BGer 1C_123/2016
 
BGer 1C_123/2016 vom 21.06.2016
{T 0/2}
1C_123/2016
 
Urteil vom 21. Juni 2016
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Karlen, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Stohner.
 
Verfahrensbeteiligte
1. Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft,
Giacomettistrasse 1, 3000 Bern 31,
handelnd durch SRF Schweizer Radio und Fernsehen,
Zweigniederlassung der Schweizerischen
Radio- und Fernsehgesellschaft, Fernsehstrasse 1-4,
8052 Zürich,
2. A.________,
c/o SRF Schweizer Radio und Fernsehen,
Regionalstudio Chur, Masanserstrasse 2, 7002 Chur,
Beschwerdeführerinnen,
beide vertreten durch Rechtsanwalt
Rudolf Mayr von Baldegg,
gegen
Kantonsgericht von Graubünden, Präsident,
Poststrasse 14, 7002 Chur.
Gegenstand
Akteneinsichtnahme,
Beschwerde gegen den Entscheid vom 10. Februar 2016 des Kantonsgerichts von Graubünden, Präsident.
 
Sachverhalt:
A. Mit Schreiben vom 8. Februar 2016 beantragte A.________, Journalistin und Redaktorin des Regionalstudios Chur des SRF Schweizer Radio und Fernsehens, beim Kantonsgericht von Graubünden unter Hinweis auf Art. 30 Abs. 3 BV und Bezugnahme auf BGE 139 I 129 die Zustellung von zwei Urteilen des Kantonsgerichts von Graubünden vom 3. März 2010 und vom 29. Januar 2016 in anonymisierter Form. Die beiden Urteile sind in Zusammenhang mit einem Unfall auf der Skeletonbahn "Cresta Run" vom 25. Januar 2008 ergangen.
Der Präsident des Kantonsgerichts von Graubünden wies dieses Gesuch am 10. Februar 2016 ab.
B. Mit Eingabe vom 10. März 2016 führen die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft, Zweigniederlassung SRF Schweizer Radio und Fernsehen, und A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragen, die Verfügung des Kantonsgerichts von Graubünden vom 10. Februar 2016 sei aufzuheben und ihr Gesuch vom 8. Februar 2016 um Zustellung respektive Einsicht in die Urteile des Kantonsgerichts von Graubünden vom 3. März 2010 und vom 29. Januar 2016 betreffend den Unfall auf dem "Cresta Run" vom 25. Januar 2008 sei gutzuheissen.
Der Präsident des Kantonsgerichts von Graubünden beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Beschwerdeführerinnen halten mit Eingabe vom 3. Mai 2016 an den Rechtsbegehren gemäss Beschwerde vom 10. März 2016 fest.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können Entscheide letzter kantonaler Instanzen in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Dazu zählen nicht nur Urteile, die das Kantonsgericht auf Beschwerde hin trifft, sondern auch Verwaltungsentscheidungen des Präsidenten über die Verweigerung der ersuchten Zustellung von ergangenen Urteilen des Kantonsgerichts (vgl. BGE 139 I 129 E. 1 S. 131). Die Beschwerdeführerinnen haben ein aktuelles Rechtsschutzinteresse (vgl. auch nachfolgend E. 2) und sind zur Beschwerdeführung legitimiert (vgl. Urteil 1C_292/2010 vom 23. Dezember 2010 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 137 I 8; Urteil 1P.772/2005 vom 6. Februar 2006 E. 1.2, publ. in: ZBl 107/2006 S. 583). Da die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist, bleibt für die subsidiäre Verfassungsbeschwerde kein Raum (Art. 113 BGG). Auf Letztere ist nicht einzutreten.
 
1.2.
1.2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten - einschliesslich der willkürlichen Anwendung von kantonalem Recht und Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung - gilt eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 281 f.). Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen.
1.2.2. Soweit die Beschwerdeführerinnen eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung behaupten, legen sie nicht dar, inwiefern dies der Fall sein sollte. Insoweit genügen sie der qualifizierten Rügepflicht nicht. In diesem Punkt ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
2. Die Beschwerdeführerinnen verlangen Einsicht in zwei Urteile des Kantonsgerichts von Graubünden vom 3. März 2010 und vom 29. Januar 2016 in Zusammenhang mit einem Unfall auf der Skeletonbahn "Cresta Run" vom 25. Januar 2008. Die Beschwerdeführerin 2 macht geltend, sie arbeite an einer Recherche zu diesem Vorfall.
