BGer 9C_471/2014
 
BGer 9C_471/2014 vom 31.07.2014
9C_471/2014 {T 0/2}
 
Urteil vom 31. Juli 2014
 
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Meyer, als Einzelrichter,
Gerichtsschreiber Traub.
 
Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons Solothurn,
Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Thomann,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 26. Mai 2014.
 
Sachverhalt:
A. A.________ bezog mit Wirkung seit Februar 1995 eine ganze Invalidenrente. Im Rahmen einer Überprüfung des Rentenanspruchs beauftragte die IV-Stelle am 15. Dezember 2011 eine Medizinische Abklärungsstelle (MEDAS) mit der Erstellung eines polydisziplinären Gutachtens. Mit Verfügung vom 20. Februar 2014 reduzierte die Verwaltung die Leistung (auf April 2014 hin) auf eine halbe Rente mit Begründung, nach gutachtlicher Beurteilung habe sich ihr Gesundheitszustand verbessert.
B. Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn hiess die dagegen erhobene Beschwerde in dem Sinne gut, als es die Verfügung vom 20. Februar 2014 aufhob und die Sache an die IV-Stelle zurückwies, "damit diese eine neue MEDAS-Abklärung nach dem Verfahren im Sinne der Erwägungen veranlasse und hierauf neu entscheide, ob die Beschwerdeführerin weiterhin Anspruch auf die bisher ausgerichtete ganze Invalidenrente hat" (Entscheid vom 26. Mai 2014).
C. Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben. Die Sache sei zur materiellen Überprüfung der Verfügung vom 20. Februar 2014 an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventuell sei die Sache vom Bundesgericht materiell zu prüfen.
 
