BGer 4A_256/2014 |
BGer 4A_256/2014 vom 08.09.2014 |
{T 0/2}
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4A_256/2014
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Urteil vom 8. September 2014 |
I. zivilrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
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Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Hohl,
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Bundesrichterin Kiss, Bundesrichterin Niquille,
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Gerichtsschreiberin Marti-Schreier.
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Verfahrensbeteiligte |
A.________ AG,
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vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thierry Calame,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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B.________ Ltd.,
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vertreten durch Herrn Prof. Dr. Eugen Marbach und Herrn Yves Stucki, Fürsprecher,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Anwendbares Recht (IPRG),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 2. Juli 2013.
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Sachverhalt: |
A. |
A.a. Die A.________ AG (vormals C.________ AG; Klägerin, Beschwerdeführerin) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in U.________ (Schweiz). Sie bezweckt die Herstellung von Lebensmitteln sowie Verpackung von und Handel mit Waren aller Art.
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Die B.________ Ltd. (Beklagte, Beschwerdegegnerin) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Hongkong.
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A.b. Vom 13. bis zum 17. Dezember 2008 trafen sich ein Angestellter und der Verwaltungsratspräsident der A.________ AG in Hongkong mit Vertretern der B.________ Ltd. zu einem Meeting. Hintergrund des Meetings war ein Streit der Parteien über die Frage, wem zwei Patentanmeldungen betreffend Kaffeekapseln und eine Patentanmeldung betreffend einen Mechanismus zum Aufstechen der Kaffeekapseln zustehen würden. Als Inhaber war in allen drei Patentanmeldungen die B.________ Ltd. angegeben.
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A.c. Die Parteien sind sich nicht einig über das Ergebnis des Meetings in Hongkong. Die B.________ Ltd. macht geltend, die Parteien hätten sich darauf geeinigt, dass sie der A.________ AG die Patentanmeldung betreffend den Aufstechmechanismus abtrete und demgegenüber die Patentanmeldungen betreffend die Kaffeekapseln behalte. Die A.________ AG bestreitet das Zustandekommen einer Vereinbarung.
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A.d. Am 19. Dezember 2008 trat die B.________ Ltd. der A.________ AG die Patentanmeldung betreffend den Aufstechmechanismus ab. Die A.________ AG fordert von der B.________ Ltd. zusätzlich die Abtretung der Patentanmeldungen betreffend die Kaffeekapseln.
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B. |
B.a. Am 21. Juni 2010 reichte die A.________ AG beim Handelsgericht des Kantons Bern gegen die B.________ Ltd. Klage auf Abtretung der Patentanmeldungen betreffend die Kaffeekapseln ein. Ihr in der Replik abgeändertes Rechtsbegehren lautete wie folgt:
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"1. Die Beklagte sei zu verpflichten, die Europäische Patentanmeldung vvv (Veröffentlichungsnummer: EP www) kostenlos an die Klägerin abzutreten.
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Eventualiter sei die Beklagte zu verpflichten, die Europäische Patentanmeldung vvv (Veröffentlichungsnummer: EP www) kostenlos an die Klägerin zu Mitinhaberschaft (Art. 3 Abs. 2 und Art. 33 Abs. 2 PatG) abzutreten.
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2. Die Beklagte sei zu verpflichten, die Europäische Patentanmeldung xxx (Veröffentlichungsnummer: EP yyy; EP-Teil der internationalen Patentanmeldung zzz) kostenlos an die Klägerin abzutreten.
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Eventualiter sei die Beklagte zu verpflichten, die Europäische Patentanmeldung xxx (Veröffentlichungsnummer: EP yyy; EP-Teil der internationalen Patentanmeldung zzz) kostenlos an die Klägerin zu Mitinhaberschaft (Art. 3 Abs. 2 und Art. 33 Abs. 2 PatG) abzutreten."
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B.b. Mit Verfügung vom 5. April 2013 beschränkte das Handelsgericht das Verfahren auf die Frage des Zustandekommens und des Inhalts der in der Zeit vom 13. bis zum 17. Dezember 2008 in Hongkong allenfalls getroffenen Vereinbarung der Parteien und auf deren allfällige rechtliche Bedeutung.
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B.c. Mit Entscheid vom 2. Juli 2013 wies das Handelsgericht des Kantons Bern die Klage ab. Es kam zum Schluss, es sei Schweizer Recht auf die Streitigkeit anwendbar. Als Ergebnis der Beweiswürdigung hielt es fest, die Parteien hätten anlässlich der Verhandlungen in Hongkong vom 13. bis zum 17. Dezember 2008 einen übereinstimmenden Willen dahingehend geäussert, dass die B.________ Ltd. der A.________ AG die Patentanmeldung betreffend den Aufstechmechanismus übertrage, nicht jedoch die Patentanmeldungen betreffend die Kaffeekapseln. Die A.________ AG habe somit kein Recht auf Abtretung der Patentanmeldungen betreffend die Kaffeekapseln.
