BGer 6B_468/2016
 
BGer 6B_468/2016 vom 07.09.2016
{T 0/2}
6B_468/2016
 
Urteil vom 7. September 2016
 
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiberin Pasquini.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Urs P. Keller,
Beschwerdeführer,
gegen
Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Rechtsdienst der Amtsleitung, Hohlstrasse 552, Postfach, 8090 Zürich,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichterin, vom 24. März 2016.
 
Sachverhalt:
 
A.
Am 7. September 2012 wurde X.________ vom Bezirksgericht Zürich der Gefährdung des Lebens, der Drohung und der mehrfachen versuchten Nötigung für schuldig befunden und zu 24 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem wurde eine stationäre therapeutische Massnahme angeordnet. Das Obergericht des Kantons Zürich erhöhte am 3. Juli 2013 die Freiheitsstrafe auf 30 Monate, ordnete ebenfalls eine stationäre therapeutische Massnahme an und schob den Vollzug der Freiheitsstrafe zugunsten der Massnahme auf.
 
B.
Am 24. Juni 2015 lehnte das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich das Gesuch von X.________ um bedingte Entlassung aus der stationären therapeutischen Massnahme ab. Dieser erhob Rekurs bei der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich und beantragte die Aufhebung der Massnahme. Eventuell sei er im Rahmen der stationären therapeutischen Massnahme in eine offene Vollzugseinrichtung zu verlegen. Gegen den abgelehnten Rekurs wandte sich X.________ am 2. November 2015 mit denselben Begehren an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Dieses hielt mit Urteil vom 24. März 2016 fest, dass es dem massgeblichen psychiatrischen Gutachten an Aktualität mangle. Auch bestehe im Anwendungsbereich von Art. 62d Abs. 2 StGB grundsätzlich eine Anhörungspflicht der Fachkommission. Das Verwaltungsgericht hob daher die Verfügung betreffend Weiterführung der stationären therapeutischen Massnahme auf und wies die Sache zu neuer Entscheidung an das Amt für Justizvollzug zurück. Mit Bezug auf die Verlegung von X.________ in eine offene Vollzugseinrichtung wies es die Beschwerde ab.
 
C.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen vor Bundesgericht. Er verlangt den Abbruch der stationären therapeutischen Massnahme, eventuell sei er in eine offene Massnahmeeinrichtung nach Art. 59 Abs. 1 StGB zu verlegen. Ihm sei die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren wie auch ein unentgeltlicher Rechtsvertreter zu bestellen.
 
Erwägungen:
 
1.
Mit Blick auf das Begehren um Aufhebung der stationären therapeutischen Massnahme hat die Vorinstanz in ihrem Urteil vom 24. März 2016 einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid gefällt. Gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist die Beschwerde in Strafsachen gegen Zwischenentscheide nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; dabei muss es sich um einen Nachteil rechtlicher Natur handeln (BGE 141 IV 289 E. 1.2; 139 IV 113 E. 1; je mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer begründet mit keinem Wort, weshalb die Rückweisung an den Beschwerdegegner zwecks Einholung eines Gutachtens einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken würde. Die Beschwerde genügt den Anforderungen nach Art. 42 Abs. 2 BGG nicht; auf sie ist insofern nicht einzutreten.
 
