BGer 2C_186/2014
 
BGer 2C_186/2014 vom 04.09.2014
{T 0/2}
2C_186/2014, 2C_187/2014
 
Urteil vom 4. September 2014
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Kneubühler,
nebenamtlicher Bundesrichter Benz,
Gerichtsschreiber Wyssmann.
 
Verfahrensbeteiligte
Steuerverwaltung des Kantons Wallis,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.A.________ und B.A.________,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
2C_186/2014
Kantons- und Gemeindesteuern 2008,
2C_187/2014
direkte Bundessteuer 2008,
Beschwerde gegen das Urteil der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis
vom 18. September 2013.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
C.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis betreffend die Veranlagung der Kantons-, Gemeinde- und direkten Bundessteuer 2008 ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (vgl. Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 90 BGG). Die Steuerrekurskommission des Kantons Wallis erfüllt die Anforderungen an ein oberes kantonales Gericht im Sinne von Art. 86 Abs. 2 BGG (Urteil 2C_516/2013 vom 4. Februar 2014 E. 1.2 mit Hinweisen). Die kantonale Steuerverwaltung ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG i.V.m. Art. 146 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11] und Art. 72 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR. 642.14].
1.2. Die vorliegende Sache betrifft die direkte Bundessteuer sowie die Kantons- und Gemeindesteuern. Die Vorinstanz hat die beiden Steuern in einem einzigen Urteil behandelt. Das Bundesgericht eröffnet grundsätzlich zwei Verfahren, wenn sowohl die kantonalen Steuern wie auch die direkte Bundessteuer streitig sind, es behält sich aber vor, die beiden Verfahren zu vereinigen. Das rechtfertigt sich auch hier. Es geht um den gleichen Sachverhalt und die gleichen Rechtsfragen in einem durch das StHG harmonisierten Bereich (vgl. Art. 71 BGG i.V.m. Art. 24 BZP; BGE 131 V 461 E. 1.2 S. 465, 59 E. 1 S. 60 f.; Urteil 2C_309/2013 / 2C_310/2013 vom 18. September 2013 E. 1.2).
1.3. Die beschwerdeführende kantonale Steuerverwaltung hat für die kantonalen Steuern und die direkte Bundessteuer nur eine Beschwerde eingereicht. Das ist zulässig, sofern in der Beschwerde zwischen den beiden Steuerarten unterschieden wird und aus den Anträgen hervorgeht, inwieweit diese angefochten sind und wie zu entscheiden ist (vgl. BGE 135 II 260 E. 1.3.2 S. 264 f.; 131 II 553 E. 4.2 S. 559). Aus dem Antrag der Beschwerdeführerin geht hervor, dass sie die integrale Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids anstrebt. Die Beschwerdeschrift enthält eine sachbezogene Begründung sowohl hinsichtlich der direkten Bundessteuer wie auch der kantonalen direkten Steuern. Auf die im Übrigen frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 100 BGG).
1.4. Mit der Beschwerde können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft die Anwendung des harmonisierten kantonalen Steuerrechts durch die kantonalen Instanzen gleich wie Bundesrecht mit freier Kognition. In den Bereichen, in denen das Steuerharmonisierungsgesetz den Kantonen einen gewissen Gestaltungsspielraum belässt oder keine Anwendung findet, beschränkt sich die Kognition des Bundesgerichts auf Willkür (BGE 134 II 207 E. 2 S. 210; 130 II 202 E. 3.1 S. 205 f.; Urteil 2C_95/2013 / 2C_96/2013 vom 21. August 2013 E. 1.6, in: StE 2013 B 22.2 Nr. 28).
1.5. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (vgl. Art. 105 Abs. 2, Art. 97 Abs. 1 BGG).
 
2.
 
