BGer 6B_390/2014
 
BGer 6B_390/2014 vom 20.10.2014
{T 0/2}
6B_390/2014, 6B_392/2014, 6B_393/2014
 
Urteil vom 20. Oktober 2014
 
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Denys, Rüedi,
Gerichtsschreiberin Andres.
 
Verfahrensbeteiligte
1. X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Schluep,
2. Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Rolf Weidmann,
3. Z.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Caroline Engel,
Beschwerdeführer,
gegen
1.  Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
2. A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Alfred Haltiner,
3. B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Roger Wirz,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Mehrfache versuchte vorsätzliche Tötung, Angriff; Willkür, Grundsatz "in dubio pro reo",
Beschwerden gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 20. Dezember 2013.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
Erwägungen:
 
1.
 
2.
2.1. Die Beschwerdeführer rügen, die Vorinstanz habe den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt und das Willkürverbot sowie den Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt (Art. 97 Abs. 1 BGG, Art. 9 BV sowie Art. 6 Ziff. 2 EMRK). Sie kritisieren insbesondere die vorinstanzliche Würdigung, wonach grundsätzlich auf die Aussagen von G.________ abgestellt werden könne. Die Beschwerdeführer 2 und 3 argumentieren, sie seien von den Beschwerdegegnern 2 sowie 3 angegriffen worden und hätten in Notwehr gehandelt. Der Beschwerdeführer 1 bestreitet, an der Auseinandersetzung beteiligt gewesen zu sein.
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist (BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445 mit Hinweisen; zum Begriff der Willkür BGE 139 III 334 E. 3.2.5 S. 339; 138 I 49 E. 7.1 S. 51; je mit Hinweisen) oder wenn sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge muss klar vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 225 E. 3.2 S. 228 mit Hinweisen). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445; 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5; je mit Hinweisen).
2.3. Auf die pauschale Rüge des Beschwerdeführers 2, die vorinstanzliche Beweiswürdigung verletze Art. 8 und 31 Abs. 1 BV, ist nicht einzutreten.
 
