BGer 9C_98/2017 |
BGer 9C_98/2017 vom 09.06.2017 |
9C_98/2017
|
Urteil vom 9. Juni 2017 |
II. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
|
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
|
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless,
|
Gerichtsschreiber R. Widmer.
|
Verfahrensbeteiligte |
A.A.________,
|
vertreten durch Rechtsanwalt Claude Béboux,
|
Beschwerdeführerin,
|
gegen
|
Schweizerische Ausgleichskasse SAK, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
|
Beschwerdegegnerin.
|
Gegenstand
|
Alters- und Hinterlassenenversicherung,
|
Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts
|
vom 15. Dezember 2016.
|
Sachverhalt: |
A. Am 30. April 1993 meldeten sich A.B.________ (geboren 1939) und seine Ehefrau A.A.________ (geboren 1947) mit dem Vermerk "Weltenbummler" bei der Ausgleichskasse des Kantons Zürich in Richtung USA ab, was von der Kasse bestätigt wurde. 1998 verstarb A.B.________. A.A.________ bezog in der Folge eine Witwenrente. Mit Verfügung vom 7. Juli 2011 eröffnete die nunmehr zuständige Schweizerische Ausgleichskasse (SAK) der in den USA wohnhaften A.A.________, welche laut den beiden Schreiben der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich vom 14. Oktober 1998 und vom 5. Mai 1999 rückwirkend per 31. August 1998 aus der Kassenmitgliedschaft entlassen worden war, dass ihr weiterhin die im Vergleich zur einfachen Altersrente mit Zuschlag für verwitwete Personen höhere Witwenrente im Betrag von Fr. 1'856.- im Monat ausbezahlt werde. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 29. November 2012 fest.
|
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht auf die von A.A.________ hiegegen mit dem Antrag auf Zusprechung der höchstmöglichen Altersrente eingereichte Beschwerde zufolge Fristversäumnisses nicht eingetreten war, gelangte die Versicherte ans Bundesgericht. Dieses hiess die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit Urteil vom 11. Juli 2014 (9C_755/2013) gut, hob den angefochtenen Entscheid vom 23. August 2013 auf und wies die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurück, damit es über die Beschwerde der Versicherten gegen den Einspracheentscheid der SAK vom 29. November 2012 materiell entscheide.
|
B. In der Folge nahm das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren wieder auf und führte einen Schriftenwechsel durch. Mit Entscheid vom 15. Dezember 2016 trat das Bundesverwaltungsgericht auf das sinngemäss gestellte Gesuch um Wiedererwägung und das Gesuch um Wiederaufnahme in die Kassenmitgliedschaft der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich sowie die dem Sinne nach verlangte Überprüfung der Beitragserhebungen und -abrechnungen der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich nicht ein. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab.
|
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.A.________ das Rechtsbegehren um Zusprechung der höchstmöglichen Altersrente erneuern. Eventuell sei die Sache unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides zu neuer Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen.
|
Während die SAK auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.
|
Die Versicherte reicht nachträglich eine weitere Eingabe ein.
|
Erwägungen: |
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b BGG), die Feststellung des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
|
2.
|
2.1. Die Beschwerdeführerin leitet den Anspruch auf eine höhere Altersrente aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ab, indem sie geltend macht, infolge einer falschen Auskunft der Sozialversicherungsanstalt nach dem Tod ihres Ehegatten keine AHV-Beiträge mehr bezahlt zu haben. So sei sie am 31. August 1998 ungerechtfertigterweise aus der Kassenmitgliedschaft entlassen worden.
|
2.2. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zusprechung der höchstmöglichen Altersrente abgewiesen. Dabei hat es festgestellt, dass die Versicherte und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann am 30. April 1993 ihren festen Wohnsitz in der Schweiz aufgegeben hätten. Seit diesem Zeitpunkt hätten sie jeweils während sechs Monaten in den USA, während der restlichen Zeit in europäischen Staaten gelebt; am 8. Januar 2009 habe die Beschwerdeführerin sodann eine Aufenthaltsbewilligung, am 6. Juni 2011 eine Niederlassungsbewilligung der USA erhalten. Ferner hat das Gericht dargelegt, die Versicherte sei korrekt über die rückwirkende Entlassung aus der Kassenmitgliedschaft auf den 31. August 1998 informiert worden. Mit der Mitteilung der Entlassung aus der Mitgliedschaft sei sie auch über die Möglichkeit der Weiterversicherung orientiert worden. Rückfragen über die Beitragspflicht seien in der Folge - auch nach dem Wechsel von der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich zur SAK - unterblieben. Da die Versicherte auf die Schreiben vom 14. Oktober 1998 und 5. Mai 1999 nicht reagiert und keine formelle Verfügung verlangt hat, sei die Kassenentlassung rechtswirksam erfolgt. Auf die Erhebung von Beiträgen sei daher in der Folge zu Recht verzichtet worden, weshalb nicht eine Vollrente zur Ausrichtung gelangen könne. Auf die Entlassung aus der Mitgliedschaft könne nicht zurückgekommen werden. Ebenso hat die Vorinstanz die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben im Zusammenhang mit einem Beitritt zur freiwilligen AHV/IV verneint. Schliesslich hat sie die Berechnung der einfachen Altersrente der Beschwerdeführerin, die in Form der höheren Witwenrente zur Ausrichtung gelangt (Art. 24b AHVG), unter Wiedergabe der Gesetzesbestimmungen überprüft und mit eingehender Begründung bestätigt.
