BGer 5A_407/2014 |
BGer 5A_407/2014 vom 07.07.2014 |
{T 0/2}
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5A_407/2014
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Urteil vom 7. Juli 2014 |
II. zivilrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter von Werdt, Präsident,
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Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Bovey,
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Gerichtsschreiber Buss.
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Verfahrensbeteiligte |
Y.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Linus Jaeggi,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Obergericht des Kantons Uri,
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Zivilrechtliche Abteilung, Präsidium,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege (Ehescheidung),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
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des Kantons Uri, Zivilrechtliche Abteilung, Präsidium, vom 24. Januar 2014.
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Sachverhalt: |
A. Die Ehe zwischen Y.________ und X.________ wurde am 21. Februar 2013 erstinstanzlich geschieden, wobei beiden Ehegatten die unentgeltliche Rechtspflege gewährt wurde (einschliesslich je der Bestellung eines Rechtsbeistands und einer Rechtsbeiständin).
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B. Mit Bezug auf Nebenfolgen der Scheidung gelangte X.________ an das Obergericht des Kantons Uri. Die Zivilrechtliche Abteilung des Obergerichts trat auf die Berufung am 24. Januar 2014 nicht ein und auferlegte X.________ die Gerichtskosten und die Parteientschädigung für das Berufungsverfahren. Mit Entscheid vom gleichen Tag schrieb das Präsidium der Zivilrechtlichen Abteilung des Obergerichts das Gesuch von Y.________ um unentgeltliche Rechtspflege für das Berufungsverfahren als gegenstandslos ab, weil die Gerichtskosten und die Parteientschädigung der Gegenpartei auferlegt worden seien. Y.________ wurde dahingehend belehrt, dass gegen diesen Entscheid innert 10 Tagen seit Zustellung beim Obergericht des Kantons Uri Beschwerde erhoben werden könne.
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C. |
Mit Eingabe vom 3. Februar 2014 erhob Y.________ (Beschwerdeführer) gegen den Präsidialentscheid Beschwerde beim Obergericht und beantragte, in Aufhebung des Abschreibungsentscheides sei über das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung zu entscheiden und diese zu erteilen; allenfalls sei der vom Obergericht im Berufungsurteil als Parteientschädigung zugesprochene Betrag im Sinne einer Entschädigung nach Art. 122 Abs. 2 ZPO seinem Rechtsvertreter auszurichten.
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D. Mit Schreiben vom 29. April 2014 leitete das Obergericht die Beschwerde zuständigkeitshalber ans Bundesgericht zur Beurteilung weiter und übersendete dem Bundesgericht die kantonalen Akten. Das Obergericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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Erwägungen: |
1. Die Beschwerde richtet sich gegen den im Rahmen des Berufungsverfahrens ergangenen Präsidialentscheid des Obergerichts, der das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege aufgrund der Verlegung von Gerichtskosten und Parteientschädigung im Berufungsentscheid der Zivilrechtlichen Abteilung des Obergerichts vom gleichen Tag als gegenstandslos abschreibt. Der Präsidialentscheid über die unentgeltliche Rechtspflege ist damit ein kantonal letztinstanzlicher (Art. 75 BGG; zur Ausnahme vom Erfordernis der double instance vgl. BGE 137 III 424 E. 2.2 S. 426; 138 III 41 E. 1.1 S. 42) Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG, der mit dem in der Hauptsache zulässigen bundesgerichtlichen Rechtsmittel angefochten werden kann. In jener geht es neben vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung auch um die Errichtung einer Beistandschaft gemäss Art. 308 ZGB. Die Beschwerde in Zivilsachen steht damit auch gegen den Präsidialentscheid unabhängig von einem Mindeststreitwert grundsätzlich offen (Art. 72 Abs. 1, Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG). Entgegen der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung hat das Obergericht die Beschwerde gegen den Entscheid seines Präsidiums zu Recht nicht selber behandelt, ist doch die Beschwerde gemäss Art. 319 ff. ZPO nur gegen Entscheide erster Instanz gegeben (Urteil 5A_545/2012 vom 21. Dezember 2012 E. 4.2), während der Entscheid über die unentgeltliche Rechtspflege für das Berufungsverfahren direkt der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegt (vgl. etwa DENIS TAPPY, in: Code de procédure civile commenté, 2011, N. 12 a.E. zu Art. 121 ZPO ). Dass der Beschwerdeführer das Rechtsmittel (rechtzeitig) beim Obergericht eingereicht hat, schadet ihm nicht (Art. 48 Abs. 3 BGG). Gemäss Art. 76 Abs. 1 BGG ist er zur Beschwerde berechtigt. Die weitergeleitete Eingabe vom 3. Februar 2014 ist somit als Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht entgegenzunehmen.
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2. |
2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe über das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung trotz Zusprechung einer Prozessentschädigung entscheiden müssen, da gemäss Art. 122 Abs. 2 ZPO ein unentgeltlicher Rechtsbeistand aus der Staatskasse zu entschädigen sei, falls die Gegenpartei für die Parteientschädigung nicht mit Erfolg belangt werden könne. Vorliegend sei die Uneinbringlichkeit sofort erkennbar, zumal die finanzielle Lage der Gegenpartei gerichtsnotorisch sein dürfe. Sie ergebe sich bereits daraus, dass die Gegenseite ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt habe, das zumindest vor erster Instanz auch gutgeheissen worden sei.
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2.2. Nach Art. 122 Abs. 2 ZPO wird die unentgeltliche Rechtsbeiständin oder der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Kanton angemessen entschädigt, wenn die unentgeltlich prozessführende Partei obsiegt und die Parteientschädigung bei der Gegenpartei nicht oder voraussichtlich nicht einbringlich ist. An den Nachweis der Uneinbringlichkeit sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen; in diesem Zusammenhang genügt blosses Glaubhaftmachen ( ALFRED BÜHLER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 65 zu Art. 122 ZPO; FRANCESCO TREZZINI, in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero, 2011, S. 496; LUKAS HUBER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011, N. 14 zu Art. 122 ZPO). Art. 122 Abs. 2 ZPO konkretisiert einen verfassungsmässigen Anspruch, denn Art. 29 Abs. 3 BV verlangt, dass der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Staat entschädigt wird, wenn bei Obsiegen die kostenpflichtige Partei nicht mit Erfolg belangt werden kann (vgl. BGE 122 I 322 E. 3d S. 327; BÜHLER, a.a.O., N. 69 zu Art. 122 ZPO). Das Gericht darf ein Gesuch um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands somit nicht schon deshalb abweisen oder als gegenstandslos abschreiben, weil der bedürftigen Partei eine Parteientschädigung zugesprochen worden ist. Ein solches Vorgehen ist lediglich dann zulässig, wenn die Solvenz der Gegenpartei ausser Zweifel steht und damit eine Parteientschädigung ohne weiteres als einbringlich gelten kann. Erweist sich die Zahlungsfähigkeit demgegenüber als unsicher, muss gewährleistet bleiben, dass der Anwalt der bedürftigen Partei nötigenfalls durch den Staat entschädigt wird (BGE 122 I 322 E. 3d S. 327; Urteil 5A_849/2008 vom 9. Februar 2009 E. 2.2.2, in: SZZP 2009, S. 281; Bühler, a.a.O., N. 69 zu Art. 122 ZPO).
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2.3. Vorliegend stand die Solvenz der Gegenpartei offenkundig nicht fest, wurde diese doch von der Erstinstanz gegenteils als mittellos bezeichnet. Damit ist das Vorgehen der Vorinstanz, die das Gesuch des Beschwerdeführers auf Beigabe einer unentgeltlichen Rechtsvertretung infolge des vollumfänglichen Obsiegens als gegenstandslos abgeschrieben hat, nicht rechtskonform. Stattdessen hätte sie das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung materiell behandeln und bei gegebenen Voraussetzungen beurteilen müssen, ob die dem Beschwerdeführer zugesprochene Parteientschädigung aufgrund der aktenkundigen finanziellen Situation der Gegenpartei als nicht oder voraussichtlich nicht einbringlich im Sinne von Art. 122 Abs. 2 ZPO erscheint. Sie wird dies nachzuholen haben.
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3. |
3.1. Der Beschwerdeführer beantragt zudem reformatorisch, seinen Rechtsvertreter zufolge Uneinbringlichkeit direkt aus der Gerichtskasse mit Fr. 1'300.-- zu entschädigen, was der der Gegenseite im Berufungsurteil auferlegten Parteientschädigung entspreche.
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3.2. Nachdem sich die Vorinstanz weder zum Vorliegen der Voraussetzungen für die gerichtliche Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes noch zur voraussichtlichen Uneinbringlichkeit der Parteientschädigung im Sinne von Art. 122 Abs. 2 ZPO und als Folge davon auch nicht zur Höhe einer allenfalls zuzusprechenden staatlichen Entschädigung an den Anwalt des Beschwerdeführers geäussert hat, ist das Bundesgericht nicht in der Lage, in der Sache selbst zu entscheiden.
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4. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde bezüglich der Hauptsache als begründet. Der angefochtene Entscheid ist insofern aufzuheben, als das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Verbeiständung als gegenstandslos abgeschrieben worden ist. Die Sache ist zur materiellen Behandlung an die Vorinstanz zurückzuweisen, die über das Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 122 Abs. 2 ZPO im Sinne der Erwägungen zu befinden haben wird.
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5. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat der Kanton Uri den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, soweit darauf eingetreten werden kann. Ziffer 1 des Präsidialentscheids des Obergerichts des Kantons Uri vom 24. Januar 2014 wird aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3. Der Kanton Uri wird verpflichtet, den Beschwerdeführer für seine Umtriebe im bundesgerichtlichen Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 7. Juli 2014
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Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: von Werdt
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Der Gerichtsschreiber: Buss
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