BGer 6B_415/2014
 
BGer 6B_415/2014 vom 27.10.2014
{T 0/2}
6B_415/2014
 
Urteil vom 27. Oktober 2014
 
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Gerichtsschreiberin Pasquini.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Fäh,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Entschädigung bei Verfahrenseinstellung; rechtliches Gehör,
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 22. April 2014.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
C.
 
Erwägungen:
1. 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen, indem die Vorinstanz auf seine Beschwerde nicht eingetreten sei, verletze sie die Rechtsweggarantie von Art. 29a BV. Sie verwehre ihm eine Beurteilung der Einstellungsverfügung, obwohl dies in Art. 322 Abs. 2 StPO vorgesehen sei. Da vorliegend die Einstellungsverfügung einer zürcherischen Staatsanwaltschaft zu prüfen sei, könne es an der Zuständigkeit der Vorinstanz als kantonale Beschwerdeinstanz keinen Zweifel geben. Zudem habe er bei der Vorinstanz vorgebracht, der Erlass der Einstellungsverfügung ohne vorgängige Parteianzeige gemäss Art. 318 Abs. 1 StPO verletze seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Bereits dieser Verfahrensmangel hätte die Aufhebung der Verfügung zur Folge haben müssen. Zumindest hätte die Vorinstanz die Verletzung des rechtlichen Gehörs aber bei der Kostenauferlegung berücksichtigen müssen (Beschwerde S. 6 ff.).
1.2. Die Vorinstanz erwägt, werde das Verfahren eingestellt, so habe die beschuldigte Person grundsätzlich Anspruch auf eine Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO). Werde ein Verfahren in einem Kanton eröffnet und an einen anderen Kanton abgetreten respektive in einem anderen Kanton eingestellt, so sei in analoger Anwendung von Art. 423 Abs. 1 StPO der Kanton entschädigungspflichtig, in dem das Strafverfahren eingeleitet worden sei. Dies rechtfertige sich vorliegend umso mehr, als der örtlich offensichtlich unzuständige Kanton St. Gallen einen Strafbefehl erlassen habe, der Anlass zur Einsprache gegeben und auch materiell einer Prüfung nicht standgehalten habe. Das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer sei im Kanton St. Gallen eingeleitet worden. Daher habe der Beschwerdeführer die von ihm verlangte Entschädigung in diesem Kanton geltend zu machen. Auf die Beschwerde sei somit mangels Zuständigkeit nicht einzutreten (Verfügung S. 2 f. E. 4.1-4.3).
1.3. 
1.3.1. Gemäss Art. 29a BV hat jede Person bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde. Bund und Kantone können durch Gesetz die richterliche Beurteilung in Ausnahmefällen ausschliessen.
1.3.2. Nach Art. 421 Abs. 1 StPO legt die Strafbehörde im Endentscheid die Kostenfolgen fest. Sie kann diese Festlegung vorwegnehmen, namentlich in Zwischenentscheiden oder Entscheiden über die teilweise Einstellung des Verfahrens (Art. 421 Abs. 2 lit. a und lit. b StPO).
1.3.3. Das rechtliche Gehör dient der Sachaufklärung und stellt ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines solchen Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 135 II 286 E. 5.1 mit Hinweisen).
1.4. Indem die Vorinstanz mit der Begründung, sie sei nicht zuständig, auf die Beschwerde des Beschwerdeführers nicht eintrat, verletzt sie Art. 322 Abs. 2 StPO und die Rechtsweggarantie nach Art. 29a BV. Sie war offensichtlich zuständig für seine Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl (vgl. Art. 20 Abs. 1 lit. b und Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO i.V.m. § 49 des Gesetzes über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess vom 10. Mai 2010 [GOG/ZH]). Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, der Beschwerdeführer hätte die Entschädigung im Kanton St. Gallen geltend machen müssen, weil das Strafverfahren da zu Unrecht eingeleitet wurde. Dabei scheint sie aber die Fragen, ob eine Entschädigungspflicht besteht, welchen Kanton diese gegebenenfalls trifft und ob eine Überwälzung der geleisteten Entschädigung an einen anderen Kanton möglich ist, mit der Frage zu vermengen, wer diese zu prüfen und darüber zu entscheiden hat. Soweit die Vorinstanz dem Beschwerdeführer sinngemäss vorwirft, er hätte sich gegen den Entscheid des Kreisgerichts St. Gallen wenden müssen, scheint sie zu verkennen, dass dieses zwar die Kosten regelt, sich aber nicht zu einem Entschädigungsanspruch des Beschwerdeführers äussert. Dazu war es bei der Ausfällung seines Entscheids, der das Verfahren nicht erledigte, auch nicht verpflichtet (vgl. Art. 421 StPO).
1.5. Selbst wenn der Argumentation der Vorinstanz gefolgt werden könnte, verletzt sie den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör, indem sie auch seine weiteren Rügen gegen die Einstellungsverfügung nicht behandelt. Ob Art. 87 Abs. 3 StPO und Art. 318 Abs. 1 StPO verletzt sind, weil ihm die Einstellungsverfügung persönlich zugestellt und der Verfahrensabschluss vorgängig nicht angekündigt wurde (vorinstanzliche Akten, act. 2 S. 5), ist nicht abhängig von der Frage einer allfälligen Entschädigung.
 
2.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Die Verfügung des Obergerichts des Kantons Zürich vom 22. April 2014 wird aufgehoben, und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2. Es werden keine Kosten erhoben.
3. Der Kanton Zürich hat dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Andreas Fäh, eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten.
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. Oktober 2014
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini