BGer 8C_896/2014
 
BGer 8C_896/2014 vom 28.09.2015
{T 0/2}
8C_896/2014
 
Urteil vom 28. September 2015
 
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Frésard, Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Jancar.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________, handelnd durch
DAS Rechtsschutz-Versicherungs-AG, und diese vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Krapf,
Beschwerdeführerin,
gegen
AXA Versicherungen AG, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. Oktober 2014.
 
Sachverhalt:
A. Die 1963 geborene A.________ war seit 1. Mai 1981 beim Spital B.________ als Pflegeassistentin angestellt und damit bei der AXA Versicherungen AG (nachfolgend AXA) obligatorisch unfallversichert. Am 19. Januar 2011 wurde sie von einer Frau aus einem Bus gezerrt, worauf sie zu Boden stürzte. Hierbei zog sie sich eine intraligamentäre Patellaquerfraktur am rechten Knie und eine Kontusion am linken Knie zu. Am 3. April 2012 wurde sie von Dr. med. C.________, Orthopädische Chirurgie FMH, Zürich, am rechten Knie operiert (arthroskopische mediale Teilmeniskektomie Vorderhorn, Resektion Plica mediopatellaris sowie Plica infrapatellaris, Infiltration 20 ml Naropin 0,2 % und Kenacort 40 mg). Die AXA kam für die Heilbehandlung und das Taggeld auf. Sie holte diverse Arztberichte und ein Gutachten der Frau Dr. med. D.________, Innere Medizin FMH spez. Rheumaerkrankungen vom 28. Juli 2012 ein. Mit Verfügung vom 3. September 2012 stellte die AXA fest, die heute geltend gemachten Kniebeschwerden rechts stünden nicht mehr überwiegend wahrscheinlich in Kausalzusammenhang mit dem Unfall vom 19. Januar 2011; die Leistungen würden rückwirkend per 31. Juli 2012 eingestellt; mangels natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen dem Schmerzsyndrom bzw. dem nicht bestätigten komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS) und dem Unfall könnten die verordneten Medikamente nicht übernommen werden. Dagegen erhoben die Versicherte und ihr Krankenversicherer Einsprache; Letzterer zog sie in der Folge zurück. Mit Entscheid vom 4. Juni 2013 wies die AXA die Einsprache der Versicherten ab.
B. Die dagegen geführte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 31. Oktober 2014).
C. Mit Beschwerde beantragt die Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheids sei die Sache an die AXA zurückzuweisen, damit sie weitere medizinische Abklärungen treffe und hernach über ihre Ansprüche (Taggelder, Heilbehandlung, Rente, Integritätsentschädigung) neu entscheide. Sie legt neue Akten auf.
Am 17. Dezember 2014 reicht sie weitere neue Akten ein.
Die AXA schliesst auf Beschwerdeabweisung. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
1. Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren beanstandeten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
2. Die Vorinstanz hat die Grundlagen über den für die Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers erforderlichen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111) sowie den Wegfall unfallbedingter Ursachen eines Gesundheitsschadens bei Erreichen des Status quo sine vel ante (SVR 2011 UV Nr. 4 S. 12 E. 3.2 [8C_901/2009]) richtig dargelegt. Gleiches gilt betreffend den Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 138 V 218 E. 6 S. 221) und den Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232, 125 V 351). Darauf wird verwiesen.
3. Streitig ist erstens, ob zwischen dem Unfall der Versicherten vom 19. Januar 2011 und ihren Kniebeschwerden rechts ab 31. Juli 2012 ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht.
3.1. Frau Dr. med. D.________ stellte im internistisch-rheumatologischen Gutachten vom 28. Juli 2012 einzig Diagnosen ohne Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit, nämlich unter anderem: Knieschmerzen rechts mit vollständiger Frakturheilung sowie intakten Knorpel- und Knochenstrukturen, mit leichtem postarthroskopischem Kniegelenkerguss, ohne klinische oder bildgebende Hinweise auf ein CRPS Typ I (MRI vom 10. Juli 2012). Weiter führte sie aus, die MRI-Untersuchung des rechten Knies vom 10. Juli 2012 zeige drei Monate nach der Arthroskopie einen normalen Befund. Den kleinen Kniegelenkserguss interpretiere sie als Arthroskopiefolge. Die angestammte Tätigkeit als Pflegeassistentin wie auch als Archivmitarbeiterin könne die Versicherte ohne Einschränkungen ganztags ausüben. Dr. med. E.________, Anästhesie Intensivmedizin FMH Schmerztherapie, Clinic F.________, habe im Bericht vom 11. Mai 2012 keine klinischen Befunde mitgeteilt, die für die Diagnose eines CRPS I genügten. Dr. med. G.________, Facharzt FMH für Chirurgie spez. Allgemeinchirurgie und Traumatologie, habe in der Aktenstellungnahme vom 22. Mai 2012 eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit verneint, welche Einschätzung sie teile.
3.2. Die Vorinstanz stellte auf dieses Gutachten der Frau Dr. med. D.________ ab und führte im Wesentlichen aus, ein CRPS sei nicht überwiegend wahrscheinlich vorhanden gewesen, weshalb sich die Frage der Kausalität diesbezüglich erübrige. Der vorinstanzlich eingereichte Bericht des PD Dr. med. H.________, Chefarzt Rheumatologie, Klinik I.________, vom 26. Juni 2013 vermöge an diesem Ergebnis nichts zu ändern, da er keine Gründe darlege, weshalb er eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % annehme und eine Kausalität gegeben sei. Zusammenfassend habe die AXA die natürliche Kausalität zwischen den geklagten Kniebeschwerden und dem Unfall vom 19. Januar 2011 über den 31. Juli 2012 hinaus zu Recht verneint.
 
