BGer 2C_741/2013 |
BGer 2C_741/2013 vom 08.04.2014 |
{T 0/2}
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2C_741/2013
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Urteil vom 8. April 2014 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Seiler, präsidierendes Mitglied,
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Bundesrichterin Aubry Girardin,
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Bundesrichter Kneubühler,
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Gerichtsschreiberin Mayhall.
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Verfahrensbeteiligte |
A.________, Beschwerdeführer,
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vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jean-Pierre Menge,
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gegen
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Migrationsamt des Kantons St. Gallen,
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Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen.
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Gegenstand
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Widerruf der Niederlassungsbewilligung EU/EFTA,
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Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 2. Juli 2013.
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Sachverhalt: |
A. |
- im Jahr 2005 mit Strafmandat des Kreispräsidenten des Kreisamtes Chur wegen mehrfacher Widerhandlung (Mitführen eines Schmetterlingsmessers) gegen das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition vom 20. Juni 1997 (Waffengesetz, WG; SR 514.54) zu einer Busse von Fr. 300.--;
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- im Jahr 2006 durch das Kantonsgericht Graubünden wegen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe vom 3. Oktober 1951 (Betäubungsmittelgesetz, BetmG; SR 812.121), mehrfachen Diebstahls, mehrfachen unvollendeten Diebstahlversuchs, unvollendeten Hehlereiversuchs, Sachbeschädigung, mehrfachen Hausfriedensbruchs, mehrfachen geringfügigen Diebstahls, geringfügiger Sachbeschädigung, Fahrens ohne Führerausweis, Missbrauchs von Ausweisen, Verletzung der Verkehrsregeln, Überlassens eines Motorfahrzeugs an eine nicht fahrfähige Person sowie Widerhandlungen gegen das Waffengesetz zu einer Gefängnisstrafe von 18 Monaten mit Gewährung des bedingten Strafvollzugs unter Ansetzung einer Probezeit von drei Jahren;
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- im Jahr 2007 mit Strafmandat des Kreispräsidenten des Kreisamtes Chur wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das BetmG zu einer Busse von Fr. 200.--;
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- im Jahr 2007 mit Strafmandat des Kreispräsidenten-Stellvertreters des Kreisamtes Chur wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand, Fahrens trotz Führerausweisentzug, mehrfacher Widerhandlung gegen das BetmG, Hausfriedensbruchs und Diebstahls, zu gemeinnütziger Arbeit von 240 Stunden sowie einer Busse von Fr. 500.--; die Probezeit wurde um ein Jahr verlängert;
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- im Jahr 2008 durch den Kreispräsidenten des Kreisamtes Chur vom 20. März 2008 wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das BetmG zu einer Freiheitsstrafe von 90 Tagen, vom Widerruf der im Jahr 2006 ausgesprochenen Geldstrafe wurde abgesehen;
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- im Jahr 2008 durch das Kreisgericht Werdenberg-Sargans wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das BetmG, mehrfacher Übertretung des BetmG, Hehlerei, geringfügigen Vermögensdelikts durch Sachbeschädigung, Entwendung eines Motorfahrzeugs zum Gebrauch und mehrfachen Führens eines Motorfahrzeugs trotz Ausweisentzug, teilweise in Zusatz zum im Jahr 2008 ausgesprochenen Urteils des Kreispräsidenten, zu einer Freiheitsstrafe von 13 Monaten und einer Busse von Fr. 300.--; die im Jahr 2006 ausgefällte Freiheitsstrafe von 18 Monaten wurde für vollziehbar erklärt;
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- im Jahr 2008 durch den Kreispräsidenten des Kreisamtes Thusis wegen Widerhandlung gegen das BetmG zu einer Busse von Fr. 500.--;
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- im Jahr 2008 mit Strafmandat des Kreispräsidenten des Kreisamtes Chur wegen mehrfachen Missbrauchs einer Fernmeldeanlage zu einer Busse von Fr. 100.--;
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- im Jahr 2010 mit Urteil des Bezirksgerichts Plessur wegen Widerhandlung gegen das BetmG, Entwendung eines Personenwagens zum Gebrauch, Fahrens trotz Führerausweisentzugs, Drohung und Missbrauchs einer Fernmeldeanlage, teilweise als Zusatzstrafe zum im Jahr 2008 ausgesprochenen Urteils zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten und einer Busse von Fr. 300.--. Für die Dauer des Strafvollzugs wurde vollzugsbegleitend eine ambulante therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 63 StGB angeordnet; das Kantonsgericht Graubünden wies die Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts Plessur ab;
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- im Jahr 2011 wurde A.________ durch die Staatsanwaltschaft Graubünden wegen Hehlerei sowie der Übertretung gegen das BetmG zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je Fr. 100.-- und einer Busse von Fr. 200.-- verurteilt;
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- im Jahr 2012 erfolgte sodann eine Verurteilung wegen einer Übertretung des BetmG, wobei von der Ausfällung einer Strafe abgesehen wurde.
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B. |
C. |
Erwägungen: |
1. |
1.1. Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf den Fortbestand einer bereits erteilten Niederlassungsbewilligung. Wird die Niederlassungsbewilligung widerrufen, so steht gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c [e contrario], Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4).