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C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 28. April 2014 beantragt die A.________ AG dem Bundesgericht, es sei das Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und es sei die Klage gutzuheissen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Handelsgericht zurückzuweisen. Die Beschwerdeführerin beantragt zudem die Erteilung der aufschiebenden Wirkung.
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Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Die Vorinstanz hat auf Vernehmlassung verzichtet.
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Die Parteien haben Replik und Duplik eingereicht.
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D. |
Mit Präsidialverfügung vom 6. August 2014 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt.
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Erwägungen: |
1. |
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 139 III 133 E. 1 S. 133 mit Hinweisen).
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1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen einen verfahrensabschliessenden Endentscheid (Art. 90 BGG) in einer Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) im Zusammenhang mit geistigem Eigentum, für welche das Bundesrecht eine einzige kantonale Instanz vorsieht (Art. 75 Abs. 2 lit. a BGG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO), weshalb die Beschwerde unbesehen einer Streitwertgrenze zulässig ist (Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG). Sie ist innert der Beschwerdefrist (Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. a BGG) von der mit ihren Rechtsbegehren unterlegenen Partei (Art. 76 Abs. 1 BGG) eingereicht worden. Auf die Beschwerde ist somit - unter Vorbehalt einer hinreichenden Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) - einzutreten.
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1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254; 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140).
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2. |
Zwischen den Parteien ist umstritten, ob auf ihre Streitigkeit Schweizer Recht oder das Recht von Hongkong anwendbar sei. Da die Beschwerdeführerin ihren Sitz in U.________ (Schweiz) und die Beschwerdegegnerin den ihren in Hongkong hat, liegt ein internationaler Sachverhalt vor (BGE 140 III 115 E. 3 S. 117; 137 III 481 E. 2.1 S. 483). Das anwendbare Recht ist somit nach dem IPRG zu ermitteln (Art. 1 Abs. 1 lit. b IPRG).
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2.1. Die Vorinstanz hat ausgeführt, die Frage des Zustandekommens eines Vertrags sei nach der lex causae, d.h. nach dem auf den Vertrag anzuwendenden Recht zu beurteilen. Da die Parteien keine Rechtswahl getroffen hätten, unterstehe der Vertrag nach Art. 117 Abs. 1 IPRG dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhänge. Nach Art. 117 Abs. 2 IPRG werde vermutet, der engste Zusammenhang bestehe mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringen solle, ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe oder, wenn sie den Vertrag aufgrund einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit geschlossen habe, in dem sich ihre Niederlassung befinde. Eine charakteristische Leistung sei vorliegend nicht auszumachen. Massgebend sei somit jenes Recht, welches in Würdigung aller bei Vertragsabschluss erkennbarer Umstände am engsten mit dem Vertragsinhalt zusammenhänge. Gegenstand des in Hongkong allenfalls abgeschlossenen Vertrags seien drei Patentanmeldungen. Für alle drei Anmeldungen werde Schutz auf dem Gebiet der Schweiz beantragt, jedoch nur für zwei Anmeldungen gleichzeitig Schutz in China bzw. in Hongkong. Aufgrund des territorialen Schutzbereichs überwiege gesamtheitlich betrachtet der Zusammenhang mit der Schweiz, weshalb Schweizer Recht anwendbar sei.
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2.2. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe durch die Anwendung von Schweizer Recht Art. 117 IPRG und Art. 9 BV verletzt. Da keine charakteristische Leistung auszumachen sei und kaum Indizien für die Wahl des anwendbaren Rechts ersichtlich seien, müsse auf den Ort abgestellt werden, an dem über mehrere Tage verhandelt worden sei. Entsprechend sei auf den angeblich geschlossenen Vertrag bzw. auf die Frage, ob ein solcher überhaupt geschlossen worden sei, das Recht von Hongkong anwendbar.
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2.3. Art. 116 f. IPRG regeln das auf Verträge anwendbare Recht im Allgemeinen. Für Verträge über Immaterialgüterrechte besteht jedoch mit Art. 122 IPRG eine Sonderbestimmung. Danach unterstehen solche Verträge dem Recht des Staates, in dem derjenige, der das Immaterialgüterrecht überträgt oder die Benutzung an ihm einräumt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 122 Abs. 1 IPRG). Für juristische Personen ist anstelle des gewöhnlichen Aufenthalts der Niederlassungsort massgebend (Philippe Ducor, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé - Convention de Lugano, 2011, N. 7 zu Art. 122 IPRG; GION JEGHER/DAVID VASELLA, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 16 zu Art. 122 IPRG; ANTON K. SCHNYDER/ANDREA DOSS, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2. Aufl. 2012, N. 6 zu Art. 122 IPRG; FRANK VISCHER, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 14 zu Art. 122 IPRG). Dieser befindet sich in dem Staat, in dem der Sitz liegt (Art. 21 Abs. 4 IPRG).