Bei diesem Unfall erlitt B.________ bei einem Selektionsrennen eine schwere Verletzung (Abtrennung des rechten Fusses oberhalb des Knöchels). Die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden stellte am 23. November 2009 die Strafuntersuchung ein. Das Kantonsgericht von Graubünden wies mit Urteil vom 3. März 2010 eine von B.________ gegen die Einstellung erhobene Beschwerde ab. Diesen Entscheid focht B.________ mit Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht an. Dieses hiess die Beschwerde mit Urteil 6B_800/2010 vom 24. Februar 2011 gut, hob das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 3. März 2010 auf und wies die Sache zu neuer Entscheidung an das Kantonsgericht zurück.
Das Kantonsgericht von Graubünden wies die Sache in der Folge an die Staatsanwaltschaft zurück. Diese klagte am 7. Januar 2013 den gemäss Anklageschrift für den Gesamtbetrieb der Skeletonbahn "Cresta Run" verantwortlichen C.________ wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB an. Das Bezirksgericht Maloja sprach C.________ am 1. April 2014 vom Vorwurf der fahrlässigen schweren Körperverletzung frei. B.________ führte gegen diesen Entscheid Berufung. Mit Urteil vom 29. Januar 2016 hiess das Kantonsgericht von Graubünden die Berufung im schriftlichen Verfahren gut, hob das bezirksgerichtliche Urteil auf und sprach C.________ der fahrlässigen schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB schuldig. Gegen dieses Urteil reichte C.________ Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht ein. Mit Urteil 6B_260/2016 vom 25. Mai 2016 hiess das Bundesgericht die Beschwerde teilweise gut, soweit es darauf eintrat. Es hob das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 29. Januar 2016 auf und wies die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Das Verfahren ist damit nach der neuerlichen Aufhebung durch das Bundesgericht wieder vor dem Kantonsgericht hängig. Am aktuellen Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerinnen ändert dies nichts.
 
3.
3.1. Gemäss Art. 30 Abs. 3 BV sind Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung öffentlich; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
3.2. Der Präsident des Kantonsgerichts von Graubünden begründete die Gesuchsabweisung in seinem Schreiben vom 10. Februar 2016 zusammenfassend damit, dass nach der Praxis des Kantonsgerichts von Graubünden sämtliche Urteile nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist oder nach Bestätigung durch das Bundesgericht in anonymisierter Fassung im Internet publiziert würden, sofern keine übergeordneten Interessen entgegen stünden. Das Urteil vom 29. Januar 2016 sei noch nicht rechtskräftig und werde deshalb (noch) nicht publiziert und auch nicht zugestellt bzw. herausgegeben. Um dem Aktualitätsbedürfnis der Beschwerdeführerin 2 nachzukommen, fasste der Präsident des Kantonsgerichts von Graubünden den Entscheid vom 29. Januar 2016 und die hauptsächlichen Urteilsmotive in seinem Schreiben vom 10. Februar 2016 kurz zusammen und hielt fest, aus Art. 30 Abs. 3 BV ergäben sich keine weitergehenden Ansprüche, wie namentlich ein Anspruch auf Zustellung einer Urteilskopie.
Soweit das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 3. März 2010 in der gleichen Sache betreffend, führte der Präsident aus, dieses Urteil sei vom Bundesgericht mit Urteil 6B_800/2010 vom 24. Februar 2011 aufgehoben und zur Neubeurteilung zurückgewiesen worden. Dem Entscheid komme somit keinerlei Rechtswirkung mehr zu; er sei rechtlich gesehen nicht mehr existent. Demzufolge sei auch nicht ersichtlich, inwiefern daran im Nachhinein noch ein öffentliches Interesse bestehen sollte.
3.3. Die Begründung der Vorinstanz, mit welcher sie die Herausgabe des Urteils vom 3. März 2010 abgelehnt hat, gilt nach der Aufhebung des Urteils vom 29. Januar 2016 auch für dieses. Aus den Erwägungen der Vorinstanz ergibt sich weiter, dass sie nicht nur eine postalische Zustellung (vgl. insoweit Urteil 1C.252/2008 vom 4. September 2008 E. 2.1 mit Hinweis auf BGE 124 IV 234 E. 3e S. 240), sondern ganz generell die Kenntnisgabe der beiden Urteile verweigert hat, da nach der Praxis des Kantonsgerichts von Graubünden sämtliche noch nicht rechtskräftigen oder auf Anfechtung hin aufgehobenen Urteile nicht veröffentlicht und nicht herausgegeben werden.