4.
4.1. Mit der Beschwerde legt die Versicherte neu folgende Akten auf: ein an sie gerichtetes, in Kopie an die AXA zugestelltes Schreiben der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 15. Januar 2014, wonach Letztere die Durchführung einer medizinischen Begutachtung beabsichtige; ein Schreiben der IV-Stelle an die AXA vom 2. April 2014 (mit Kopie an die Beschwerdeführerin), ihr den Polizeirapport betreffend den Unfall vom 19. Januar 2011 und die weiteren Strafakten zuzustellen zwecks Weiterleitung an die Gutachterstelle; das nach Untersuchungen der Versicherten vom 5. bis 8. Mai 2014 erstellte interdisziplinäre (internistische, orthopädische, dermatologische und psychiatrische) Gutachten des Zentrums J.________, Abklärungsstelle K.________, vom 10. Juni 2014 und das Schreiben der IV-Stelle an die AXA vom 6. August 2014, womit sie ihr dieses Gutachten zustellte. Die Versicherte rügt, die AXA hätte dieses Gutachten von sich aus der Vorinstanz zur Verfügung stellen müssen, damit diese es in ihre Entscheidfindung hätte einbeziehen können; da dies nicht passiert sei, sei der Sachverhalt nicht rechtskonform abgeklärt worden.
Da diese neu aufgelegten Unterlagen vor dem angefochtenen Entscheid vom 31. Oktober 2014 datieren, handelt es sich um unechte Noven, deren Einreichung nur im Rahmen von Art. 99 Abs. 1 BGG zulässig ist (nicht publ. E. 1.3 des Urteils BGE 138 V 286, in SVR 2012 FZ Nr. 3 S. 7 [8C_690/2011]; Urteil 8C_516/2014 vom 6. Januar 2015 E. 6.1). Die Versicherte macht nicht geltend, das Gutachten des Zentrums J.________ vom 10. Juni 2014 vor Abschluss des vorinstanzlichen Verfahrens von der IV-Stelle nicht erhalten zu haben, so dass es ihr unmöglich gewesen sei, es selber bei der Vorinstanz aufzulegen. Seine letztinstanzliche Einreichung ist deshalb - wie diejenige der weiteren Unterlagen - unzulässig.
4.2. Mit Eingabe vom 17. Dezember 2014 reicht die Versicherte neu Berichte der Klinik I.________ vom 15. November 2012, 10. Mai 2013 (samt Laborbefunden), 6. Juni 2013 und 11. Juli 2014 ein. Auch bei diesen Berichten handelt es sich um unechte Noven. Die Versicherte legt nicht dar, dass ihr deren vorinstanzliche Beibringung trotz hinreichender Sorgfalt prozessual unmöglich bzw. objektiv unzumutbar war; sie sind somit ebenfalls unbeachtlich (vgl. E. 4.1 hievor). Unbehelflich ist ihr Einwand, aufgrund des vorinstanzlich aufgelegten Berichts des PD Dr. med. H.________, Klinik I.________, vom 26. Juni 2013 hätte die Vorinstanz ihren Krankheitsverlauf bei dieser Klinik abklären müssen; denn weder stellte sie vorinstanzlich einen entsprechenden Antrag noch bestanden aufgrund der Akten Anhaltspunkte dafür, dass bei dieser Klinik weitere Berichte vorlagen.
 
