BGer 1B_65/2014
 
BGer 1B_65/2014 vom 22.08.2014
{T 0/2}
1B_65/2014
 
Urteil vom 22. August 2014
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Karlen,
Gerichtsschreiber Forster.
 
Verfahrensbeteiligte
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Hauptabteilung OK/WK,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________, Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Robert Vogel,
Gegenstand
Entsiegelung,
Beschwerde gegen den Entscheid vom 10. Januar 2014 des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Basel-Landschaft.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
C.
 
D.
 
E.
"Die Staatsanwaltschaft hat unmittelbar nach Erhalt der entsiegelten Unterlagen erneut eine Sichtung durchzuführen und darüber zu befinden, welche Unterlagen für das Strafverfahren noch benötigt werden und diese definitiv zu beschlagnahmen. Die Unterlagen ohne Deliktsrelevanz sind an den Berechtigten zurückzugeben."
 
F.
 
Erwägungen:
 
1.
 
2.
2.1. Die Staatsanwaltschaft macht nicht geltend, es drohe ein Beweisverlust, indem die Entsiegelung zu Unrecht (teilweise) verweigert worden wäre (für eine solche Konstellation vgl. Urteil 1B_517/2012 vom 27. Februar 2013 E. 4). Sie stellt sich auf den Standpunkt, sie habe am 30. November 2012 einen rechtskräftigen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl erlassen. Zwar habe der Beschuldigte anlässlich der Hausdurchsuchung vom 5. Dezember 2012 die Versiegelung der sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenstände verlangt. Gegen deren "Durchsuchung und Beschlagnahme" habe er jedoch keine Beschwerde erhoben. Die Anordnung im angefochtenen Entscheid, die Staatsanwaltschaft habe "erneut" die entsiegelten Unterlagen zu sichten und über deren definitive Beschlagnahme zu entscheiden, verletze das Bundesrecht. Die Auffassung der Vorinstanz, es habe am 5. Dezember 2012 lediglich eine provisorische Beschlagnahme stattgefunden, lasse sich mit den Bestimmungen der StPO nicht in Einklang bringen. Am 30. November 2012 sei ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl "gemäss den Bestimmungen von Art. 241 Abs. 1 und 2 StPO sowie Art. 263 Abs. 2 StPO rechtsgültig erfolgt". Die StPO sehe nicht vor, dass die Staatsanwaltschaft entsiegelte und zur Durchsuchung freigegebene Aufzeichnungen und Gegenstände "nochmals - im Rahmen eines zweiten Beschlagnahmebefehls - 'definitiv' zu beschlagnahmen" hätte. Art. 263 Abs. 3 StPO sei nur bei Gefahr im Verzug (bzw. auf die Polizei oder private Personen) anwendbar. Der nicht wieder gutzumachende Nachteil bestehe in einer bundesrechtswidrigen Komplizierung des Verfahrens (inkl. Beschwerdemöglichkeiten).
2.2. Aus dem Gesetz ergibt sich Folgendes: Hausdurchsuchungen werden in einem schriftlichen Befehl angeordnet, der insbesondere die zu durchsuchenden Räumlichkeiten bezeichnet (Art. 241 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a StPO). Eine Einwilligung zur Durchsuchung von Häusern und Wohnungen (seitens der Inhaberin oder des Inhabers des Hausrechts) ist nicht erforderlich, wenn zu vermuten ist, dass in den zu durchsuchenden Räumen zu beschlagnahmende Gegenstände oder Vermögenswerte vorhanden sind (Art. 244 Abs. 2 lit. b StPO). Die durchführenden Behörden oder Personen treffen geeignete Sicherheitsvorkehren, um das Ziel der Massnahme zu erreichen (Art. 242 Abs. 1 StPO). Sie weisen zu Beginn der Massnahme den Hausdurchsuchungsbefehl vor (Art. 245 Abs. 1 StPO). Anwesende Inhaberinnen oder Inhaber der zu durchsuchenden Räume haben der Hausdurchsuchung beizuwohnen. Sind sie abwesend, so ist nach Möglichkeit ein volljähriges Familienmitglied oder eine andere geeignete Person beizuziehen (Art. 245 Abs. 1 StPO). Werden bei der Hausdurchsuchung Aufzeichnungen vorläufig sichergestellt (Art. 263 Abs. 3 StPO), insbesondere Schriftstücke oder elektronische Datenträger, die voraussichtlich der Beschlagnahme (Art. 263 Abs. 1-2 StPO) unterliegen, sind die Bestimmungen des 3. Abschnittes im 4. Kapitel des 5. Titels StPO über die "Durchsuchung von Aufzeichnungen" (Art. 246-248 StPO) anwendbar: Die vorläufig sichergestellten Schriftstücke oder elektronischen Datenträger dürfen von den Untersuchungsbehörden durchsucht werden, wenn zu vermuten ist, dass sich darin Informationen befinden, die der Beschlagnahme unterliegen (Art. 246 StPO). Vor einer allfälligen Durchsuchung der Aufzeichnungen kann sich ihre Inhaberin oder ihr Inhaber zu deren Inhalt äussern (Art. 247 Abs. 1 StPO). Zur Prüfung des Inhalts der Aufzeichnungen, insbesondere zur Aussonderung von angeblich geheimnisgeschütztem Inhalt, können sachverständige Personen beigezogen werden (Art. 247 Abs. 2 StPO). Macht die Inhaberin oder der Inhaber von Aufzeichnungen oder anderen Gegenständen geltend, diese dürften wegen eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechtes oder aus anderen Gründen nicht inhaltlich durchsucht (Art. 246 StPO) oder förmlich beschlagnahmt (Art. 263 Abs. 1-2 StPO) werden, sind die