3.4. Die Beschwerdeführerinnen rügen eine Verletzung von Art. 30 Abs. 3 BV. Das Prinzip der Justizöffentlichkeit im Allgemeinen und der Teilgehalt der öffentlichen Urteilsverkündung im Besonderen beschränkten den Zugang nicht auf rechtskräftige Urteile. Mit ihrer Praxis, welche sich nicht auf eine gesetzliche Grundlage stützen lasse, werde eine aktuelle Gerichtsberichterstattung verunmöglicht, da bis zum Vorliegen eines letztinstanzlichen Entscheids meist viel Zeit verstreiche. Werde ein erst- oder zweitinstanzliches Urteil im Rechtsmittelverfahren aufgehoben, so sei es der Gerichtsöffentlichkeit und damit der Justizkritik sogar gänzlich entzogen. Die Kontrollfunktion der Medien aber gelte voraussetzungslos und sei nicht auf rechtskräftige Urteile beschränkt. Zusammenfassend sei die Praxis der Vorinstanz gleichbedeutend mit einer Aufhebung des Prinzips der Justizöffentlichkeit für einen Teil der Rechtspflege. Sie führe daher zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen partiellen bzw. zumindest zeitlich beschränkten Kabinettsjustiz.
3.5. Das Bundesgericht hat sich in BGE 139 I 129 E. 3.3 ff. eingehend mit der Auslegung von Art. 30 Abs. 3 BV und dessen Teilgehalt der öffentlichen Urteilsverkündung auseinandergesetzt:
3.5.1. Art. 30 Abs. 3 BV verankert das auch von Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 UNO-Pakt II vorgesehene Prinzip der Justizöffentlichkeit. Diese erlaubt Einblick in die Rechtspflege und sorgt für Transparenz gerichtlicher Verfahren. Damit dient sie einerseits dem Schutze der direkt an gerichtlichen Verfahren beteiligten Parteien im Hinblick auf deren korrekte Behandlung und gesetzmässige Beurteilung. Andererseits ermöglicht die Justizöffentlichkeit auch nicht verfahrensbeteiligten Dritten nachzuvollziehen, wie gerichtliche Verfahren geführt werden, das Recht verwaltet und die Rechtspflege ausgeübt wird. Die Justizöffentlichkeit bedeutet eine Absage an jegliche Form der Kabinettsjustiz, will für Transparenz der Rechtsprechung sorgen und die Grundlage für das Vertrauen in die Gerichtsbarkeit schaffen. Der Grundsatz ist von zentraler rechtsstaatlicher und demokratischer Bedeutung. Die demokratische Kontrolle durch die Rechtsgemeinschaft soll Spekulationen begegnen, die Justiz benachteilige oder privilegiere einzelne Prozessparteien ungebührlich oder Ermittlungen würden einseitig und rechtsstaatlich fragwürdig geführt. Im Ausmasse der garantierten Justizöffentlichkeit bilden Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung öffentlich zugängliche Quellen im Sinne der Informationsfreiheit gemäss Art. 16 Abs. 3 BV.
Der Teilgehalt der öffentlichen Urteilsverkündung garantiert, dass nach dem Verfahrensabschluss vom Urteil als Ergebnis des gerichtlichen Verfahrens Kenntnis genommen werden kann. Die öffentliche Urteilsverkündung will in spezifischer Weise Geheimjustiz ausschliessen, Transparenz der Justiztätigkeit im demokratischen Rechtsstaat fördern und Vertrauen in die Rechtspflege schaffen. Entsprechend der Marginale von Art. 30 BV gilt das Gebot der öffentlichen Verkündung nach Art. 30 Abs. 3 BV für alle gerichtlichen Verfahren. Die öffentliche Urteilsverkündung ist im Sinne der Publikums- und Medienöffentlichkeit primär für nicht direkt am Verfahren beteiligte Dritte von Bedeutung. Öffentliche Urteilsverkündung bedeutet, dass am Schluss eines gerichtlichen Verfahrens das Urteil in Anwesenheit der Parteien sowie von Publikum und Medienvertretern verkündet wird. Darüber hinaus dienen weitere Formen der Bekanntmachung dem Verkündungsgebot, wie etwa öffentliche Auflage, Publikation in amtlichen Sammlungen oder Bekanntgabe über das Internet. Sie sind im Einzelnen anhand von Sinn und Zweck des Verkündungsgebots daraufhin zu beurteilen, ob sie die verfassungsrechtlich gebotene Kenntnisnahme gerichtlicher Urteile erlauben (vgl. zum Ganzen BGE 139 I 129 E. 3.3 S. 133 f. mit Hinweisen).
