BGer 6B_200/2015 |
BGer 6B_200/2015 vom 07.10.2015 |
{T 0/2}
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6B_200/2015
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Urteil vom 7. Oktober 2015 |
Strafrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, Präsident,
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Bundesrichter Rüedi,
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Bundesrichterin Jametti,
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Gerichtsschreiberin Schär.
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Verfahrensbeteiligte |
X.________,
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vertreten durch Rechtsanwältin Sarah Schläppi,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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1. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
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2. A.________,
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Beschwerdegegnerinnen.
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Gegenstand
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Raub, Willkür,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung, 1. Strafkammer, vom 18. August 2014.
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Sachverhalt: |
A. |
B. |
C. |
D. |
Erwägungen: |
1. |
1.1. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 139 II 404 E. 10.1 mit Hinweisen; vgl. zum Begriff der Willkür BGE 140 III 16 E. 2.1; 139 III 334 E. 3.2.5; 138 I 49 E. 7.1; je mit Hinweisen).
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Inwiefern das Sachgericht den Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel verletzt hat, prüft das Bundesgericht ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Willkür. Diese aus der Unschuldsvermutung abgeleitete Maxime wurde wiederholt dargelegt, worauf zu verweisen ist (BGE 127 I 38 E. 2a mit Hinweisen).
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1.2. Der Beschwerdeführer bestreitet, die Beschwerdegegnerin gewürgt zu haben. Er macht im Wesentlichen geltend, die Beschwerdegegnerin habe immer wieder neue Versionen des Tatgeschehens aufgetischt. Zunächst habe sie nur von einem Würgen gesprochen. Ein weiteres Mal habe sie angegeben, mit einem Messer bedroht worden zu sein. Später sei nur noch von einem Messer, jedoch von keinem Würgen mehr die Rede gewesen. Die Aussagen der Beschwerdegegnerin seien widersprüchlich und unglaubhaft, weshalb darauf nicht abgestellt werden könne. Demgegenüber seien seine eigenen Aussagen konstant und widerspruchsfrei.
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1.3. Die Glaubhaftigkeit einer konkreten Aussage wird durch methodische Analyse ihres Inhalts darauf überprüft, ob die auf ein bestimmtes Geschehen bezogenen Angaben einem tatsächlichen Erleben des Zeugen entspringen. Damit eine Aussage als zuverlässig gewürdigt werden kann, ist sie insbesondere auf das Vorhandensein von Realitätskriterien und umgekehrt auf das Fehlen von Phantasiesignalen zu überprüfen. Dabei wird zunächst davon ausgegangen, dass die Aussage gerade nicht realitätsbegründet ist, und erst wenn sich diese Annahme (Nullhypothese) aufgrund der festgestellten Realitätskriterien nicht mehr halten lässt, wird geschlossen, dass die Aussage einem wirklichen Erleben entspricht und wahr ist (BGE 133 I 33 E. 4.3 mit Hinweisen). Die Prüfung der Glaubhaftigkeit von Aussagen ist primär Sache der Gerichte.
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1.4. Die Vorinstanz hat hinsichtlich des Tatgeschehens eine umfassende Aussagenanalyse im Sinne der Rechtsprechung vorgenommen. Sie erwägt, der Beschwerdeführer habe zunächst bestritten, etwas mit der Sache zu tun gehabt zu haben. Später habe er zum Tatgeschehen ausgesagt und den Diebstahl eingeräumt. Seine Aussagen seien konstant und widerspruchsfrei. Sie wirkten zudem ehrlich und erlebnisbasiert. Das Aussageverhalten spreche für die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen. Demgegenüber enthielten die Aussagen der Beschwerdegegnerin zwar einerseits verschiedene Realitätskriterien, andererseits aber auch diverse Widersprüche und Ungenauigkeiten hinsichtlich des Kerngeschehens. Es seien Aggravierungstendenzen erkennbar. Ihre Schilderungen seien teilweise nicht nachvollziehbar. Gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen spreche nebst dem Aussageverhalten auch, dass ihre Angaben in wesentlichen Punkten den weiteren Beweismitteln widersprechen würden.
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1.5. Wie vom Beschwerdeführer unter Hinweis auf die entsprechenden Aktenstellen geltend gemacht, gab die Beschwerdegegnerin immer wieder neue Tatversionen zu Protokoll. Am 6. Juni 2010 und somit unmittelbar nach der Tat sagte sie aus, zwei Männern begegnet zu sein, die ihr Kokain hätten verkaufen wollen. Sie habe dies abgelehnt, woraufhin sich einer der beiden entfernt habe. Der andere, der Beschwerdeführer, habe sie dann die Treppe hinuntergezerrt. Dort habe er ihr zunächst die Tasche entrissen und das Geld sowie das Mobiltelefon gestohlen. Anschliessend habe er sie ins Bord "gepängglet", ihr die Hose heruntergerissen und sie gewürgt. Dann habe er sie vergewaltigt. Plötzlich hätten sie Passanten vorbeigehen gehört. Sie habe aber nicht schreien können, da sie gewürgt worden sei. Den Einsatz eines Messers seitens des Beschwerdeführers erwähnte die Beschwerdegegnerin nicht.
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2. |
Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 18. August 2014 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3. Der Kanton Bern hat der Vertreterin des Beschwerdeführers eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 7. Oktober 2015
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Denys
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Die Gerichtsschreiberin: Schär
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