|
2.3. Wie schon im vorinstanzlichen Verfahren wendet die Beschwerdeführerin ein, sie und ihr Ehemann hätten sich am 30. April 1993 mit dem Vermerk "Weltenbummler" bei der Ausgleichskasse des Kantons Zürich abgemeldet. In der Folge hätten sie Reisen unternommen. Dank der Gründung eines Unternehmens in den USA im Jahre 1996 habe ihr Ehemann für zwei Jahre ein Handelsvisum erhalten. Sie hätten beabsichtigt, nach fünf Jahren die permanente Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Bis zum Tod des Ehegatten 1998 habe kein Wohnsitz in den USA begründet werden können. Eine dauernde Aufenthaltsbewilligung habe sie in der Folge nicht erhalten. Vielmehr habe sie sich jeweils nur während 180 Tagen im Jahr in den USA aufhalten dürfen, die restliche Zeit habe sie auf Reisen verbracht. Am 6. Juni 2011 habe sie eine bedingungslose Aufenthaltsgenehmigung bis 2021 erhalten, nachdem ihr schon 2009 für zwei Jahre eine Bewilligung erteilt worden war. Damit stehe fest, dass die Versicherte seit der Abmeldung aus der Schweiz zwischen 1993 und 2011 keinen neuen Wohnsitz begründen konnte. Die Entlassung aus der Kassenmitgliedschaft sei ungesetzlich und wider Treu und Glauben erfolgt.
|
2.4. Die Ausgleichskasse verweist in ihrer Vernehmlassung darauf, dass die für die Wohnsitznahme geforderte Absicht dauernden Verbleibens auch bei einem kurzen Aufenthalt erfüllt sein könne. Der verstorbene A.B.________ habe am 18. Juni 1993 auf dem Fragebogen zur Abklärung der AHV-Beitragspflicht für Nichterwerbstätige als Grund des Auslandaufenthalts "Weltenbummler" angegeben. Dies möge seinem damaligen Willen entsprochen haben. Offensichtlich hätten sich sein Lebensmittelpunkt und derjenige seiner Ehefrau mit der Zeit in die USA verschoben; dies zeige die Tatsache, dass die Ehegatten so viel Mühe auf sich genommen hätten, nach Ablauf der Visa für 180 Tage auszureisen und einzureisen, um immer wieder am gleichen Ort in den USA zu leben. Eine Aufenthaltsbewilligung für 180 Tage stehe einer Wohnsitzbegründung nicht entgegen, wenn für Dritte die erkennbare Absicht besteht, dauernden Wohnsitz zu begründen. Nach der Rechtsprechung sei für den Wohnsitz nach Art. 23 Abs. 1 ZGB nicht massgebend, ob die betreffende Person eine fremdenpolizeiliche Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung besitzt. Der verstorbene Ehegatte der Beschwerdeführerin habe 1996 in den USA eine Unternehmung gegründet, um eine längere Niederlassungsbewilligung zu erhalten. Auch wenn er dadurch nur ein (erneuerbares) Visum für zwei Jahre erhielt und die jährliche Aufenthaltsgenehmigung der Versicherten hievon abhing, sei damit ein Lebensmittelpunkt in den USA geschaffen worden. Der tatsächliche langjährige Aufenthalt in den USA sowie Aufwand und Einsatz der Beschwerdeführerin (und ihres Ehegatten) legten den Willen zur Wohnsitznahme dar und hätten auch für Dritte erkennen lassen, dass sich der Lebensmittelpunkt in den USA befindet. Zudem sei die Versicherte eigenen Angaben zufolge nicht einmal mehr zu Ferienzwecken in die Schweiz gereist. Für Dritte ersichtliche Umstände dafür, dass sie den Wohnsitz noch in der Schweiz hatte, fehlten. Im Übrigen habe sie keinen Willen gehabt, sich weiter bei der AHV zu versichern, habe sie doch gegen die Entlassung aus der Kassenmitgliedschaft nicht interveniert und auch keine Beiträge mehr entrichtet.