3.5.2. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf Kenntnisnahme von Urteilen erstreckt sich grundsätzlich auf das ganze Urteil mit Sachverhalt, rechtlichen Erwägungen und Dispositiv. Die Kenntnisnahme von Urteilen ist nicht von einem besonderen schutzwürdigen Informationsinteresse abhängig. Vielmehr ergibt sich das schutzwürdige Informationsinteresse bei Medien ohne Weiteres aus deren Kontrollfunktion. Allein schon die mit der Justizöffentlichkeit verbundene Möglichkeit der Kontrolle der Justiz vermag auch ohne weitere Begründung ein hinreichendes Einsichtsinteresse zu begründen. Der Anspruch auf Kenntnisnahme gilt jedoch nicht absolut. Er wird begrenzt durch den ebenfalls verfassungsrechtlich verankerten Schutz von persönlichen und öffentlichen Interessen. Sein Umfang ist im Einzelfall unter Abwägung der entgegenstehenden Interessen zu bestimmen. Zu wahren ist insbesondere der Persönlichkeitsschutz der Prozessparteien. Daraus folgt, dass die Kenntnisgabe von Urteilen unter dem Vorbehalt der Anonymisierung steht (vgl. zum Ganzen BGE 139 I 129 E. 3.6 S. 136 f.).
3.6. Die weiteren Formen der Bekanntgabe von Urteilen (vgl. E. 3.5.1 a.E.) sind nicht subsidiär, sondern gehören angesichts der Zweckausrichtung gleichwertig zur öffentlichen Verkündung. Zusätzlich zu den genannten Beispielen ist auch an die nachträgliche Gewährung der Einsicht auf Gesuch hin zu denken. Die einzelnen Formen können miteinander kombiniert werden und sind in ihrer Gesamtheit am Verkündungs- und Transparenzgebot zu messen (vgl. Gerold Steinmann, in: St. Galler Kommentar BV, 3. Aufl. 2014, Art. 30 N. 66). Bei der mündlichen Bekanntgabe von (anfechtbaren) Urteilen am Ende des erst- oder zweitinstanzlichen Verfahrens liegt es in der Natur der Sache, dass diese Urteile noch nicht rechtskräftig sind. Weshalb sich die weiteren, gleichwertigen Formen der Bekanntgabe generell auf rechtskräftige Urteile beschränken sollten, wie dies der Praxis des Kantonsgerichts von Graubünden entspricht, ist nicht einsichtig.
Im Unterschied zum Kantonsgericht von Graubünden veröffentlichen denn auch die eidgenössischen Gerichte - d.h. das Bundesstrafgericht, das Bundesverwaltungsgericht und das Bundespatentgericht - grundsätzlich alle Urteile, auch wenn diese noch nicht in Rechtskraft erwachsen sind (vgl. Art. 3 ff. des Reglements des Bundesstrafgerichts über die Grundsätze der Information vom 24. Januar 2012 [SR 173.711.33]; Art. 4 ff. des Informationsreglements für das Bundesverwaltungsgericht vom 21. Februar 2008 [SR 173.320.4]; Art. 3 f. des Informationsreglements für das Bundespatentgericht vom 28. September 2011 [IR-PatGer; SR 173.413.4]; siehe auch Daniel Hürlimann, Publikation von Urteilen durch Gerichte, in: sui-generis 2014, S. 84 ff.). Das Obergericht des Kantons Zürich publiziert ebenfalls sämtliche Entscheide im Internet, auch wenn diese noch beim Bundesgericht hängig und damit noch nicht rechtskräftig sind (Andrea Schmidheiny, Die Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips am Zürcher Obergericht und an den Bezirksgerichten, in: "Justice - Justiz - Giustizia" 2012/2, Rz. 14; vgl. auch § 4 des Reglements der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. September 2011 über die Publikation von Entscheiden des Obergerichts).