3.
3.1. Gemäss den für das Bundesgericht verbindlichen (E. 1.5 hiervor) Feststellungen der Vorinstanz betreibt der Beschwerdegegner einen modern ausgebauten Landwirtschaftsbetrieb und wurde im Jahr 2008 insbesondere ein neuer Stall gebaut. Andererseits ist gemäss dem angefochtenen Entscheid erstellt, dass seit mindestens 2006 die landwirtschaftliche Tätigkeit des Beschwerdegegners eine Verlustquelle darstellt. Die Verluste bewegten sich in den Jahren 2008 bis 2012 zwischen Fr. 8'194.-- und Fr. 20'815.--. Auch nach Ansicht der Vorinstanz könnten diese Verluste darauf hinweisen, dass es sich nicht um eine gewinnbringende Tätigkeit, sondern um ein Hobby handle. Wie sie ausführt, erweise sich jedoch bei genauerer Betrachtung die Tätigkeit des Beschwerdegegners als relativ wichtig, vor allem dann, wenn die teilweise unter erschwerten Bedingungen bewirtschafteten Flächen und die getätigten Investitionen berücksichtigt würden. Zudem seien die Verluste nur wegen der hohen Abschreibungen der getätigten Investitionen entstanden. Es sei daher offensichtlich, dass es sich vor allem nach dem Neubau des Stalles um einen modern ausgebauten Landwirtschaftsbetrieb handle, der bei abnehmendem Investitions- und Abschreibungsbedarf durchaus Gewinnpotenzial enthalte.
3.2. Die Eidgenössische Steuerverwaltung bezeichnet diese tatsächliche Feststellung als offensichtlich unrichtig. Die Annahme der Vorinstanz, dass der Landwirtschaftsbetrieb Gewinnpotenzial habe, sei aufgrund der vorliegenden Zahlen offensichtlich falsch. Die Beschwerdeführerin ihrerseits macht geltend, allein aus dem Umstand, dass ein Betrieb bei objektiver Betrachtung als Basis für eine rentable Erwerbstätigkeit geeignet sei, könne noch nicht auf eine solche Tätigkeit geschlossen werden. Sie verweist hierfür auf ein Bundesgerichtsurteil, wo bei einem Jahresumsatz von ca. Fr. 70'000.-- und einem Bestand von 20 bis 25 Stück Vieh in sieben Jahren ein Totalverlust von Fr. 144'295.-- erzielt wurde, was als Liebhaberei einzustufen war (Urteil 2A.68/2004 vom 4. Juni 2004 E. 2.1 f., in: StE 2004 B 23.1 Nr. 57). Allerdings liegt der vorliegende Fall insofern anders, als der Beschwerdegegner im Gegensatz zu jenem Viehzüchter landwirtschaftliche Direktzahlungen erhält.
3.3. Die nichtkommerzielle Ausrichtung der Tätigkeit des Beschwerdegegners ergibt sich vorliegend bereits aus den Umsatzzahlen der Jahre 2003 bis 2008. Die von ihm eingereichten Aufstellungen über Einnahmen und Ausgaben vermitteln den Eindruck, dass trotz einer stattlichen Anzahl von 24 Ziegen fast keine (Jung-) Tiere verkauft wurden und überhaupt keine landwirtschaftlichen Produkte gehandelt wurden. Hinsichtlich der Ziegen deklarierten die Beschwerdegegner in der Steuererklärung 2008 einen Erlös von Fr. 540.-- aus dem Verkauf von vier Tieren sowie einen Naturalbezug für zwei Erwachsene von je Fr. 600.--, was jeweils in etwa den Zahlen der Vorjahre entspricht. Bezüglich des Rebhangs wird gestützt auf Erfahrungszahlen der kantonalen Steuerverwaltung ein von Jahr zu Jahr gleich bleibender Netto-Soll-Rebertrag in der Höhe von (10,19 Aren zu Fr. 350.--) Fr. 3'566.50 deklariert, was bei weitem nicht ausreicht, um die defizitäre Ziegenhaltung zu kompensieren. Zahlen zu allfälligen tatsächlichen Umsätzen aus Weinhandel sind keine bekannt.
3.4. Von einem Grenzfall zwischen gewinnstrebiger Erwerbstätigkeit und Liebhaberei, wie ihn die Vorinstanz erblickt hat, kann daher im Jahr 2008 unter Berücksichtigung der Vorjahre keine Rede (mehr) sein. Es fehlt ein Geschäftsverhalten im Sinne einer renditeorientierten Bewirtschaftung. Namentlich ist der Nachweis, dass der Beschwerdegegner am Wirtschaftsverkehr teilgenommen hat, nur in rudimentären Ansätzen erbracht. Vielmehr scheint der Beschwerdegegner vor allem die Ziegenzucht primär auf die Deckung des Eigenbedarfs anzulegen. Weil der Beschwerdegegner sein auf Selbstversorgung ausgerichtetes Verhalten bis anhin nicht geändert hat, verschlechterte sich im Jahr 2008 die Ertragslage als Folge der getätigten erheblichen Investitionen in einen neuen Stall, was die Erzielung einer Rendite nachhaltig verunmöglichen dürfte. Derart ist kaum eine Gewinnerzielungsabsicht des Beschwerdegegners (subjektives Element) erkennbar. Jedenfalls ist die aktuelle Tätigkeit (objektives Element) zur nachhaltigen Gewinnerzielung nicht geeignet.
3.5. Ob der Beschwerdegegner einen Beitrag zum Erhalt der Rasse leisten oder Landschaftspflege betreiben will oder ob er andere (ideelle) Beweggründe für die Ziegenhaltung hat, ist unerheblich. Ihren Lebensunterhalt bestreiten die Beschwerdegegner aus unselbständiger Erwerbstätigkeit. Der Landwirtschaftsbetrieb stellt hingegen eine dauernde Verlustquelle dar. Wenn der Beschwerdegegner ihn dennoch weiterführt, kann dafür nicht die Absicht der Gewinnerzielung massgebend sein.
3.6. Was die Beschwerdegegner dagegen vorbringen, führt zu keinem anderen Schluss.
3.6.1. Die Beschwerdegegner machen geltend, dass sie in den Steuerjahren 2003 bis 2005 jeweils einen Gewinn versteuert hatten. Die drei Reingewinne aus früheren Jahren waren aber derart geringfügig, dass daraus nichts Entscheidendes für eine landwirtschaftliche Aktivität im Jahr 2008 abgeleitet werden kann. Richtig ist, dass die Steuerbehörde anfänglich von einer selbständigen Tätigkeit ausging und in den Steuerjahren 2006 und 2007 zwei Mal Verluste steuerlich zum Abzug zuliess. Die offenbar ganz überwiegend auf Eigenkonsum angelegte Tätigkeit des Beschwerdegegners führt aber im Jahr 2008 dazu, dass bei mehr oder weniger unveränderten Einnahmen aber steigenden Investitionen mit der Zeit das Motiv der Liebhaberei als überwiegend erschien. Gegen die für das Steuerjahr 2008 erfolgte Neubeurteilung der Situation durch die Beschwerdeführerin ist damit nichts einzuwenden. Im Übrigen weisen die steueramtlich noch nicht geprüften Selbstdeklarationen in den anschliessenden Jahren erneut Verluste von Fr. 20'380.-- (2009), Fr. 8'195.-- (2010), Fr. 18'142.-- (2011) und Fr. 16'618.-- (2012) aus, was den Schluss, die Ertragslage habe sich im Jahr 2008 nachhaltig verschlechtert, sogar erhärtet.
3.6.2. Die Beschwerdegegner berufen sich darauf, dass ohne Abschreibungen in allen Jahren (also auch in den Jahren 2006 bis 2008) ein Gewinn resultiert hätte. Der Jahresabschluss 2008 des Beschwerdegegners enthält Abschreibungen von 30 % auf dem Buchwert der Maschinen und Fahrzeuge sowie von 10 % auf den Anschaffungskosten des neu gebauten Stalles. Diese Abschreibungssätze liegen im Rahmen der maximal zulässigen degressiven Abschreibungssätze von 40 % (Fahrzeuge, Maschinen) bzw. 10 % (Stall) gemäss dem Merkblatt A/2001 der Eidgenössischen Steuerverwaltung über Abschreibungen auf dem Anlagevermögen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe. Macht der Steuerpflichtige gegenüber der Steuerbehörde Abschreibungen auf dem Anlagevermögen als geschäftsmässig begründeten Aufwand geltend, so muss er sich grundsätzlich auf der von ihm selbst gewählten Darstellung seiner Ertragslage behaften lassen. Hypothetische Annahmen über denkbare tiefere Abschreibungssätze sind unbeachtlich (vgl. Urteil 2C_14/2013 vom 30. Mai 2013 E. 5.3, in: StR 68/2013 S. 646). Allerdings hätte auch im Jahr 2008 selbst dann ein Verlust resultiert, wenn nur sehr geringe (betriebswirtschaftlich absolut zwingend erforderliche) Abschreibungen auf dem Anlagevermögen getätigt worden wären.
3.6.3. Es steht nichts entgegen, in den nächsten Jahren wiederum eine Neubeurteilung zugunsten einer selbständigen Erwerbstätigkeit vorzunehmen, wenn sich ergeben sollte, dass im Zuge der Betriebsvergrösserung durch den neu gebauten Stall die Ausrichtung des Beschwerdegegners sich wesentlich geändert hat und aufgrund einer nach aussen sichtbaren Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr - mittels Handels mit Dritten - sich neue Marktchancen eröffnet haben. Aus den vom Beschwerdegegner eingereichten Aufstellungen für die Jahre 2009 bis 2012 lassen sich dafür allerdings keine Hinweise entnehmen, da sie ein seit dem Jahr 2008 mehr oder weniger unverändertes Bild der Ertragslage zeichnen.
3.7. Die Beschwerde ist folglich hinsichtlich der direkten Bundessteuer abzuweisen.
 
4.
 
5.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. 
2. 
3. 
4. 
5. 
6. 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Zünd
Der Gerichtsschreiber: Wyssmann