|
3.
|
3.1. Die Beschwerdeführerin bringt keine Argumente vor, die geeignet wären, die Sachverhaltsfeststellung des Bundesverwaltungsgerichts als offensichtlich unrichtig oder die Erwägungen als bundesrechtswidrig (E. 1 hievor) erscheinen zu lassen. Insbesondere vermag sie nicht darzutun, inwiefern die Auffassung der Vorinstanz, wonach sie rechtsgültig aus der Kassenmitgliedschaft bei der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich entlassen worden sei, Bundesrecht verletzt, führt sie doch selbst aus, mit Schreiben der Sozialversicherungsanstalt vom 5. Mai 1999 rückwirkend auf den 31. August 1998 als Kassenmitglied ausgeschlossen worden zu sein; dass sie sich gegen die Beendigung ihrer Mitgliedschaft in der Ausgleichskasse gemäss Schreiben vom 5. Mai 1999 gewehrt habe, macht sie nicht geltend. Wie die Vorinstanz im Übrigen mit einlässlicher Begründung zutreffend festgehalten hat, ist die Beendigung der Kassenmitgliedschaft rechtskräftig erfolgt, auch wenn das Schreiben der Sozialversicherungsanstalt vom 5. Mai 1999 nicht in Verfügungsform gekleidet war, worauf die Beschwerdeführerin erneut hinweist.
|
3.2. In der Zeit ab 1. September 1998 hatte die Versicherte ihren Wohnsitz nicht mehr in der Schweiz. Gemäss ihren Angaben hatte ihr verstorbener Ehemann 1996 in den USA eine Firma gegründet mit dem Ziel, für längere Zeit eine Niederlassungsbewilligung zu erhalten. Er erhielt denn auch zunächst ein erneuerbares Visum für zwei Jahre, von dem die jährliche Aufenthaltsbewilligung der Versicherten abhängig war. Diese Tatsache sowie der langjährige Aufenthalt in den USA, wenn auch in der ersten Zeit jeweils nur befristet für 180 Tage im Jahr, lassen die Annahme der Vorinstanz, die Beschwerdeführerin habe ihren Wohnsitz in den USA gehabt, als plausibel erscheinen. Inwiefern die Vorinstanz die für die Beurteilung des Wohnsitzes (Art. 23 Abs. 1 ZGB; zum Begriff vgl. BGE 136 II 405 E. 4.3 S. 409 f. mit Hinweisen) massgeblichen tatsächlichen Verhältnisse offensichtlich unrichtig dargestellt oder die Beweislage willkürlich gewürdigt habe, vermag die Beschwerdeführerin nicht zu begründen. Eine Beweiswürdigung ist nicht bereits willkürlich, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre (vgl. dazu statt vieler Urteil 9C_635/2016 vom 14. Dezember 2016 E. 4.1 mit Hinweisen).
|
3.3. In rechtlicher Hinsicht ist die Berufung auf Pass- und Visadokumente im Hinblick auf ihren Aufenthaltsstatus in den Jahren ab 1998 (Tod des Ehemannes) bis zum Erhalt der Greencard (ab 5. Januar 2009 für zwei Jahre, am 6. Juni 2011 definitiv) nicht stichhaltig. Denn nach der Rechtsprechung ist es für den zivilrechtlichen Wohnsitz nach Art. 23 Abs. 1 ZGB nicht massgebend, ob die Person eine fremdenpolizeiliche Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung besitzt (BGE 129 V 77 E. 5.2 S. 79, 125 V 76 E. 2a S. 77).
|
3.4. Die Vorinstanz hat demnach zu Recht erkannt, dass die Sozialversicherungsanstalt die Kassenmitgliedschaft der Beschwerdeführerin am 5. Mai 1999 ohne Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben rückwirkend auf Ende August 1998 beenden durfte. Wie die Vorinstanz richtig dargelegt hat, sprechen die äusseren Umstände - wie der Aufenthalt in den USA und zwischenzeitlich in europäischen Ländern sowie die Gründung einer eigenen Unternehmung durch den Ehemann - im Hinblick auf die Erlangung eines unbefristeten Aufenthaltsrechts dafür, dass die Beschwerdeführerin im August 1998 ihren Wohnsitz im Sinne von Art. 23 Abs. 1 ZGB in den USA hatte. Die Folgerung des Bundesverwaltungsgerichts steht damit im Einklang mit dem Bundesrecht, woran die weiteren Vorbringen in der Beschwerde nichts ändern.
|
4. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
|
Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
|
2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
|
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
|
Luzern, 9. Juni 2017
|
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
|
des Schweizerischen Bundesgerichts
|
Die Präsidentin: Pfiffner
|
Der Gerichtsschreiber: Widmer
|