Erwägungen:
1. Das kantonale Gericht erwog, die mit BGE 137 V 210 geänderte Rechtsprechung zur Einholung von MEDAS-Gutachten sei im Grundsatz auch auf im Zeitpunkt der Rechtsprechungsänderung laufende Verfahren anwendbar. Bei Erteilung des Begutachtungsauftrages am 15. Dezember 2011 sei BGE 137 V 210 (Urteil 9C_243/2010 vom 28. Juni 2011) bekannt gewesen. Die neuen Anforderungen seien zwar teilweise eingehalten worden. So sei der Beschwerdeführerin bei der Mitteilung der zu beauftragenden Gutachtenstelle der Fragenkatalog zur Stellungnahme zugestellt worden. Auch habe sie Gelegenheit erhalten, triftige Einwendungen gegen die Gutachtenstelle zu erheben. Jedoch sei das Zufallsprinzip (BGE 137 V 210 E. 3.1 S. 242) unberücksichtigt geblieben. Stattdessen sei - bei einem polydisziplinären Gutachten zu diesem Zeitpunkt unzulässigerweise - eine direkte Auftragsvergabe erfolgt. Laut dem bundesgerichtlichen Urteil 9C_769/2013 vom 1. April 2014 dürfe ein polydisziplinäres Gutachten, welches nach Publikation von BGE 137 V 210 (Mitte September 2011) in Auftrag gegeben worden sei, nur verwertet werden, wenn bei der Auftragsvergabe (hier am 15. Dezember 2011) die Anforderungen, wie sie sich aus diesem Grundsatzentscheid ergeben, eingehalten worden seien. Das Bundesgericht differenziere nicht zwischen den einzelnen Vorgaben. Daher werde die Sache an die IV-Stelle zurückgewiesen, damit diese (nunmehr auch unter Berücksichtigung des am 1. März 2012 in Kraft getretenen Art. 72bis IVV sowie der einschlägigen Verwaltungsweisungen) ein neues Gutachten einhole.
2. Die Beschwerde richtet sich gegen einen Zwischenentscheid, der vor Bundesgericht prinzipiell nur unter den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a oder b BGG angefochten werden kann (vgl. BGE 138 V 271).
2.1. Nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist die Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid zulässig, wenn dieser einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Die beschwerdeführende Verwaltung macht geltend, ein solcher Nachteil sei im Umstand zu erblicken, dass die Vorinstanz rechtskonform erlangte Gutachten pauschal mit einem Beweisverwertungsverbot belege. Ein solcher Rückweisungsentscheid könne zusammen mit dem Endentscheid nicht mehr wirksam angefochten werden (vgl. Art. 93 Abs. 3 BGG).
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil aus Sicht der Behörde besteht nur, soweit der Rückweisungsentscheid materiellrechtliche Festlegungen enthält (BGE 133 V 477 E. 5.2.4 S. 484). Erfolgt die Rückweisung dagegen zwecks Gewährleistung einer Verfahrensgarantie, so entsteht der Behörde insoweit kein irreversibler Nachteil (zur amtlichen Publikation bestimmtes Urteil 8C_217/2014 vom 12. Mai 2014 E. 4.2). Das gilt auch, wenn mit der Rückweisung die Auflage verbunden ist, ein (neues) medizinisches Gutachten einzuholen: Nach ständiger Rechtsprechung bewirken rein tatsächliche Nachteile wie eine Verlängerung und Verteuerung des Verfahrens allein keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil (BGE 139 V 99 E. 2.4 S. 104).
2.2. Nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG ist die Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid zulässig, wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
2.2.1. Die beschwerdeführende IV-Stelle bringt in erster Linie vor, der angefochtene Entscheid führe dazu, dass das gesamte Revisionsverfahren wiederholt werden müsste, was einschliesslich Anordnung und Erstellen einer neuen Expertise gut zwei Jahre in Anspruch nehmen dürfte. Ein materieller Endentscheid über die Frage der Rentenaufhebung verhindere diese aufwendige und kostenintensive Beweiserhebung.
Wenn das Bundesgericht zum Schluss käme, die verfahrensrechtliche Begründung des vorinstanzlichen Rückweisungsentscheids sei unzutreffend, könnte damit in der Sache nicht sofort ein (materieller) Endentscheid herbeigeführt werden. Denn der Gegenstand des letztinstanzlichen Verfahrens kann nicht über denjenigen des angefochtenen Urteils hinausgehen; das kantonale Gericht hat über die materielle Frage der Rentenaufhebung noch nicht befunden (vgl. Urteil 2C_1048/2012 vom 14. April 2014 E. 1.3.2).
2.2.2. Damit kann offenbleiben, wie es sich hier mit der weiteren Voraussetzung der Ersparnis eines bedeutenden Aufwands an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren verhielte (vgl. Urteil 9C_167/2012 vom 23. Mai 2012 E. 3.3.2; zur Besonderheit, dass die strittige Rückweisung nicht auf Beweiswürdigung im Einzelfall gründet, sondern eine vor Inbetriebnahme der Zuweisungsplattform SuisseMED@P geübte allgemeine Vergabepraxis der IV-Stelle sanktioniert, vgl. sogleich E. 2.3).
2.3. Die IV-Stelle beruft sich überdies auf BGE 139 V 99 E. 2.5 S. 104. Diese Erwägung befasst sich mit der Frage, was geschieht, wenn eine Vorinstanz die Sache regelmässig zur gutachtlichen Abklärung an die Verwaltung zurückweist, obwohl sie jeweils ein Gerichtsgutachten einholen sollte (vgl. BGE 137 V 210 E. 4.4.1.4 S. 264). Das Bundesgericht behält sich vor, in einem solchen Fall ausnahmsweise auf die Beschwerde gegen einen ungerechtfertigten Rückweisungsentscheid einzutreten. Dahinter steht die Überlegung, dass eine strikte Einzelfallhandhabung der Eintretensvoraussetzungen es verunmöglichen würde, eine Fehlpraxis zu korrigieren. Es verhält sich insofern ähnlich, wie wenn unter bestimmten Bedingungen auf das Eintretenserfordernis des aktuellen praktischen Interesses an der Beschwerdeführung (Art. 89 Abs. 1 BGG) verzichtet wird, damit eine bestimmte Frage von allgemeinem Interesse überhaupt je einmal beurteilt werden kann (vgl. BGE 140 III 92 E. 1.1 S. 93; 137 I 23 E. 1.3.1 S. 25).
Zu prüfen bleibt, ob die vorliegende Konstellation damit vergleichbar ist. Auf der Hand liegt, dass es im Hinblick auf die Verwertbarkeit eines Gutachtens einen wesentlichen Unterschied ausmacht, ob bei der Auftragsvergabe nicht umgesetzte Korrektive nach BGE 137 V 210 zu diesem Zeitpunkt erst Appellcharakter hatten oder ob es sich um durchsetzbare Beteiligungsrechte handelte (z.B. das Recht, sich vorgängig zu den Gutachterfragen äussern zu können [BGE 137 V 210 E. 3.4.2.9 S. 258]). Vor Implementierung von SuisseMED@P stellte die zufallsgeleitete Auftragsvergabe erst einmal eine bundesgerichtliche Appellanforderung dar, deren Umsetzung primär dem Verordnungsgeber und der Aufsichtsbehörde überlassen war (BGE 137 V 210 E. 3.1.2 S. 243 und E. 5 S. 266). Was diesen Punkt angeht, so wirkt sich eine vorinstanzliche Lesart des Urteils 9C_769/2013 indessen praktisch nur noch dort aus, wo der Auftrag zur Begutachtung vor dem 1. März 2012 ergangen ist (vgl. den am 1. März 2012 in Kraft getretenen Art. 72bis IVV; Kreisschreiben des BSV über das Verfahren in der Invalidenversicherung [KSVI], Anhang V). Es handelt sich somit nicht um eine Problematik, die sich in dieser konkreten Form inskünftig weiterhin stellen wird.
2.4. Nach dem Gesagten kann auf die Beschwerde gegen den angefochtenen Zwischenentscheid unter keinem Titel eingetreten werden.
3. 
3.1. Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 108 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 BGG zu erledigen.
3.2. Umständehalber wird auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet (Art. 66 Abs. 1 zweiter Satz BGG).
 
Demnach erkennt der Einzelrichter:
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 31. Juli 2014
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Einzelrichter: Meyer
Der Gerichtsschreiber: Traub