betreffenden Aufzeichnungen und Gegenstände zu versiegeln. Vor einem allfälligen Entsiegelungsentscheid dürfen sie von den Strafbehörden weder eingesehen noch verwendet werden (Art. 248 Abs. 1 StPO). Falls die Staatsanwaltschaft (im Vorverfahren) ein Entsiegelungsgesuch stellt, ist vom Zwangsmassnahmengericht im Entsiegelungsverfahren darüber zu entscheiden, ob die Geheimnisschutzinteressen, welche von der Inhaberin oder dem Inhaber der versiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände angerufen werden, einer Durchsuchung und weiteren strafprozessualen Verwendung durch die Staatsanwaltschaft entgegen stehen (Art. 248 Abs. 2 und Abs. 3 lit. a StPO; BGE 137 IV 189 E. 4 S. 194 f.; 132 IV 63 E. 4.1-4.6 S. 65 ff.). Bis zum Entsiegelungsentscheid bleiben die versiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände vorläufig sichergestellt (Art. 263 Abs. 3 i.V.m. Art. 248 Abs. 1 StPO). In dem Umfang, als das Zwangsmassnahmengericht die Entsiegelung rechtskräftig bewilligt hat, kann die Staatsanwaltschaft anschliessend die entsiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände einsehen, inhaltlich durchsuchen und (soweit nach Art. 263-268 StPO zulässig) förmlich beschlagnahmen (Art. 248 Abs. 1 i.V.m. Art. 246 und Art. 263 Abs. 1 StPO). Die Beschlagnahme ist in einem schriftlichen, kurz begründeten Befehl anzuordnen. In dringenden Fällen kann sie mündlich angeordnet werden, ist dann aber nachträglich schriftlich zu bestätigen (Art. 263 Abs. 2 StPO).
2.3. Im angefochtenen Entscheid hat das Zwangsmassnahmengericht die Entsiegelung eines Teils der sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenstände bewilligt. In Ziffer 4 des Dispositives ordnet es an, dass die Staatsanwaltschaft nach Erhalt der entsiegelten Unterlagen eine Sichtung (im Sinne von Art. 246 StPO) durchzuführen und darüber zu befinden habe, welche Dokumente für das Strafverfahren noch benötigt werden. Diese Unterlagen seien dann (im Sinne von Art. 263 Abs. 1-2 StPO) "definitiv zu beschlagnahmen". Die übrigen seien an den Berechtigten zurückzugeben.
2.4. In diesem Zusammenhang ist kein drohender nicht wieder gutzumachender Nachteil ersichtlich. Der Auffassung der Staatsanwaltschaft, schon am 5. Dezember 2012 sei (gestützt auf ihren "Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl" vom 30. November 2012) eine rechtskräftige Beschlagnahmung erfolgt, kann nach der dargelegten gesetzlichen Regelung nicht gefolgt werden. Die anlässlich der Hausdurchsuchung versiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände wurden vorläufig sichergestellt (Art. 263 Abs. 3 i.V.m. Art. 248 Abs. 1 StPO) und können erst aufgrund des rechtskräftigen Entsiegelungsentscheides inhaltlich durchsucht (Art. 246 StPO) und förmlich beschlagnahmt werden (Art. 248 Abs. 1 StPO). In dem von der Staatsanwaltschaft (nach der Sichtung der entsiegelten Unterlagen) allenfalls zu erlassenden Beschlagnahmebefehl wird darzulegen und kurz zu begründen sein, welche Unterlagen unter welchem Titel (insbesondere als Beweismittel, Art. 263 Abs. 1 lit. a StPO) zu beschlagnahmen und welche herauszugeben sein werden (Art. 263 Abs. 2 StPO). Zwischen dem Hausdurchsuchungsbefehl (Art. 241 Abs. 1-2 i.V.m. Art. 245 Abs. 1 StPO) und dem Beschlagnahmebefehl (Art. 263 Abs. 2 StPO) ist dabei begrifflich und inhaltlich zu unterscheiden. Bis zur Entsiegelung kann schon deshalb keine förmliche "Beschlagnahme" (im Sinne von Art. 263 Abs. 1-2 StPO) vorliegen, weil die Staatsanwaltschaft (mangels Einsicht in die Aufzeichnungen bzw. inhaltlicher Durchsuchung) noch gar nicht beurteilen kann, welche Beschlagnahmeart (Art. 263 Abs. 1 lit. a-d StPO) verfügt werden könnte und ob Beschlagnahmehindernisse (Art. 264 und Art. 268 StPO) vorliegen. Vor dem Entscheid über die Zulässigkeit der Durchsuchung kann lediglich eine vorläufige Sicherstellung (Art. 263 Abs. 3 StPO) erfolgen. Bei "Gefahr im Verzug" können zwar (auch) Polizei und Private vorläufige Sicherstellungen vornehmen. Dies schliesst jedoch keineswegs aus, provisorische Beschlagnahmungen anlässlich von Hausdurchsuchungen unter Art. 263 Abs. 3 StPO zu subsumieren. Dies umso weniger, als die Staatsanwaltschaft sich dabei regelmässig von Polizeiorganen unterstützen lässt oder den Vollzug der Hausdurchsuchung sogar vollständig an die Kantonspolizei delegiert (vgl. Art. 15 Abs. 1 und Art. 312 Abs. 1 StPO). In jedem Fall läge hier eine provisorische Sicherstellung im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO ("weder eingesehen noch verwendet werden") vor.
 
3.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3. Der Kanton Basel-Landschaft (Kasse der Staatsanwaltschaft) hat dem privaten Beschwerdegegner eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- (pauschal, inkl. MWST) zu entrichten.
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Landschaft schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. August 2014
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Forster