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Zu den Immaterialgüterrechten i.S.v. Art. 122 IPRG gehören Patentrechte, aber auch bereits Rechte aus Schutzrechtsanmeldungen ( JEGHER/VASELLA, a.a.O., N. 4 zu Art. 110 IPRG mit Hinweisen; SCHNYDER/DOSS, a.a.O., N. 2 zu Art. 122 IPRG). Patentanmeldungen sind somit von dieser Bestimmung erfasst. Im Gegensatz zu Art. 110 IPRG, der das Immaterialgüterstatut regelt, befasst sich Art. 122 IPRG mit dem Vertragsstatut. Dieses bestimmt u.a. über den Abschluss, Inhalt und die Gültigkeit eines Vertrags (Ducor, a.a.O., N. 5 zu Art. 122 IPRG; JEGHER/VASELLA, a.a.O., N. 13 zu Art. 122 IPRG; SCHNYDER/DOSS, a.a.O., N. 5 zu Art. 122 IPRG; VISCHER, a.a.O., N. 11 zu Art. 122 IPRG).
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Eine Abweichung von der in Art. 122 IPRG vorgesehenen ordentlichen Anknüpfung ist gemäss Art. 15 Abs. 1 IPRG möglich, wenn der Sachverhalt mit einem anderen Recht in viel engerem Zusammenhang steht (vgl. Ducor, a.a.O., N. 8 ff. zu Art. 122 IPRG; Jegher/Vasella, a.a.O., N. 15 zu Art. 122 IPRG mit Hinweisen; SCHNYDER/DOSS, a.a.O., N. 14 zu Art. 122 IPRG). Teilweise wird vertreten, eine Korrektur der Anknüpfung habe über Art. 117 Abs. 1 IPRG zu erfolgen, wobei auch hier ein eindeutigengerer Zusammenhang mit einem anderen als dem nach Art. 122 Abs. 1 IPRG anwendbaren Recht gefordert wird (so etwa VISCHER, a.a.O., N. 18 zu Art. 122 IPRG).
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2.4. Mit dem von den Parteien in Hongkong allenfalls abgeschlossenen Vertrag sollte die Frage der Übertragung von drei Patentanmeldungen geregelt werden, als deren Inhaber jeweils die Beschwerdegegnerin angegeben war. Patentanmeldungen stellen Immaterialgüterrechte i.S.v. Art. 122 IPRG dar. Da vorliegend umstritten ist, ob ein Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen ist und gegebenenfalls mit welchem Inhalt, ist das Vertragsstatut nach Art. 122 IPRG und nicht das Immaterialgüterstatut nach Art. 110 IPRG anwendbar. Anwendbar ist mithin das Recht des Staates, in dem die Beschwerdegegnerin als die das Immaterialgüterrecht allenfalls übertragende Partei ihren Sitz hat. Die Beschwerdegegnerin hat und hatte auch im Zeitpunkt des allfälligen Vertragsschlusses ihren Sitz in Hongkong. Damit ist nach Art. 122 Abs. 1 IPRG das Recht von Hongkong anzuwenden. Ein
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Die Vorinstanz hat somit Bundesrecht verletzt, indem sie Schweizer Recht angewendet hat. Der vorinstanzliche Entscheid ist daher aufzuheben und die Sache ist zu neuer Entscheidung auf der Basis des Rechts von Hongkong an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Inhalt des anzuwendenden ausländischen Rechts ist nach Art. 16 Abs. 1 IPRG grundsätzlich von Amtes wegen festzustellen, der Nachweis kann aber bei vermögensrechtlichen Ansprüchen den Parteien überbunden werden.
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3. |
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen und der Entscheid des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 2. Juli 2013 ist aufzuheben. Die Sache ist zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Beschwerdeführerin dringt mit ihren Begehren nur teilweise durch. Da zum jetzigen Zeitpunkt zudem noch ungewiss ist, in welchem Umfang sie in der Sache obsiegen wird, erscheint es gerechtfertigt, die Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren den Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen und die Parteikosten wettzuschlagen (vgl. Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 2. Juli 2013 wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 8'000.-- werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt.
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3. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 8. September 2014
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Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Klett
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Die Gerichtsschreiberin: Marti-Schreier
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