2.4.
2.4.1. Die Beschwerdeführer stellen die Glaubwürdigkeit von G.________ in Frage. Sie verkennen, dass auch die Vorinstanz G.________ der Gruppe der "Kioskleute" zuordnet und festhält, er habe ausdrücklich die Bestrafung der Beschwerdeführer gewünscht. Sie geht nicht davon aus, G.________ sei zufälligerweise in die Sache hineingeraten, sondern gibt lediglich dessen Aussage wieder (Urteil S. 19 f. Ziff. II.5.1.1 und S. 30 Ziff. II.5.2.2.2.a). Die Vorinstanz hat sich zu Recht nicht eingehend mit der Glaubwürdigkeit von G.________ auseinandergesetzt, sondern sich auf die Würdigung seiner Aussagen beschränkt. Denn wesentlicher für die Wahrheitsfindung als die allgemeine Glaubwürdigkeit im Sinne einer dauerhaften personalen Eigenschaft ist die Glaubhaftigkeit der konkreten Aussage (BGE 133 I 33 E. 4.3 S. 45 mit Hinweis).
2.4.2. Die Beschwerdeführer 2 und 3 wenden sich gegen die vorinstanzliche Feststellung, die Aussagen von G.________ würden zwar Abweichungen zur Videoaufzeichnung aufweisen, die indessen nicht das Kerngeschehen beträfen (Urteil S. 34 Ziff. II.5.2.2.2.a). Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz die zu den Verletzungen der Beschwerdegegner 2 und 3 führende Auseinandersetzung als Kerngeschehen bezeichnet und festhält, diese habe knapp 30 Sekunden gedauert. Im Übrigen zeigt sie die Widersprüche im zeitlichen Ablauf zwischen den Aussagen von G.________ sowie der Videoaufzeichnung auf und legt nachvollziehbar dar, die Unstimmigkeit in seinen Aussagen sei damit zu erklären, dass G.________ vor seiner staatsanwaltschaftlichen Einvernahme die Aufzeichnung der Überwachungskamera gesehen habe (Urteil S. 33 Ziff. II.5.2.2.2.a). Zudem ist es durchaus möglich, dass G.________ die Stange behändigte, als er sich der Beschwerdeführer gewahr wurde, obwohl in der Folge zirka 12 Sekunden vergingen, bis die Auseinandersetzung begann, und rund eine weitere Minute verstrich, bis die Beschwerdegegner verletzt wurden. So hat G.________ angegeben, die Beschwerdeführer 2 und 3 seien am Kiosk vorbeigegangen und auf ihre Kollegen gestossen, die lärmend auf sie zugekommen seien. Die Gruppe habe sich in der Folge aus ca. 20-50 Meter Entfernung auf sie - die "Kioskleute" - zubewegt (Urteil S. 33 Ziff. II.5.2.2.2.a, S. 46 Ziff. II.5.2.2.4; kantonale Akten, act. 13/1 S. 5). Folglich sind zwischen dem Moment, als G.________ die Gruppe erblickte, und dem Beginn des Angriffs mehrere Sekunden verstrichen, womit seine Aussage, er habe die Stange ergriffen, als er die Angreifer gesehen habe, stimmig ist.
2.4.3. Hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Aussagen von G.________ ist die Vorinstanz als Sachgericht nicht an die Beurteilung der III. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich gebunden. Diese hatte die Beschwerde von G.________ gegen die Einstellung der gegen die Beschwerdeführer wegen Drohung und Angriffs geführten Strafuntersuchung zu beurteilen.
2.4.4. Entgegen dem Einwand des Beschwerdeführers 2 begründet die Vorinstanz willkürfrei, weshalb sie die Aussagen der Beschwerdeführer 2 und 3 sowie der Zeugen I.________ sowie J.________ als unglaubhaft erachtet (Urteil S. 27 ff. Ziff. II.5.2.2.1.c). Sein Vorbringen, er habe I.________ am Tattag zwischen 11:35:24 und 17:38:48 fünfmal angerufen, weil er ihm wie verabredet seine Werkzeuge habe zurückgeben wollen, lässt die vorinstanzliche Beweiswürdigung nicht schlechterdings unhaltbar erscheinen. Die Anrufe müssen nicht zwangsläufig mit den Werkzeugen in Zusammenhang stehen. Der Beschwerdeführer 2 kann den Zeugen auch aus einem anderen Grund angerufen haben. Es ist jedenfalls nicht unhaltbar, wenn die Vorinstanz den Nachweis der Telefonverbindungen unberücksichtigt lässt. Sie durfte bei der Gesamtwürdigung davon ausgehen, die Beschwerdeführer 2 und 3 hätten Axt sowie Gertel gezielt für den Einsatz als Waffen mitgetragen (Urteil S. 46 Ziff. II.5.2.2.4).
2.4.5. An der Sache vorbei geht der Einwand der Beschwerdeführer 2 und 3, die Vorinstanz schliesse nicht aus, dass der Beschwerdegegner 2 die Metallstange, die der Beschwerdegegner 3 nach seiner Verletzung habe fallen lassen, kurz behändigt habe. Dass der Beschwerdegegner 2 seinem Kollegen habe zu Hilfe eilen wollen, sei eine reine Mutmassung. Selbst wenn sich die vorinstanzliche Annahme nicht auf die Akten stützen liesse, ist nicht ersichtlich, inwiefern dies relevant wäre. Unbestritten ist, dass beide Beschwerdegegner vor dem Kiosk standen, als die Beschwerdeführer 2 sowie 3 auf sie zukamen, und schliesslich beide verletzt wurden. Ob der Beschwerdegegner 2 dem Beschwerdegegner 3 helfen wollte oder aus einem anderen Grund von den Beschwerdeführern verletzt wurde, ist für die Sachverhaltsfeststellung irrelevant.
2.4.6. Ferner verkennt der Beschwerdeführer 2, dass auch die Vorinstanz annimmt, der Beschwerdegegner 3 habe sich mit der Stange auf die Beschwerdeführer 2 und 3 zubewegt. Sie geht von einigen Schritten aus (Urteil S. 46 Ziff. II.5.2.2.4). Entgegen dem Einwand des Beschwerdeführers 2 ist diese Erwägung nicht aktenwidrig, sondern stützt sich - wie die Vorinstanz zu Recht festhält - unter anderem auf die Aussagen von G.________ (kantonale Akten, act. 13/4 S. 16). Zudem belegt der Beschwerdeführer 2 nicht, weshalb von mehreren Metern auszugehen sei.
2.4.7. Unbegründet ist der Einwand des Beschwerdeführers 1, G.________ habe erstmals bei der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme angegeben, ihn angesprochen zu haben. Die Vorinstanz weist zu Recht darauf hin, G.________ habe bereits am 19. Juni 2011 bei der Polizei angegeben, er habe dem Beschwerdeführer 1 gesagt, er solle aufhören, sie bräuchten keinen Streit (Urteil S. 51 Ziff. II.5.3.1.2.a; kantonale Akten, act. 13/1 S. 8). Auch war sich G.________ bei der Staatsanwaltschaft nicht "plötzlich sicher", dass der Beschwerdeführer 1 eine Stange in der Hand gehalten habe. Er sprach von einer "Stange oder etwas" und gab an, er könne den Gegenstand nicht beschreiben (kantonale Akten, act. 13/4 S. 19).
2.5. Insgesamt gelingt es den Beschwerdeführern nicht, die vorinstanzliche Beweiswürdigung willkürlich erscheinen zu lassen. Insbesondere durfte die Vorinstanz auf die Aussagen von G.________ abstellen, ohne in Willkür zu verfallen. Folglich ist auch ihre Gesamtwürdigung nicht zu beanstanden, wonach der Angriff von den Beschwerdeführern 2 sowie 3 ausging und der Beschwerdegegner 3 sowie später der Beschwerdegegner 2 die Metallstange behändigten, um sich zu verteidigen (Urteil S. 44 ff. Ziff. II.5.2.2.4). Ferner durfte die Vorinstanz als erstellt erachten, dass der Beschwerdeführer 1 am Angriff auf die Beschwerdegegner beteiligt war (Urteil S. 54 f. Ziff. II.5.3.2). Die Beschwerdeführer zeigen lediglich auf, dass man auch zu einem anderen Beweisergebnis hätte gelangen können. Dies reicht nicht, um Willkür darzutun.
 
3.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Verfahren 6B_390/2014, 6B_392/2014 und 6B_393/2014 werden vereinigt.
2. Die Beschwerden werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
3. Die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung werden abgewiesen.
4. Die Gerichtskosten von Fr. 2'400.-- werden den Beschwerdeführern je zu einem Drittel auferlegt.
5. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. Oktober 2014
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Die Gerichtsschreiberin: Andres