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1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig festgestellt ist ein Sachverhalt, wenn er auf einer willkürlichen Feststellung beruht (BGE 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62). Die betroffene Person muss rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der festgestellte Sachverhalt in diesem Sinne mangelhaft erscheint und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Rein appellatorische Kritik an der Sachverhaltsermittlung und an der Beweiswürdigung genügt den Begründungs- bzw. Rügeanforderungen nicht (vgl. BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445 mit Hinweisen).
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1.3. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 f. mit Hinweis). Die Verletzung von Grundrechten sowie von kantonalem und interkantonalem Recht untersucht es in jedem Fall nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2 S. 232; 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254; Urteil 2C_124/2013 vom 25. November 2013 E. 1.6).
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2. |
2.1. Auf Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 16. Dezember 2005 (Ausländergesetz, AuG; SR 142.20) nur insofern anwendbar, als das FZA keine abweichenden Bestimmungen enthält oder dieses Gesetz günstigere Bestimmungen vorsieht (Art. 2 Abs. 2 AuG). Das FZA regelt den Entzug der Niederlassungsbewilligung nicht, weshalb die Art. 62 f. AuG Anwendung finden. Da der Widerruf der Niederlassungsbewilligung einer Beschränkung der aus dem FZA fliessenden Rechte gleichkommt, hat der Bewilligungsentzug den Anforderungen des FZA zu genügen (BGE 139 II 121 E. 5.3 S. 125; Urteil 2C_401/2012 vom 18. September 2012 E. 3.1 f.).
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2.2. Der Beschwerdeführer ist in der Schweiz geboren und aufgewachsen; er lebt folglich seit mehr als fünfzehn Jahren hier. Gemäss Art. 63 Abs. 2 AuG kann auch in solchen Fällen die Niederlassungsbewilligung entzogen werden, wenn die betreffende Person entweder in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat, diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet (Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG). Massgeblich ist, ob der Ausländer besonders hochwertige Rechtsgüter verletzt oder in Gefahr gebracht hat. Auch weniger gravierende Pflichtverletzungen können als "schwerwiegend" im Sinne von Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG bezeichnet werden, wenn eine Gesamtbetrachtung zeigt, dass sich die betreffende Person von strafrechtlichen Massnahmen nicht beeindrucken lässt und zudem künftig weder gewillt noch fähig erscheint, sich an die Rechtsordnung zu halten (BGE 139 I 31 E. 2.1 S. 33; 139 II 121 E. 5.5.1 S. 127; 137 II 297 E. 3.3 S. 303 f.).
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2.3. Die Widerrufsgründe haben den Anforderungen des FZA zu genügen (oben E. 2.1). Das aus dem FZA fliessende Recht des Beschwerdeführers auf Aufenthalt und Ausübung einer Berufstätigkeit in der Schweiz kann nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit eingeschränkt werden (Art. 5 Anhang I FZA).
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2.4. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2006 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten, im Jahr 2008 zu einer Freiheitsstrafe von 13 Monaten und im Jahr 2010 zu einer solchen von 20 Monaten verurteilt worden ist. Der Widerrufsgrund von Art. 62 lit. b AuG liegt damit vor.
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3. |
3.1. Wie jede staatliche Massnahme hat der Widerruf der Niederlassungsbewilligung verhältnismässig zu sein. Die vom Beschwerdeführer als im vorinstanzlichen Verfahren unzutreffend durchgeführt gerügte (E. 2) Interessenabwägung hat auf die Schwere des Delikts, das Verschulden des Betroffenen, den seit der Tat vergangenen Zeitraum, das Verhalten des Ausländers während diesem, den Grad seiner Integration bzw. die Dauer der bisherigen Anwesenheit sowie die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile abzustellen (BGE 139 II 121 E. 6.5.1 S. 132).
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3.2. Die Prüfung der Verhältnismässigkeit der staatlichen Anordnung (Art. 5 Abs. 2 BV) entspricht inhaltlich jener, welche für eine Einschränkung von verfassungsmässigen Rechten (Art. 36 Abs. 3 BV) und der konventionsrechtlichen Garantie von Art. 8 EMRK vorzunehmen ist (Urteil 2C_718/2013 vom 27. Februar 2014 E. 3.1 mit weiteren Hinweisen). Ob der relativ junge, kinderlose und gemäss vorinstanzlicher Sachverhaltsfeststellung nicht in einer dauerhaften Beziehung lebende Beschwerdeführer gestützt auf ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Mutter oder, als Ausländer der zweiten Generation, angesichts besonders intensiver, über eine normale Integration hinausgehende private Beziehungen beruflicher oder gesellschaftlicher Natur sich auf Art. 8 EMRK berufen kann (Urteil 2C_844/2013 vom 6. März 2014 E. 5.5), braucht deswegen nicht weiter geprüft zu werden, da sich auch bejahendenfalls der Eingriff auf Grund von Art. 8 Ziff. 2 EMRK als zulässig erweist.
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3.3. Ins Gewicht fällt, dass der Beschwerdeführer in der Schweiz geboren wurde und hier sein gesamtes Leben verbracht hat; der Widerruf der Niederlassungsbewilligung würde ihn als Ausländer der zweiten Generation sehr hart treffen. Zu prüfen bleibt, ob diese nachteiligen Folgen für den Beschwerdeführer durch seine persönlichen Interessen an einem Verbleib in der Schweiz aufgewogen werden.
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4. |
Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1.
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2.
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3.
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4.
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Lausanne, 8. April 2014
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Das präsidierende Mitglied: Seiler
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Die Gerichtsschreiberin: Mayhall
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