2.
2.1. Eventualiter verlangt der Beschwerdeführer, dass man ihn in eine offene Massnahmeeinrichtung verlegt. Die Vorinstanz setzt sich mit diesem Begehren trotz Rückweisung betreffend Weiterführung der stationären therapeutischen Massnahme auseinander, weist es ab und fällt damit einen Teilentscheid (BGE 141 III 395 E. 2.2; BGE 135 III 212 E. 1.2.1; BGE 133 V 477 E. 4.1.2; je mit Hinweisen). Gegen diesen Teilentscheid ist die Beschwerde in Strafsachen zulässig (Art. 91 lit. a BGG).
2.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Voraussetzungen für eine Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung gemäss Art. 59 Abs. 3 StGB seien nicht erfüllt. Die Staatsanwaltschaft habe seine Haftentlassung verfügt und sich dabei auf den Bericht des Psychiaters vom 4. November 2011 gestützt. Beide hätten eine besonders künftige Gefährlichkeit, welcher nur im geschlossenen Vollzug zu begegnen wäre, nicht angenommen. Er weist sodann zu Recht darauf hin, dass das Bezirksgericht Zürich in seinem Urteil vom 7. September 2012 davon absah, ihn in eine geschlossene Einrichtung nach Art. 59 Abs. 3 StGB einzuweisen. Der Beschwerdegegner habe seinen Verstoss gegen das Kontaktverbot gegenüber dem Opfer und die Tätlichkeit gegenüber der ehemaligen Freundin irrtümlich angeführt, um zu begründen, weshalb der Vollzug der stationären Massnahme in einer geschlossenen Abteilung zu erfolgen habe. Diese Vorkommnisse seien vor der obergerichtlichen Verhandlung geschehen und seien dem Obergericht bekannt gewesen. Dieses habe sich denn auch damit auseinandergesetzt und das erstinstanzliche Urteil trotzdem gestützt. Ferner sei er am 18. Dezember 2013 freiwillig in die geschlossene Abteilung U.________ eingetreten. Nach knapp einem Monat habe der Beschwerdegegner festgestellt, es bestehe kein Wille zur Zusammenarbeit. An die Therapiewilligkeit dürften jedoch keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden; diese sei auch nicht innert kurzer Zeit zu erarbeiten. Es gebe daher keinen triftigen Grund, um vom Gerichtsentscheid abzuweichen, wonach die Behandlung in einer offenen Einrichtung zu erfolgen habe.
2.3. Nach Art. 59 Abs. 2 StGB erfolgt die stationäre therapeutische Behandlung in einer geeigneten psychiatrischen Einrichtung oder in einer Massnahmevollzugseinrichtung. Solange die Gefahr besteht, dass der Täter flieht oder weitere Straftaten begeht, wird er in einer geschlossenen Einrichtung behandelt (Art. 59 Abs. 3 Satz 1 StGB). Die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung gemäss Art. 59 Abs. 3 StGB ist eine Vollzugsfrage, die grundsätzlich von den Vollzugsbehörden zu beurteilen ist. Es handelt sich nicht um eine eigenständige stationäre therapeutische Massnahme (BGE 142 IV 1 E. 2.5 mit Hinweisen).
Art. 59 Abs. 3 StGB setzt für die Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung Flucht- oder Wiederholungsgefahr voraus. Bei Letzterer muss es sich nach der Rechtsprechung um eine besondere künftige Gefährlichkeit des Betroffenen handeln, da grundsätzlich alle Massnahmen eine Rückfallgefahr voraussetzen (vgl. Art. 56 Abs. 1 lit. a StGB). Gemeint ist die konkrete und wahrscheinliche Gefahr weiterer Straftaten des Betroffenen im Vollzug oder ausserhalb der Anstalt, mit der in einer offenen therapeutischen Einrichtung schlechthin nicht umgegangen werden kann. Es geht mithin um Gefahren, denen zum Schutz der Allgemeinheit nur mit einer geschlossenen Unterbringung begegnet werden kann. Mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit setzt der Massnahmevollzug in einer geschlossenen Einrichtung eine schwerwiegende Gefährdung hochwertiger Rechtsgüter voraus (vgl. Urteil 6B_708/2015 vom 22. Oktober 2015 E. 3.3 mit Hinweisen, nicht publiziert in BGE 142 IV 1).
2.4. Ob die Voraussetzungen für einen Vollzug der stationären therapeutischen Massnahme in einer geschlossenen Einrichtung nach Art. 59 Abs. 3 StGB gegeben sind, haben grundsätzlich die Vollzugsbehörden zu entscheiden. Sie dürfen dabei nicht ohne triftigen Grund von gutachterlichen Beurteilungen und gerichtlichen Erwägungen abweichen. Das Bezirksgericht Zürich hatte sich im Strafverfahren im Urteil vom 7. September 2011 gegen den Vollzug in einer geschlossenen Einrichtung ausgesprochen, weil es der Auffassung war, dass die besondere künftige Gefährlichkeit nicht vorliege. Das Obergericht hatte sich zur Form des Vollzugs entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers nicht ausdrücklich geäussert, genauso wenig wie das anlässlich des Strafverfahrens erstellte psychiatrische Gutachten vom 19. Dezember 2011 (Urteil S. 7 E. 3.3). Der Gutachter hatte beim Beschwerdeführer eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen, dissozialen und narzisstischen Anteilen schweren Ausmasses, eine Anpassungsstörung, eine Legasthenie und eine Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen festgestellt. Das Gutachten äussert sich nicht zur Frage der Vollzugsform, unterstreicht aber die hohe Gefahr, dass der Beschwerdeführer wegen der fortbestehenden Persönlichkeitsproblematik erneut Straftaten, vorwiegend Gewaltstraftaten, begehen werde. Der Beschwerdegegner weist auf die gutachterliche Beurteilung einer hohen Rückfallgefahr hin, auf die schwerwiegende Gefährdung hochwertiger Rechtsgüter, auf den Verstoss des Beschwerdeführers gegen das Kontaktverbot gegenüber dem Opfer und auf die Tätlichkeit gegenüber der ehemaligen Freundin, um zu begründen, weshalb der Beschwerdeführer vorerst in einer geschlossenen Abteilung unterzubringen sei. Die Vorinstanz erachtet die Überlegungen des Beschwerdegegners für nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, inwiefern die Vorinstanz ihrer Würdigung schlechterdings unhaltbare tatsächliche Annahmen zugrunde gelegt hätte. Dass die Verletzung des Kontaktverbots und die Tätlichkeit gegenüber seiner ehemaligen Freundin schon vor der obergerichtlichen Verhandlung stattgefunden haben, vermag daran nichts zu ändern. Damit erweist sich das Urteil der Vorinstanz als bundesrechtskonform. Die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen.
3. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG e contrario). Seiner finanziellen Lage ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichterin, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 7. September 2016
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini