein - wenn auch knapp - bejaht werden. Im Übrigen vermöge das Gericht auch keine wesentlichen Nachteile für die Beschwerdeführer bspw. in Form einer schlechteren Aussicht zu erkennen.
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2.4. |
2.4.1. Die Beschwerdeführer rügen, die Vorinstanz habe fälschlicherweise die Gestaltung bzw. Einordnung einzig nach Art. 73 KRG/GR beurteilt, statt auf die "schärfere" Bestimmung von Art. 69 BauG/Ruschein abzustellen. Deren Nicht-Anwendung erweise sich deshalb als offensichtlich unhaltbar. Im zu beurteilenden Fall seien aber selbst die Voraussetzungen von Art. 73 KRG/GR nicht gegeben, da keine "gute Gesamtwirkung" erzielt werde. Insbesondere passten die beiden Carports mit ihren Flachdächern und der kubischen Bauweise nicht in die bestehende Umgebung.
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2.4.2. Die Beschwerdeführer bringen weiter vor, dass die Vorinstanz sogar die strengen Voraussetzungen von Art. 70 Abs. 1 BauG/Ruschein bejaht habe, sei schlichtweg nicht sachlich begründbar. Die Kriterien dieser Bestimmung liessen sich nicht einzig mit einer verkehrstechnisch guten Erschliessung erfüllen. Von einer architektonisch und siedlungsbaulich vorzüglichen Überbauung mit überdurchschnittlich guter Gestaltung und ausgewogener Umgebungsgestaltung könne vorliegend keine Rede sein.
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2.5. |
2.5.1. Nach der ständigen Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür in der Rechtsanwendung vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 138 I 49 E. 7.1 S. 51 mit Hinweisen).
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2.5.2. Die Nicht-Anwendung von Art. 69 BauG/Ruschein durch die Vorinstanz führt jedenfalls nicht zu einem unhaltbaren Ergebnis. Es kann offen bleiben, ob Art. 69 BauG/Ruschein ("gute Überbauung") tatsächlich strengere Anforderungen statuiert als Art. 73 KRG/GR ("gute Gesamtwirkung"). Die Vorinstanz hat vorliegend sogar die Voraussetzungen von Art. 70 Abs. 1 BauG/Ruschein ("vorzügliche Überbauung mit überdurchschnittlich guter Gestaltung") bejaht, dessen Gehalt offenkundig über jenen von Art. 69 BauG/Ruschein hinausreicht und diesen mitumfasst. Es kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass die Vorinstanz implizit auch die Vorgaben von Art. 69 BauG/Ruschein als gegeben eingestuft hat.
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3. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind den unterliegenden Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese haben die Beschwerdegegnerin 1 angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG); infolge der von den Beschwerdeführern in der entsprechenden Höhe einbezahlten Sicherstellung wird die Parteientschädigung aus der Bundesgerichtskasse geleistet (Art. 62 Abs. 2 BGG). Der nicht anwaltlich vertretene Beschwerdegegner 2 sowie die kommunalen und kantonalen Behörden haben keinen Anspruch auf eine Entschädigung (Art. 68 Abs. 1-3 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.
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3. Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegnerin 1 für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. Dieser Betrag wird infolge der Sicherstellung seitens der Beschwerdeführer aus der Bundesgerichtskasse geleistet.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Ruschein und dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 5. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 27. März 2014
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Fonjallaz
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Der Gerichtsschreiber: Stohner
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