3.7. Wie dargelegt (vgl. E. 3.5.2), gilt der Anspruch auf Kenntnisnahme von Urteilen nicht absolut. Neben der erwähnten Einzelfallabwägung sind in beschränktem Ausmass grundsätzliche Ausnahmen vom Verkündungsgebot aus gewichtigen Gründen des Persönlichkeitsschutzes oder der Verfahrensgeheimhaltung denkbar (bspw. Schutz der Interessen Jugendlicher sowie Verfahren über Ehestreitigkeiten und die Vormundschaft über Kinder). Diese Ausnahmen sind in einem Gesetz im formellen Sinn festzusetzen (vgl. zum Ganzen Steinmann, a.a.O., Art. 30 N. 67). Die Vorinstanz führt indes keine solchen gewichtigen entgegenstehenden Interessen an und ihre Praxis hat weder eine Grundlage in einem kantonalen Gesetz (vgl. insb. Art. 15 f. des Gerichtsorganisationsgesetzes vom 16. Juni 2010 [GOG/GR; BR 173.000]), noch lässt sie sich auf Art. 69 ff. StPO stützen. Den Geheimhaltungsinteressen der Prozessbeteiligten kann im vorliegenden Fall durch Anonymisierung Rechnung getragen werden (vgl. hierzu Steinmann, a.a.O., Art. 30 N. 68). Der mit der Anonymisierung verbundene Aufwand stellt keinen sachlichen Grund für eine generelle Verweigerung der Einsicht dar.
3.8. Die Rügen der Beschwerdeführerinnen erweisen sich als stichhaltig. Mit ihrer Praxis, die Einsicht auf rechtskräftige Urteile zu beschränken, untergräbt die Vorinstanz die Kontrollfunktion der Medien. Bei schriftlich geführten Verfahren ohne mündliche Urteilsverkündung wird eine zeitnahe Gerichtsberichterstattung ausgeschlossen. Bei von der Rechtsmittelinstanz aufgehobenen Urteilen wird den Medien eine Kenntnisnahme sogar gänzlich verunmöglicht, obwohl sich die Justizkritik auch auf aufgehobene Urteile beziehen kann. Zudem kann die Kenntnis noch nicht rechtskräftiger oder aufgehobener Urteile eine kritische Auseinandersetzung mit späteren Entscheiden in der gleichen Sache erleichtern.
3.9. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Urteile grundsätzlich generell bekanntzugeben oder zur Kenntnisnahme bereitzuhalten sind. Die Praxis der Vorinstanz, die Herausgabe noch nicht rechtskräftiger und aufgehobener Urteile zu verweigern, widerspricht nach dem Gesagten dem Gebot der Transparenz der Rechtspflege und verhindert zumindest partiell eine wirksame Kontrolle der Justiztätigkeit durch die Medien. Sie verletzt deshalb Art. 30 Abs. 3 BV. Die Beschwerdeführerinnen haben vorliegend gestützt auf diese Bestimmung Anspruch darauf, von den umstrittenen, vom Bundesgericht aufgehobenen Urteilen des Kantonsgerichts von Graubünden vom 3. März 2010 und vom 29. Januar 2016 in anonymisierter Form Kenntnis zu erhalten. Eines besonderen schutzwürdigen Informationsinteresses bedarf es hierfür nicht.
4. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben. Die Sache ist an die Vorinstanz zur Bekanntgabe der Urteile des Kantonsgerichts von Graubünden vom 3. März 2010 und vom 29. Januar 2016 zurückzuweisen. Die Vorinstanz achtet dabei die Persönlichkeitsrechte der Prozessbeteiligten und nimmt die entsprechenden Anonymisierungen vor.
Dem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens entsprechend sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Graubünden hat den Beschwerdeführerinnen eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der Entscheid der Vorinstanz vom 10. Februar 2016 wird aufgehoben. Die Sache wird der Vorinstanz zur Kenntnisgabe der Urteile des Kantonsgerichts von Graubünden vom 3. März 2010 und 29. Januar 2016 an die Beschwerdeführerinnen im Sinne der Erwägungen zurückgewiesen.
3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4. Der Kanton Graubünden hat den Beschwerdeführerinnen für das Verfahren vor dem Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen.
5. Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen und dem Kantonsgericht von Graubünden, Präsident, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 21. Juni 2016
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Merkli
Der Gerichtsschreiber: Stohner