5.
5.1. Die Versicherte macht im Wesentlichen geltend, sie habe während eineinhalb Jahren unverhältnismässige Schmerzen gehabt, was ein CRPS-Kriterium sei. Frau Dr. med. D.________ habe festgestellt, das rechte Kniegelenk könne nur im Umfang von 120° gebeugt werden. Zudem gehe aus ihren Befunden hervor, dass der rechte Oberschenkel 15 cm oberhalb des Patellarands einen um 1 cm geringeren Umfang habe, was ein deutliches Atrophiezeichen sei, zumal sie mehrere Monate in der Physiotherapie gewesen sei, um die Kraft am rechten Oberschenkel wieder aufzubauen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Gutachterin den im MRI vom 10. Juli 2012 festgestellten Kniegelenkserguss als Arthroskopiefolge interpretiere; denn drei Monate nach der Operation sollte er längst verschwunden sein. Die Berichte der Dres. med. E.________ und C.________ belegten ein CRPS. Die Klinik L.________ habe im Bericht vom 28. Juli 2011 die Möglichkeit eines CRPS erwogen. Weiter habe PD Dr. med. H.________ im Bericht vom 26. Juni 2013 einen Status nach CRPS diagnostiziert und es als unklar angesehen, ob der Endzustand schon erreicht sei. Zudem habe er ein neuropathisches Schmerzbild diagnostiziert. Frau Dr. med. D.________ habe nicht die notwendigen neurologischen Abklärungen getroffen; insbesondere habe sie am rechten Knie den Patellarsehnenreflex nicht getestet.
5.2. Die Klinik L.________ diagnostizierte im Bericht vom 28. Juli 2011 kein CRPS. Dr. med. E.________ äusserte im Bericht vom 11. Mai 2012 bloss den Verdacht auf ein CRPS; im Bericht vom 25. August 2012 sprach er lediglich von Teilaspekten eines CRPS und verneinte seine Sachkompetenz zur Beurteilung der natürlichen Unfallkausalität. Auch Dr. med. C.________ diagnostizierte in den Berichten vom 7. Juni 2012 sowie 7. und 13. August 2012 bloss den Verdacht auf ein CRPS. Aufgrund dieser Berichte ist ein CRPS mithin nicht überwiegend wahrscheinlich erstellt.
5.3. PD Dr. med. H.________ stellte im Bericht vom 26. Juni 2013 neben der Diagnose eines neuropathischen Schmerzbilds die Differentialdiagnose eines (Status nach) CRPS am Knie rechts; indessen legte er keine Befunde bzw. keine Begründung dar, die für diese Diagnosen sprächen. Aus der Nichtvornahme der Testung des Patellarsehnenreflexes rechts durch Frau Dr. med. D.________ kann die Versicherte ebenfalls nichts zu ihren Gunsten ableiten. Denn offenbar haben alle anderen involvierten Ärzte diesen Test auch nicht durchgeführt bzw. keine Auffälligkeiten festgestellt, die ihn erforderlich gemacht hätten. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, welche Erkenntnisse dieser Test liefern sollte.
5.4. Unbeheflich ist die Berufung der Versicherten darauf, Frau Dr. med. D.________ habe am 28. Juli 2012 eine eingeschränkte Beugefähigkeit des rechten Kniegelenks, ein Atrophiezeichen am rechten Oberschenkel und einen Kniegelenkserguss rechts festgestellt. Denn abgesehen davon, dass Dr. med. C.________ im Bericht vom 7. August 2012 ein nunmehr ergussfreies rechtes Knie vorfand, ist gestützt auf das Gutachten der Frau Dr. med. D.________ davon auszugehen, dass aufgrund dieser Tatsachen weder eine Behandlungsbedürftigkeit noch eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit noch eine Integritätseinbusse resultierten. Demnach ist auch der Fallabschluss per 31. Juli 2012 rechtens (vgl. Art. 19 Abs. 1 UVG; BGE 134 V 109 E. 4 S. 113 ff.).
5.5. Da von weiteren medizinischen Abklärungen keine entscheidrelevanten Ergebnisse zu erwarten sind, verzichtete die Vorinstanz darauf zu Recht (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236).
6. Soweit die Versicherte eine psychiatrische Abklärung verlangt, ist festzuhalten, dass sie laut den Polizeiakten am 19. Januar 2011 bei einer verbalen Auseinandersetzung von einer Frau aus einem Bus gezerrt wurde und zu Boden stürzte. Dieser Unfall ist aufgrund des augenfälligen Geschehensablaufs mit den sich dabei entwickelnden Kräften (SVR 2013 UV Nr. 3 S. 7 E. 5.2 [8C_398/2012]) als leicht einzustufen. Ein Grund, die Adäquanz ausnahmsweise nach den für mittelschwere Unfälle geltenden Kriterien zu beurteilen, ist nicht gegeben (vgl. BGE 115 V 133 E. 6a und 6c/aa S. 139 f.; RKUV 1998 Nr. U 297 S. 243; Urteil 8C_454/2014 vom 2. September 2014 E. 6.3). Damit entfällt eine Leistungspflicht der AXA mangels adäquater Unfallkausalität allfälliger psychischer Beschwerden. Somit ist der natürliche Kausalzusammenhang nicht zu prüfen (BGE 135 V 465 E. 5 S. 472).
7. Die unterliegende Versicherte trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 28. September 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Leuzinger
Der Gerichtsschreiber: Jancar